MORDRED - The Dark Parade
Auch im Soundcheck: Soundcheck 07/2021
Mehr über Mordred
- Genre:
- Bay Area Thrash
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- M-Theory Audio
- Release:
- 23.07.2021
- Demonic #7
- Malignancy
- I Am Charlie
- Dragging For Bodies
- The Dark Parade
- All Eyes On The Prize
- Dented Lives
- Smash Goes The Bottle
Frisch und energisch in den Tag!
Dass es sich bei MORDRED um eine der zentralen Bands, der zweiten Bay-Area-Thrash-Generation handelt, dürfte jeder Leser dieser Seiten wissen. Immerhin hat die Band Ende der 80er mit ihrem Debütalbm "Fools Game" einen Genreklassiker veröffentlicht, der bis heute zu Großtaten dieser Szene zu zählen ist. Die Kombination aus diesen typischen Crunch-Gitarren, die mit THIN-LIZZY-artigen Harmonien verzaubern und einem Sänger, der mit seiner exzentrischen Art für weit aufgesperrte Ohren sorgt, ist bis heute selten erreicht. Dazu der Einsatz einen festen DJs, der mit Samples und Scratching ein sehr außergewöhnliches Element in den herrlich frisch klingenden Thrash der Band bringt. Mit dem nachfolgenden "In This Life" geht man 1991 sogar noch einen Schritt weiter und klingt noch offener. Das Album ist für mich ein Klassiker im Bereich Crossover, ohne dabei auch nur entfernt nach Nu-Metal oder Irgendwas-Core zu klingen. Die Veröffentlichungen danach gingen mir dann zwar teilweise zu weit weg vom Metalsound, aber die Band ist bis heute tief in meiner musikalischen DNA verwurzelt geblieben. Irgendwann nach dem 94er Album "The Next Room" hat man sich leider aufgelöst. Umso erfreuter war ich, als die Band im Jahr 2015 völlig überraschend auf Tour nach Europa kam. Der Auftritt im Hamburger Knust vor zwei Handvoll Menschen zählt zu meinen Konzerthighlights dieses Jahrzehntes. Es war ganz großes Kino, mit welcher Energie und Spielfreude die Band, die beinahe in Originalbesetzung auftrat, ihre Songs zum Einsatz brachte. Dabei war es Ihnen völlig gleichgültig, dass nur so erschreckend wenig Menschen da waren. Man hatte ganz offenbar einfach Spaß.
Seither werkelt die Band an neuen Songs und hat neben digitalen Veröffentlichungen im Jahr 2020 eine 4-Track-EP namens "Volition" veröffentlicht, die mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Mit einer Nummer wie 'What Are We Coming To' ist man sehr weit in den Hip-Hop-Bereich eingedrungen, was auch bei mir leichtes Unbehagen ausgelöst hat. Dafür sind die drei anderen Nummern mehr als vielversprechend. Von daher war ich sehr gespannt auf den Longlayer, der uns in Form von "The Dark Parade" nun vorliegt.
Schon beim Opener 'Demonic #7' bin ich im Ekstase-Modus. Die unwiderstehlichen Gitarrenmelodien, die sich unweigerlich und unwillkürlich in Deine Hirnrinde fräsen, erinnern sofort an eine Großtat der Klasse 'The Strain'. Eingeweihte Silberrücken ohne verscheuklappte Lauscher werden sich an diese Wundertüte vom 91er-Werk erinnern und nun hoffentlich schon im Kaufmodus sein. Scott Holderby hat nichts von seiner theatralischen Vortragekunst verloren und das Klampfengespann Danny White/Jim Sanguinetti zündet hier ein Feuerwerk ab, wie man es lange nicht gehört hat. Natürlich gibt es Samples und Scratches von DJ Pause, aber diese passen, wie schon 1991, fäustlich auf die Ohren und verleihen dem Song die nötige Originalität. Ein Auftakt nach Maß! Die anschließende Single 'Malignancy', die sich textlich mit dem schweren Thema Krebs beschäftigt, ist dann sogar noch eine Spur heftiger ausgefallen. Ich glaube, ich habe von MORDRED noch keinen derartig wuchtigen Song gehört. Die balsamierenden Gesänge von Scott im Chorus stehen im harschen Kontrast zu seinen Sprechgesängen in den Versen und untermauern den Facettenreichtum dieser Ausnahmeband.
Weiter geht es mit dem hackenden 'I Am Charlie'. Der Titel zeigt es schon, die Band hat erneut auch textlich einiges zu sagen, handelt es sich hierbei doch um eine Sympathiebekundung der "Je suis Charlie"-Bewegung. Musikalisch ist auch hier die Marschrichtung erfreulich heavy ausgefallen. Vor allem die Basslines von Ur-MORDRED Art Liboon fallen hier erneut schön transparent aus dem üblichen Metallrahmen. Dazu kommen dieses Mal ungewohnte Klänge aus der Tastatur, die wie sehr tiefe, verzerrte Glocken klingen und dem Song eine weitere Unze an angenehmer Tiefe geben. Die Gitarrenläufe in dieser kraftvollen Nummer sind natürlich erneut zum Niederknien. Die eben erwähnten, neuen Klangwelten setzen sich im anschließenden 'Dragging For Bodies' durch sakral anmutende Orgeleinsätze fort. Das ist ein sehr intensives Hörerlebnis!
Der Titelsong überrascht dann mit Bläsern (!) und einem Ska-Uptempo-Beat, der sofort ins Whip-Gelenk geht. Da hatte ich zuerst meine Probleme mit, aber bereits beim zweiten Durchlauf entpuppt sich dieser Song zum absoluten Tanzbeinschwinger. Sogar für Sitztänzer. Very cool! Wie auch das vom abgehackten Mördergroove getragene 'All Eyes On The Prize', welches mit seinen Gang-Shouts sicherlich zum Live-Smasher mutieren wird. Es ist beinahe unheimlich, wie energisch diese Silberrücken hier agieren und auch Neuzugang Jeff Gomes (dr.), der zuvor bei den Funk-Rockern FUNGO MUNGO die Felle verdroschen hat, beweist überall seine Klasse. Toll!
Das bereits 2015 live gespielte 'Dented Lives' ist dann trotz aller Frische und toll-schrägen Chören mein Lowlight des Albums. Sicherlich trotzdem ein toller Song, dem aber irgendwie ein bisschen Abgedrehtheit und Durchschlagskraft fehlt. Das abschließende 'Smash Goes The Bottle' ist dann noch einmal Material wie es auch schon auf dem 91er-Klassiker hätte stehen können. Luftige Gitarren, coole Hooks, geballte Fäuste zu minimal funkigen Rhythmen. Fein.
Unterm Strich ist "The Dark Parade" ein Album, welches die Spielfreude der Band wunderbar einfängt und welches sofort als legitimer Nachfolger von "In This Life" durchgeht, ohne in irgendeiner Weise old-fashioned zu klingen. Offenbar war die Band damals schon im Hier und Morgen angekommen. Heute ist sie durch minimale Ergänzungen nur noch im Hier und Jetzt, aber das reicht für die coolen, alten Männer locker aus um dem jungen Gemüse zu zeigen, wie man modern, frisch und originell klingt. Chapeau! Tour, please!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Holger Andrae