NOCTE OBDUCTA - Nektar - Teil I: Zwölf Monde, eine Handvoll Träume
Mehr über Nocte Obducta
- Genre:
- Avantgarde Black Metal
- Label:
- SCR / Twilight
- Release:
- 02.08.2004
- Einleitung: Zwölf Monde
- Frühling: Des schwarzen Flieders Wiegenlied
- Sommer: In einem Mittsommernachtsschatten
- Herbst: Lenkte einsam meinen Schritt...
- Winter: Dezembermond
Wahnsinn. Einfach nur Wahnsinn.
NOCTE OBDUCTA hätte ich nach dem letztjährigen Geniestreich "Stille" so ziemlich alles zugetraut. Eine Rückbesinnung auf alte "Lethe"-Zeiten, ein zweites "Schwarzmetall", sogar ein Album, welches MY DYING BRIDE und OPETH hätte neidisch werden lassen. Seit mehr als zwei Monaten habe ich die Vorabkopie von "Nektar - Teil I" nun schon, und vollkommen erschlossen hat sich mir dieses unbeschreibbare Juwel immer noch nicht vollständig.
"Nektar" ist, wie im Vorfeld angekündigt und damals noch müde belächelt, die Quintessenz dessen, was diese einzigartige Band ausmacht, ausgemacht hat und ausmachen wird: Rasender Black Metal der Mittneunziger steht gleichberechtigt neben ruhigen, epischen, ausladenden Songpassagen, welche einen mit ihren majestätisch gespannten Melodiebögen fast schon zu erschlagen drohen. Fast schon Ambient-artige Zwischenstücke, garniert mit Loops, Samples und Bongo-Trommeln (!) wechseln sich mit infernalischem Gekeife und rohen, fast schon stumpf wirkenden Blast-Parts ab. Sehr schön. Gerade beim 'Frühling' lassen sich Stilelemente finden, welche selbst in Metalbereichen eher spärlich gesät sind. Und doch wird kein metallvernarrter Hörer meckern können, wird er dafür doch mit tollen Gitarrenmelodien, etlichen Tempo- und Stimmungswechseln und menschlichen Vocals in allen erdenklichen Ausprägungen belohnt.
Der 'Sommer' beginnt derart sphärisch und chillig, dass man sich als Hörer erst einmal wie im völlig falschen Film vorkommt - um dann von der Trauer im Doomtempo hinweg getragen zu werden. Dass dieser Zustand nur eine Momentaufnahme sein kann, wird bei dem unglaublichen Facettenreichtum auf "Nektar" sehr schnell deutlich - richtig, das Bolz-Gewitter naht schon zur Abkühlung.
Überhaupt ist man bei späteren Hördurchläufen weniger abgeschreckt von den teilweise sehr plötzlich eintretenden Stimmungswechseln, gerade die Vielschichtigkeit des 'Frühlings' oder die insgesamt recht hohe Dynamik beim 'Sommer' sind kleine rote Fädchen, welche zwar ziemlich tief in den einzelnen Kompositionen begraben liegen, beim Aufmerksamen Hören aber zu entdecken sind - den Vorwurf, hier einfach nur belanglos Sound-Collagen aneinander zu kleben, kann man NOCTE OBDUCTA auf keinen Fall machen. Hörarbeit erfordert der "Nektar" einfach, und das dürfte für Anhänger der Mainzer Band auch nichts Neues sein.
Stilistisch gesehen, hat die Band so ziemlich alle bekannten Bereiche abgedeckt und ihr eigenes Soundspektrum dabei noch um einiges erweitert. Lyrisch gesehen, dürfte es auch dieses Mal wieder absolut nichts zu meckern geben, leider liegen mir die Texte nicht vor - die gut verständlichen Passagen zeugen allerdings wieder von feinster deutscher Poesie aus Marcels Feder. Im Übrigen ist "Nektar" nicht als Konzeptalbum zu sehen, die Jahreszeiten-Thematik dient nur als lockere Verknüpfung der einzelnen Songs.
Was soll ich noch sagen? Ob der Komplexität und der meines Erachtens einfach überwältigenden musikalischen Darbietung gibt es eigentlich nicht mehr viele Worte zu verlieren. In die Trauer des 'Herbstes', die Melancholie des 'Winters' oder die Dynamik des 'Sommers' muss man sich letzten Endes selbst hineinhören. Und selbst mir fehlen manchmal die Worte ...
Zusammen mit dem richtig tollen Cover, der differenzierten, knallharten und ordentlich Drückenden Produktion kann ich "Nektar - Teil I" wirklich jedem stilistisch offenen Musikliebhaber ans Herz legen - es lohnt sich wirklich, hier auf Entdeckungsreise zu gehen. Und die Entdeckung, wie viel unter dem Banner "Black Metal" stecken kann, sollte jeder mindestens einmal gemacht haben.
Zusammen mit dem Rest der Fangemeinde verharrt meine Wenigkeit nun im Warten auf das Erscheinen von Teil II (Anfang 2005? Hoffentlich!) und versucht, den ersten Teil komplett aufzusaugen.
Anspieltipps: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Har Har!
- Redakteur:
- Rouven Dorn