NOCTE OBDUCTA - Sequenzen einer Wanderung
Mehr über Nocte Obducta
- Genre:
- Avantgarde Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Supreme Chaos/Soulfood
- Release:
- 05.12.2008
- Teil 1
- Teil 2
Das Abschiedsalbum der Mainzer Avantgarde-Blackies: Zwei Songs, jeweils über 20 Minuten lang. Neugierig?
Um eins vorwegzunehmen: Mit Black Metal hat das neue NOCTE OBDUCTA-Album nun endgültig nichts mehr zu tun. Zwei Jahre sind vergangen, seit sich die Mainzer Band, die schon immer zu neuen Ufern reiste, auflöste, weil ihr das Szene-Korsett zu eng wurde. Mit etwas Verspätung legt das Sextett nun sein Abschlusswerk vor, das vor allem jenen Begriff hochhält, unter dem NOCTE schon lange eingeordnet wurden, obwohl ihnen selber sogar jenes Korsett zu eng war: Avantgarde. Davon zollen bereits die äußeren Umstände, gerade mal zwei Songs enthält das Album - die sich aber jeweils über 20 Minuten Spielzeit erstrecken. Im Booklet wird das Ganze dann nochmal in Unterkapitel unterteilt, mit Minuten-Angaben und typischen Titeln wie "Über wind'ge Wiesen", "Wald / Route: Erde - Uranos" oder "Es bersten Brücken hinter mir". Den Metal-Anteil muss man mit der Lupe suchen, stattdessen hat man hier ganz schön an einem zunächst unüberschaubar wirkenden Soundgerüst zu knabbern.
"Teil 1" beginnt mit einer düsteren Gitarrenmelodie, die aber schon nach kurzer Zeit aufklart und mit den einsetzenden Rhythmusspielereien stark an die ruhigeren Passagen auf den beiden Vorgängeralben erinnert. Nach fünf Minuten verstummen die Instrumente, um Platz zu machen für eine sphärische Soundcollage aus elektronischen Klängen und einem Stimmengewirr. Die Band lässt Freunde spontan über Begriffe wie Abschied, Neubeginn oder eben Wanderung philosophieren. Ruhige, verträumte Gitarren, dann das Ganze schneller mit schrägen Effekten, wieder nachdenkliche, bisweilen aber auch lustige Sprechpassagen. Zitat gefällig? "Was mir spontan dazu einfällt ist 'Blasen'. Nicht das, was ihr jetzt denkt, sondern die an den Füßen." Nach 19 Minuten erklingen dann endlich Vocals, allerdings nicht von Sänger Torsten, sondern Bandkopf Marcel. Mal tief gesprochen, mal gesungen, nachdenklich, von Erinnerungen und einer Trennung handelnd. Zum Schluss wird man passenderweise Zeuge eines Telefonats, in dem wohl eine Beziehung beendet wird. Obendrauf zwar rockige, aber auch melancholische E-Gitarren.
Track Nummer zwei beginnt zwar ruhig, erweist sich aber insgesamt noch eher als Metal-Nummer. Schnelleres Schlagzeug, vergleichsweise dröhnende, aber auch progressive Gitarren. Eine kurze Pause, wieder klarer, tiefer Gesang, und erneut ein etwas schnellerer Rhythmus. Wieder Sprechpassagen, dann verzerrte Stimmen, die im Stil der Achtzigerjahre aber schon fast zu übertrieben klingen. Und nach fast 17 Minuten dann doch noch ein leichter Anflug von Black Metal: Die Gitarren beginnen richtig zu lärmen, und endlich hört man auch Sänger Torsten keifen. Nicht, ohne nach gerade mal vier Textzeilen schon wieder Klaviertönen Platz zu machen. Aber das letzte Wort haben dann doch die sägenden Streitäxte.
Was bleibt unterm Strich nach einer Flut von hereinstürzenden Eindrücken? "Sequenzen einer Wanderung" ist vielleicht genau das Album, mit dem man hätte rechnen müssen bei einer extrem experimentierfreudigen Band, der genau das oft zum Vorwurf gemacht wurde und die genau deshalb die Brocken hingeschmissen hat. Aber natürlich lassen es sich die Herren Marcel, Torsten und Co. nicht nehmen, selbst die kühnsten Erwartungen noch zu übertreffen. Wem der Ambiente-Faktor bei den Mainzern bisher zu hoch war, der sollte einen Bogen um diesen Silberling machen. Wer allerdings darauf steht, die Füße hochzulegen und sich einen ganzen Abend nur mit einem Album auseinanderzusetzen, für den könnte dieser Zweiteiler tatsächlich das richtige Seelenfutter sein.
Anspieltipps: Zählen auch Minutenangaben ...?
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Carsten Praeg