NOCTE OBDUCTA - Karwoche (Die Sonne der Toten pulsiert)
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/23
Mehr über Nocte Obducta
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Supreme Chaos Records / Soulfood
- Release:
- 18.08.2023
- Sonne der Toten
- Drei gemeuchelte Sommer
- Karwoche
- Birkenpech
- Blutmond Nemesis
- Conamara Chaos
- Balder
- Schwarzbier und Feigen
Album des Monats, ihr Narren!
Manche Dinge scheinen sich niemals zu ändern bei uns im Hause, und dazu gehört fraglos unser Verhältnis zu NOCTE OBDUCTA. Mit jedem neuen Album können die deutschen Black-Metal-Veteranen nämlich eine überschaubare Anzahl von zwei bis drei Kollegen vollends überzeugen, und der Rest wendet sein Antlitz mit Grausen ab. So landet die Band dann auch immer wieder ganz am Ende unseres Soundchecks, sammelt dabei aber auch regelmäßig hohe Einzelnoten ein, die sich dorten sonst nur selten finden. Von dieser Regel macht auch die "Karwoche" keine Ausnahme, denn im aktuellen Soundcheckteam vermag allein der Unterzeichner lobende Worte zu finden, die nachstehend auch kundgebracht werden sollen:
Die "Karwoche", laut Untertitel auch die pulsierende 'Sonne der Toten', ist ein weiteres Album geworden, das dem Ruf der Band rundum gerecht wird. Schon der Auftaktsong ist wild, wütend, harsch im Klanggewand, gibt sich dabei aber einmal mehr sehr abwechslungsreich in den Tempi und in den Stimmungen. Raserei im altnordischen Sinne des gewählten Stiles findet sich ebenso wie auch doomige Schwere mit keltisch-frostiger Referenz; beides oftmals auch im selben Song, was etwa 'Drei gemeuchelte Sommer' unter Beweis stellt, das auch den gedrosselten, peitschenden Groove der Snare auspackt, der uns um die Jahrtausendwende herum immer mal wieder bei DARKTHRONE begegnet ist.
Gemein ist allen Kompositionen eine garstige Schroffheit, und das Element mit überraschenden Stimmungswechseln oder fiesen Jumpscares, um mal eine Analogie zur Cineastik zu bemühen, den Hörer aus dem Wohlfühlklima herauszureißen. Dafür ist das Titelstück ein perfektes Beispiel, das grundsätzlich durch den getragenen, grimmigen Rezitativ von Sänger Torsten geprägt ist, dessen doomige instrumentale Einschübe aber so wuchtig und voluminös drücken, dass es eine wahre Freude ist. Dann kommt hier und da aber ein Break, ein schneidendes Gitarrenelement oder ein elektronischer Effekt hinzu, der den Trip zur Geisterbahnfahrt macht.
Allgemein weiß die Mischung aus Schwarzdoomigem, Raserei und sphärischer Psychedelik zu überzeugen, wofür auch das grollende Storytelling beim ausladenden Siebenminüter 'Birkenpech' spricht, der wirklich tief unter die Haut geht und auf zunächst befremdlich scheinende, aber tatsächlich hervorragend funktionierende Weise archaischen schwarzmetallischen Nimbus mit einer gewissen Sci-Fi-Spacigkeit vereint. Muss man auch erst mal so hinbekommen! Um den Hörer mit gnadenloser Härte zu verhackstücken braucht die Band im Anschluss beim gleichwohl breaklastigen 'Blutmond Nemesis' nur zweieinhalb Minuten, und auch das nur unwesentlich längere 'Conamara Chaos' schlägt richtig derbe zu. Ist es wohl dem feinen irischen Whiskey aus jenen Gauen gewidmet? Nein, aber vielmehr dem gleichnamigen Eismehr auf dem Jupitermond Europa. Passt besser, würde ich sagen.
Daran anschließend gibt sich 'Balder' als Kontrapunkt mantrisch und getragen, fast mit hypnotischer Anziehungskraft, die trotz der epischen Länge von neun Minuten nicht abnutzt und keine Langeweile aufkommen lässt. Zum Abschluss folgt mit 'Schwarzbier und Feigen' einer dieser so unverkennbar typischen wie verstörenden Titel von NOCTE OBDUCTA, der einen recht lässigen, verschleppten Groove zelebriert, diesen mit einer unbarmherzigen doomigen Schwere kombiniert und dazu eine herrlich bizarre lyrische Abfahrt kredenzt, während das Stück in quasi postrockiger Art immer wieder dramatisch anschwillt, hier und da perkussiv und tribal-lastig angereichert, um sich dann wieder in reduziertem Gewand hinterhältig zurück zu ziehen, als wäre das Stück Ebbe und Flut.
So ist am Ende die "Karwoche" all das, was man sich als Fan dieser Band wünschen kann. Dem eigenen Erbe treu und trotzdem frisch und innovativ komponiert, ist es auch tontechnisch glänzend in Szene gesetzt. Die analoge und bei aller Rohheit und Ungehobeltheit sehr transparente Produktion umschifft meines Erachtens zahlreiche Klippen, die vielen Metalfans den Zugang zu schwarzmetallischen Exponaten verbauen, denn sie ist nicht vom Loudness-War befallen, sie ist nicht mit Triggers und Samples zugeballert, sie klingt bei aller Grimmigkeit lebendig und atmet. Gerade wenn man dies bedenkt, ist es für mich umso unverständlicher, dass NOCTE OBDUCTA bei uns im Hause nicht auf mehr Gegenliebe stößt. Aber sei es drum: Erweiterte Massenkompatibiltät ist sicherlich ohnehin nicht das primäre Anliegen dieser Band, und kann sich der Fan bequem zurücklehnen und den Skeptikern wie auch den Gleichgesinnten ein freundliches "Album des Monats, ihr Narren!" entgegenschleudern.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle