NIGHTRAGE - Sweet Vengeance
Mehr über Nightrage
- Genre:
- Melodic Death Metal
- Label:
- Century Media
- Release:
- 30.06.2003
- The Tremor
- The Glow Of The Setting Sun
- Hero
- Elusive Emotion
- Gloomy Daydreams
- Macabre Apparition
- In My Heart
- Ethereal
- Circle Of Pain
- At The Ends Of The Earth
- The Howls Of The Wolves
Ah, noch ein All-Star-Projekt. Nein, falsch: NIGHTRAGE sind sogar eine 'richtige' Band, die bereits anno 2000 von Gitarrist Marios Ilipoulos (EXHUMATION) gegründet wurde. Komplettiert wird das Line-Up allerdings fast ausschließlich von Szenegrößen. Da hätten wir zum einen Tausendsassa Gus G. (DREAM EVIL, FIREWIND, MYSTIC PROPHECY) an der Klampfe, Per M. Jensen (THE HAUNTED) hinter der Schießbude, während sich niemand geringeres als Tompa Lindberg (Ex-AT THE GATES, LOCK UP) und Tom S. Englund (EVERGREY) das Mikro teilen. Lediglich Tieftöner Brice Leclercq scheint noch keiner zu kennen.
Ehrlich gesagt habe ich von der Truppe etwas sehr großartiges erwartet - zwar tanzt Gus G. auf tausend Hochzeiten gleichzeitig, was vielleicht den Schluß nahelegt, dass seine musikalischen Ergüsse auch mal das Mittelmaß König sein lassen (meine Meinung über DREAM EVIL und Konsorten spare ich mir an dieser Stelle mal), aber der Kerl ist auf jeden Fall ein sehr talentierter Gitarrist. Mit Tompa Lindberg hat man wohl die Death Metal-Stimme schlechthin an Bord, während sein cleaner Gegenpart meines Erachtens mit zu den herausragendsten Sängern der letzten Jahre gehört. Dass sich die ganze Chose mit NIGHTRAGE auch noch auf den klassischen Melodic Death konzentrieren sollte, schraubte die Erwartungshaltung - sicherlich nicht nur meinerseits - nochmals um einige Stufen nach oben. Schließlich ist es heutzutage verdammt schwer, gerade in diesem Bereich noch bahnbrechende Alben herauszubringen.
Sei's drum, genug nachgedacht und "Sweet Vengeance" in den Player geschmissen. Gerade das eröffnende Dreierpack 'The Tremor'/'The Glow Of The Setting Sun' (erinnert doch stark an AT THE GATES' 'Under A Serpent Sun', how come?)/'Hero' überzeugt mächtig: Drückende, differenzierte und dennoch zu Genüge rauh klingende Produktion, ein krächzkreischender Tompa in einer Form, die er zuletzt bei AT THE GATES an den Tag legte, und wirklich gute Gitarrenarbeit. Zwar hätte ich gerade von Gus G. etwas mehr Ideenreichtum auf den sechs Saiten erwartet, aber die zumeist recht simpel gehaltenen Riffs zünden wenigstens sofort und kommen millimetergenau auf den Punkt. Immerhin.
Aber: Wo ist Tom Englund? War da nicht die Rede von zwei Sängern? Bei 'Hero' darf der Gute endlich mal ran, allerdings kommt das Ganze m.E. nicht über einen Alibi-Status heraus. Schade, denn gerade gesangstechnisch war wirklich viel von NIGHTRAGE zu erwarten gewesen. Ein ständiges - oder zumindest öfters vorkommendes - Wechselspiel zwischen diesen beiden markanten und imposanten Stimmen wäre mit Sicherheit sehr interessant geworden.
So darf zumeist Tompa - der seinen Job wirklich formidabel erledigt - sich 'nen Wolf krächzen, was aber leider auch noch keine allzu großen Erinnerungen oder Sehnsuchts-Schübe in die Richtung AT THE GATES hervorruft. Dazu haben NIGHTRAGE einfach nicht die musikalische und vor allem kompositorische Klasse an den Tag gelegt - dass dies bei den mitwirkenden Musikern allemal möglich gewesen wäre, erklärt sich von selbst.
Man verstehe mich nicht falsch: "Sweet Vengeance" ist ein grundsolides Werk geworden, aber mehr als eine Mischung aus den Einflüssen und musikalischen Hintergründen der Beteiligten ist meiner Meinung nach dabei leider nicht herausgesprungen. Dafür verrennt sich die Gitarrenfraktion zu oft in fast schon lust- und belanglos wirkendem Riffing; die bedauerlicher Weise eher spärlich eingestreuten Twin-Leads sind zwar schön anzuhören, aber alles andere als interessant geworden.
Wenn man dann mal wirklich überzeugen kann, wie beispielsweise beim bereits erwähnten Einstiegs-Dreier, dann klingen NIGHTRAGE doch sehr schnell nach Truppen, die - oh Wunder - die Hauptbeschäftigungsfelder der Protagonisten waren bzw. sind. 'Circle Of Pain' ist zu Beginn fast schon unerträglich nah an EVERGREY angelehnt, was angesichts der Klasse von Tom Englund nicht wirklich sein musste, und der Brecher 'At The Ends Of The Earth' klingt sicherlich nicht nur rein zufällig nach THE CROWN, bei denen Tompa mal tätig war. Und zu Beginn? Nun, dort lehnen sich NIGHTRAGE - Überraschung! - ein wenig an THE HAUNTED und den Szenegrößen der Melo-Death-Bewegung an. An AT THE GATES scheitert man dann doch.
Kurzum: "Sweet Vengeance" ist ein gutklassiges Album. Nicht mehr, nicht weniger. Meine Wenigkeit wertet dies aufgrund der beteiligten Herren Musiker doch als kleine bis mittelgroße Enttäuschung, zumal der Platte auf der Mittelstrecke teils ganz schön gehörig die Puste ausgeht.
Sorry, aber hier habe ich ein deutlich emotionaleres Werk erwartet - geworden ist die Chose etwas zum größten Teil vorhersehbares und musikalisch kaltes. Schade drum.
Anspieltipps: The Tremor, The Glow Of The Setting Sun, At The Ends Of The Earth
- Redakteur:
- Rouven Dorn