NOCTE OBDUCTA - Stille - Das nagende Schweigen
Mehr über Nocte Obducta
- Genre:
- Avantgarde Black Metal
- Label:
- Supreme Chaos Records
- Release:
- 01.07.2003
- Die Schwäne im Moor
- Töchter des Mondes
- Der Regen
- Tage, die welkten
- Vorbei
- Aschefrühling (Vinyl-Bonustrack)
Das Problem bei einer Platte, die man schon sicher in seiner Top 20 des Jahres verankert hat, ist, dass man bei einem Review eine schwierige Gratwanderung zwischen In-den-Himmel-loben und der Gefahr, der Klasse der Scheibe nicht gerecht zu werden, zu absolvieren hat.
So auch beim neuen Werk von NOCTE OBDUCTA der Fall: "Stille" ist meines Erachtens ein kleines Meisterwerk geworden, welches ich zu gerne nur in den höchsten Tönen loben möchte. Dennoch - zumindest den Versuch einer journalistisch-kritischen Analyse soll es geben:
Ehrlich gesagt hätte ich der Band ein solches Album nicht zugetraut, mit dieser Meinung stehe ich auch mit Sicherheit nicht alleine da. Zwar waren die Vorgänger, insbesondere "Galgendämmerung" bereits deutlich mehr als gutklassig und ließen das enorme Kreativitätspotential der Truppe durchscheinen, doch mit "Stille" hat man sich selbst übertroffen.
Grandiose, mitreißende Lyrik, welche NOCTE OBDUCTA endgültig in die Spitzengruppe der deutschsprachig singenden Bands katapultiert, musikalische Handwerkskunst der höchsten Güteklasse, eine sehr differenzierte, glasklare und ordentlich drückende Produktion sowie ein Songwriting, für das man das Quintett zu gleichen Teilen beglückwünscht und beneidet.
So weit, so gut - das sind auch Qualitäten, mit denen die Mainzer bereits auf den Vorgängeralben zu glänzen wussten.
Die Tatsache, dass "Stille" das mit Abstand ruhigste, nachdenklichste und melancholischste Album der Bandgeschichte geworden ist, macht aus der EP ein in vielen dunklen Farben schimmerndes Juwel.
Sehr offensichtlich sind dabei Einflüsse von OPETH in erster Linie, aber auch Trauerweiden-Combos wie MY DYING BRIDE scheinen Inspirations-Spuren hinterlassen zu haben. So gibt es mit 'Die Schwäne im Moor' und insbesondere dem tieftraurigen, durch ein aggressives Ende überraschenden 'Tage, die welkten' äußerst ruhige Stücke zu hören, die fast komplett auf BM-typische Vocals verzichten, dafür aber mit einer Gänsehaut erzeugenden Atmosphäre und sehr gut gelungenen Arrangements in Sachen Gitarrenarbeit zu überzeugen wissen.
'Der Regen' und 'Vorbei' schlagen hingegen einen deutlich harscheren Ton an, ohne dabei in unkontrollierte Raserei zu verfallen. Insbesondere bei den instrumental gehaltenen Zwischenparts fühlt man sich dann doch sehr oft an die Großmeister von OPETH erinnert, auch das Wechselspiel zwischen cleanem Gesang und markanten Schreien trägt zu dieser Assoziation bei.
Besonderen Respekt möchte ich NOCTE OBDUCTA dafür zollen, dass Songs wie 'Töchter des Mondes' oder ''Vorbei' trotz nicht unbedingt geradlinigem Songwriting doch sehr eingängig geraten sind und sich so ziemlich schnell in den Gehörgängen festfressen, das gleiche gilt für die wunderschönen Gitarrenmelodien und die oftmals sehr Flageolet-betonten Intros.
Mit "Stille" hätte kein passenderer Titel gewählt werden können - und nie war Stille so schön, so mitreißend, so aufwühlend und so intensiv.
Die hier kreierte Atmosphäre sucht ihresgleichen und trifft auf dieser Suche höchstens auf Genregrößen der melancholischen, vielschichtigen Musikkunst. Ganz große Klasse!
Anspieltipps: Töchter des Mondes, Der Regen, Vorbei
- Redakteur:
- Rouven Dorn