NUCLEUS TORN - Neon Light Eternal
Mehr über Nucleus Torn
- Genre:
- Atmospheric/Doom/Folk
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Prophecy Productions
- Release:
- 06.11.2015
- A Declaration Of Mistrust
- Nothing Between You And Death
- Street Lights Fail
Emotionale Abschiedsvorstellung einer einzigartigen Band.
Dieses vielseitige und spannende, aber leider weitgehend unbeachtete Projekt des Schweizers Fredy Schnyder ist mit vorliegender Veröffentlichung an seinem Ende angelangt. Seit 1997 verwirklicht sich Fredy Schnyder mit mehreren Mitmusikern im Rahmen dieses einzigartigen künstlerischen Oeuvres, infolgedessen zehn Alben das Licht der Welt erblickten. Dabei gleicht keine Scheibe der anderen, Herrn Schnyder war es stets ein Anliegen, die Musik von NUCLEUS TORN immer wieder neu zu erfinden. Einige Bögen spannen sich dennoch über das gesamte musikalische Schaffen und das sind neben der strikten Verweigerung, gängige Songstrukturen und leicht konsumierbare Refrains zu spielen, vor allem die dunkle, häufig melancholische Atmosphäre, die sich in zahlreiche Überlängesongs ergießt, sowie die Verwendung vieler verschiedener Instrumente, auch aus dem klassischen Bereich. Die songschreiberische Kunst, quasi dieser Vielfalt zum Trotz, mit sparsamer Instrumentierung aufzuwarten, die man durchaus als minimalistisch empfinden kann, und dennoch eine dichte und mitreißende Atmosphäre zu erzeugen, beherrscht der Mastermind hinter dieser Band wie kaum ein Zweiter.
Diese charakteristische Herangehensweise zeichnete nicht nur alle bisherigen Werke aus, sondern trifft auch auf das finale Album "Neon Light Eternal" zu. Bereits der 23-minütige "Opener" 'A Declaration Of Mistrust' gibt einen tiefen Einblick in den Klankkosmos von NUCLEUS TORN, und des Weiteren auch darin, welch grundlegend unkonventioneller Ansatz des Erschaffens von Musik hier vorherrschend ist. Sich manchmal schier endlos Zeit lassend und doch facettenreich kommt eine sehr ansprechende Mischung aus betörendem Frauengesang, monolitischen und zähen Klangwänden, verträumten Melodien und einer dunklen, nicht selten trostlos scheinenden Grundstimmung zur Geltung.
Ein Hervorheben der Unterschiede zu den Vorgängerwerken, z.B. der Trilogie aus "Nihil", "Knell" und "Andromeda Awaiting" oder dem direkt vorangegangen Album "Street Lights Fail" aus dem Jahre 2014 soll an dieser Stelle nicht zu breit ausgewalzt werden, da sich das Ganze vor allem auf den gemeinsamen Nenner bringen lässt, dass diese ungewöhnliche Musik Zeit zum Wachsen braucht und den Hörer fordert. Zudem sind die stilistischen Unterschiede auch nicht so riesig, dass es hier ein "böses Erwachen" für Diejenigen geben könnte, die bereits in den Klangkosmos NUCLEUS TORNs eingetaucht sind und sich haben mitreißen lassen. Obwohl solch räudiges Riffing wie beispielsweise auf "Knell" nun nicht mehr vorkommt und auch der männliche Gesang kein Bestandteil dieser Platte ist, sind Songaufbau, Instrumentierung und Atmosphäre unverkennbar dieser Band zuzuordnen. Generell gilt, wer dieser Art von Musik aufgeschlossen gegenüber steht, wird auf jeder Scheibe der Band viel Interessantes und Packendes entdecken. Und dabei eine emotionale Reise voller Schwelgereien als auch Widerhaken erleben.
Denn es ist ein Trip tief ins Innere und wer sich NUCLEUS TORN bloß im "Vorbeigehen" gönnt, könnte der Musik vorschnell eine gewisse "Langatmigkeit" attestieren. Diese löst sich allerdings beim genaueren Hinhören in Luft auf und weicht einer gewissen Faszination für das Gehörte auf "Neon Light Eternal" - diese bleibt allerdings zunächst seltsam vage, ohne sich in einer bestimmten Passage oder Melodie zu manifestieren. Es ist eher so, dass die Musik zunächst irgendwie "flüchtig", kaum fassbar wirkt - ich weiß gar nicht, wie viele Durchläufe ich gebracht habe, um den roten Faden zu erkennen und schließlich auch in den Händen zu behalten. Es mögen durchaus 15, 20 stets aufs Neue spannungsgeladene Klangreisen gewesen sein, bis sich ein einigermaßen klares Bild von "Neon Light Eternal" im Kopf zusammensetzte. Die etwas mehr als 40 Minuten Musik können sehr schnell vergehen, wenn sie so unnahbar und gleichzeitig so fesselnd dargebracht werden wie auf diesem Album. Macht ein besonderes Hörerlebnis und ist damit äußerst wertvoll in Zeiten des ständigen Wiederholens und Abspulens von festen Repertoires.
Empfehlung zum Schluss: Das gesamte musikalische Schaffen NUCLEUS TORNs inklusive dieses letzten Albums von Fredy Schnyders Bandprojekt ist in der Box "Blowing Up The Entire World (Explosions 1997-2015)" enthalten, die zeitgleich mit "Neon Light Eternal" im November des letzten Jahres erschien. Diese umfasst nicht nur alle veröffentlichten NUCLEUS TORN-Songs überhaupt als Neuaufnahmen sowie einige unreleaste Stücke, sondern auch ein 96 Seiten starkes Hardcover Artbook. Quasi die NUCLEUS TORN-Retrospektive im aktuellen Klanggewand.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer