NEBELKRäHE - Entfremdet
Mehr über Nebelkrähe
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 26.06.2009
- Blick vom Ebenholzturm
- Über den Fluss hinweg
- Lichtbringer
- Mein ungleich' Ebenbild
- Dem Alb entronnen, so nah dem Traum
- Als meine Augen ich aufschlug ...
- Gewissheit:
- Et in Arcadia ego
Sehr gelungenes, in Eigenregie aufgenommenes Black-Metal-Debüt aus München, das den Kopf weit aus der schwarzen Masse hebt.
Nach nur einem Demo hat sich die Münchener Band NEBELKRÄHE entschieden, ihr Debütalbum in Eigenregie zu veröffentlichen und es ohne die Unterstützung eines Labels zu versuchen. Ein ehrenwertes Unterfangen, das nun mit "Entfremdet" ein greifbares Ergebnis an den Start bringt. Als erstes fällt die aufwändige Aufmachung ins Auge, die für eine Eigenproduktion äußerst üppig geraten ist. Das Cover lässt zwar einigen Interpretationsspielraum offen, doch das sechzehnseitige vollfarbige Booklet mit allen Texten und Bandphotos in typisch schwarzmetallischer Ästhetik belegt, dass die Band keine Aufwände gescheut hat, ihr Erstlingswerk würdig in Szene zu setzen. Auch lyrisch haben sich die Musiker einige Mühe gegeben. Die Texte sind reflektierend und hintergründig. Sie sind vielerlei Interpretationen zugänglich, aber nicht zu abstrakt oder kryptisch. Der Leser kann sie nachvollziehen und sich was darunter vorstellen, auch wenn er die Bezüge der Texte zu seiner Realität und zum Gang der Welt an sich selbst herstellen muss. Grob gesagt, geht es um das Warum, das Wohin, das Woher - in interessante lyrische Formen verpackt.
Stellt sich also die Frage, ob das Quintett dem schönen äußeren Schein auch innere, musikalische Werte zur Seite stellt, die ebenso aufhorchen lassen. Dazu sei zuerst gesagt, dass mir ein Vergleich mit dem Demo nicht möglich ist, weil "Entfremdet" mein Erstkontakt mit der jungen bajuwarischen Truppe ist. Zu möglichen Weiterentwicklungen muss ich daher schweigen, ich kann euch aber sagen, dass das Demostück 'Über den Fluss hinweg' für das Album neu eingespielt wurde, dort an zweiter Stelle steht und an dieser Position eine sehr gute Figur abgibt. Doch der Reihe nach: Schon vom Opener 'Blick vom Ebenholzturm' an, fällt auf, dass die Band sich viel Mühe mit einem organischen und doch differenzierten Sound gegeben hat. Besonders das Schlagzeug klingt angenehm natürlich und lässt die zahlreichen Synthetiker der Szene sehr blass aussehen.
Prägnanter Hall führt dazu, dass sich auch klanglich eine Black-Metal-Ästhetik breit macht, wobei darauf hinzuweisen ist, dass wirklich alle Instrumente sauber heraus gearbeitet sind und sich kein berüchtigter Nekro-Sound breit macht. In Sachen Tempo sind die Nebelkrähen beim Opener eher getragen. Es braust nicht der Blizzard über Oberbayern hinweg, sondern es breitet sich eher eine kalte, bedrohliche, durchaus depressive Stimmung aus. Andere Stücke, wie das bereits erwähnte 'Über den Fluss hinweg' lassen das Tempo auch mal merklich anziehen, allerdings immer noch ohne in die infernalischen Blasts des Highspeed-Black-Metals auszuufern. Es wird immer wieder ein geschickter Tempowechsel eingesetzt, der es ermöglicht, mit einem groovenden Gitarrenriff oder einer kurzen, markanten Basspassage - die gerade bei diesem Stück häufig auftauchen - den Hörer einzufangen. Das gelingt ihnen hier in ähnlicher Manier wie DISMEMBER bei ihren ruhigeren Stücken. Trotz der offensichtlich unterschiedlichen Stilrichtungen, ist die Kompositionsweise und der Einsatz des Basses ähnlich.
Bei 'Lichtbringer' meine ich, im Einstieg einen gewissen CELTIC-FROST-Einfluss zu vernehmen, der sich jedoch bald verliert. Hier wird ab dem dritten Vers mit eigenwilligen klaren Gesangspassagen experimentiert, die sich schwer kategorisieren lassen. Mir gefallen sie recht gut, auch wenn ich nicht in der Lage bin, hierfür einen passenden Vergleich zu finden. Ebenso wenig gelingt mir das für die vertrackten rhythmen, mehrstimmigen klaren Gitarrenleads und einige weitere Spielereien im Mittelstück des Liedes. Aber das ist ja ein gutes Zeichen, das für die Eigenständigkeit der NEBELKRÄHE spricht. Geradliniger strukturierte Stücke wie der zum Headbangen einladende, rhythmische Stampfer 'Mein ungleich' Ebenbild' mit der starken, punkigen Explosion ab der dritten Minute, sorgen dafür, dass das Album auch nicht zu kopflastig wird. Dass ich an dieser Stelle den Song-für-Song-Durchgang abbreche, liegt übrigens nicht daran, dass die Band ihr Pulver schon verschossen hätte. Gerade das Abschlussdoppel hat es nochmal mächtig in sich; aber wir wollen ja nicht die ganze Spannung nehmen. Nur noch soviel: Der abschließende Elfminüter 'Et In Arcadia Ego' ist ein ziemlicher Hammer, der alle Facetten der Band nochmal schön zusammenfasst und sehr viel Atmosphäre aufbaut. Das definitive Highlight des Albums, vor allem im Gitarrenbereich.
Damit bleibt als Fazit festzuhalten, dass NEBELKRÄHE ein Album gelungen ist, das für schwarzmetallische Eigenpressung durchaus Maßstäbe setzt und viele Label-Produktionen locker links und rechts überholt. Durch die starken deutschsprachigen Texte, die vielschichtige organische Produktion und die sparsam aber effektiv eigesetzte Experimentierfreude sind auch genügend Alleinstellungsmerkmale gegeben, die einfach dafür sorgen müssen, dass die Band nicht im Schwarzen Meer der Veröffentlichungen untergeht. Als kleine, rein subjektiv empfundene Kritikpunkte möchte ich anmerken, dass der eine oder andere eingängigere Kehrvers auch im schwarzen Stahl nicht unbedingt trivialisieren muss, sondern die Identifikation und das Mitreißen des Hörers verstärken kann. Das eher erzählerische Konzept der Texter erschwert dem gesangsfixierten Hörer möglicherweise den Zugang. Hierbei sei aber erwähnt, dass die instrumentalen Hooks durchaus zur Genüge gegeben sind. Ein weiterer Punkt, den ich ein bisschen verbesserungswürdig fände, ist umbrAs harscher Gesang, der manchmal gegen Ende eines Verses die Worte etwas zu derbe heraus speit; aber das ist natürlich Geschmackssache, ebenso wie der eigenwillige Klargesang, den ich - wie gesagt - sehr gelungen finde. Insgesamt ein weit mehr als nur solides Black-Metal-Debüt, das nicht nur sehr viel instrumentales und kompositorisches Potential offenbart, sondern auch in der Umsetzung schon sehr beachtlich gelungen ist. Hörproben und die Möglichkeit, das schöne Scheibchen für günstige zehn Euro zu erwerben, gibt es bei MySpace.
Anspieltipps: Über den Fluss hinweg, Mein ungleich' Ebenbild, Et In Arcadia Ego
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle