NYTT LAND - Torem
Mehr über Nytt Land
- Genre:
- Dark Folk / Ethnic / Ritual Ambient
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Napalm Records
- Release:
- 06.10.2023
- Olenmet
- Nord
- Risu Raknar
- Johem Ar
- Manito
- Huginn Ok Muninn
- Rise Of Midgard
- Torem
- Iavel
Im Osten nichts Neues?
Das schamanische Dark-Folk-Projekt NYTT LAND aus Sibirien, das in 2013 von dem Ehepaar Anatoly und Natasha Pakhalenko gegründet wurde, wurde bereits von meinen Kollegen Björn Backes in seinem Review über "Odal" und Swen Reuter in seinem Festivalbericht zum Wave Gotik Treffen 2018 in Leipzig äußerst treffend umrissen. Zumindest entsprechen deren Beschreibungen meinen Erfahrungen, wobei ich mich zu den eher zugeneigten Zuhörern zählen mag, da mir der traditionelle ursprüngliche Ansatz sehr zusagt.
Seit dem vorgenannten Album aus 2018 sind noch zwei weitere Alben erschienen, auf welche ich hier verweisen möchte, da ich auch diese für empfehlenswert halte. "CVLT" wurde 2020 noch vom Projekt selbst veröffentlicht, doch "Ritual" aus 2021 erreichte dann schon über Napalm Records die Öffentlichkeit. Auch das mir nun vorliegende "Torem" wird von dem Label angeboten.
Ich geb zu, ich war etwas verunsichert, ob ich ein weiteres Album des Projekts in meiner Sammlung benötige. Ich befürchtete, dass das Album seinen beiden Vorgängern zu sehr ähneln könnte, was auf Dauer zu wenig Abwechslung bieten könnte. Andererseits hatte ich das Glück, NYTT LAND in den letzten Jahren hin und wieder live erlebt und dabei festgestellt zu haben, dass im Laufe der Zeit insbesondere die Sängerin Natasha Pakhalenko ihr Stimmvolumen enorm erweitert hat und zwar in mehrfacher Hinsicht - sowohl beim Klar-, als auch beim Kehlgesang. Aus diesen Gründen bewarb ich mich letztendlich um die Begutachtung des aktuellen, neunten Albums, um auch für mich selbst herauszufinden, ob und gegebenenfalls wie die Band sich fortentwickelt hat. Interessanterweise empfiehlt das Promosheet "Torem" für Fans von HEILUNG, WARDRUNA und RUNAHILD. Deshalb relevant, weil Letztere augenscheinlich den Auftritt von NYTT LAND beim Midgardsblot Festival 2022 in Borre sehr genossen hat, wie ich bezeugen konnte.
Ferner wird auf dem Beiblatt zum Album darauf hingewiesen, es sei "der Beginn einer neuen Trilogie der Band, die im kosmologischen Sinne von den drei Welten ihres Landes erzählt. Auf "Torem" bedient sich das Duo der alten Sprachen Khanty (Sibirischer Eingeborenenstamm) und Old Norse (Altisländisch). Übersetzt bedeutet der Albumtitel "Großer Himmel" – auf welchem die Vorfahren sitzen und in dem die Seelen von Menschen und Tieren in Form von Vögeln wiedergeboren werden. Dies ist auch der Ort, an dem eine Schlüsselfigur des Albums, ein Schamane, seine erste Reise unternimmt, um die Weisheit des Großen Geistes zu erlernen." Die neue Scheibe hat nun also neun Songs im Gepäck, die insgesamt in etwa 44 Minuten währen. Der Opener ist dabei mit knapp zwei Minuten am kürzesten, soll aber offenbar lediglich als eine ruhige Einführung ins Werk dienen. Zu beruhigenden Naturgeräuschen wie Vogelzwitschern und dem Knistern eines Feuers wird auf schlichte Weise eine Drum angeschlagen und männlicher Kehlgesang ertönt.
Das letzte Stück ist zwar fast doppelt so lang, beruht aber auf dem gleichen, besänftigenden Prinzip, das heißt, zu Feuerknistern und leichter Instrumentierung wie Stochschläge, Maultrommel sowie eine Flöte in der Ferne schleichen sich gegen Mitte Grillenzirpen, entferntes Gewittergrollen und kurz auch mal Vocals ein. Somit könnte man von einer Rahmenhandlung sprechen, denn so geruhsam man in das Album hingeleitet wird, so langsam und ruhig driftet man heraus. 'Nord', an zweiter Stelle verortet, ist meines Erachtens ein erstes Albumhighlight. Recht schnell landet man hierin im vollen dunkelambienten Sound von NYTT LAND. Natashas Gesang bildet natürlich weiterhin einen guten Gegenpol zum tiefen Kehlgesang von Anatoly. Gegen Ende werden beide mit der Flötenbegleitung zudem lockerer im Ausdruck. Thematisch wird auf den ewigen Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt Bezug genommen.
Der dritte und der siebte Song erinnern mich am meisten an den bisherigen Output des Duos, weshalb diese beiden Stücke bisherige NYTT LAND-Anhänger gut bei Stange halten dürften. In 'Risu Rankar' mag ich den kalmierenden Effekt des weiblichen Gesangs. 'Rise of Midgard' wiederum erzählt vom Riesen Ymir aus Midgard, der als höchste Schöpfung der Götter gelten soll. Diese Geschichte wird in urtypischer NYTT LAND-Manier zum Besten gegeben. Der vierte Titel wird in der ersten Hälfte noch als Volksweise dargeboten, so dass man schon ein rein akustisches Lied vermutet, doch kurz vor der Mitte wird man von in Layer gepackten Stimmen, Drums und weiterer Percussion überrascht, was bis zum Ende für Klangfülle sorgt. Für Dark-Ambient-Liebhaber wie mich zählt 'Manito' wohl ebenfalls zu den favorisierten Albumtracks, zumal es neben 'Nord' zu den Längsten gehört. Das es clever in der Mitte von "Torem" platziert wurde, beruhigt die Nerven zwischendurch auf angenehme Weise.
Das mysteriöse Flüstern der Sängerin wertet den Song stark auf. Später geht es dann in hintergründiges Schreien sowie scheinbar wortlosen Gesang über, was mich irgendwie sogar zumindest anteilig ein wenig an AGHAST erinnert. Die Überraschung ist gelungen - ich bin sehr angetan! Auch der nachfolgende Song 'Huginn Ok Muninn' ist sehr ansprechend gestaltet. Passend zum Namen wird man im Intro von Krächzen begrüßt. Trotzdessen das Ehepaar erneut Kehlgesang einsetzt, sind die Lyrics größtenteils gut verständlich. Darüber hinaus wird das Stück überwiegend von den Drums getragen. 'Torem' ist als Titeltrack gut geeignet, einerseits wegen der alternativ genutzten, schönen Stimme Natashas und andererseits aufgrund des entspannteren Einsatzes von Drums und Percussion. Demzufolge ist es in der ersten Hälfte massentauglicher, in der zweiten bekennt das Ehepaar jedoch Farbe mit Kehlgesang, wodurch diese wieder wilder und uriger wirkt, wobei das Ganze stellenweise hübsch von einer ätherischen Frauenstimme überflügelt wird.
Horcht am besten selbst mal rein, denn NYTT LAND ist hier ein vielfältiges Werk gelungen, das ausreichend Abwechslung bietet! Trotzdem bleibt das Duo seinen Traditionen treu. Für mich ist die Entscheidung für "Torem" klar, denn die Band hat sich weiterentwickelt. Das Klangbild erscheint stellenweise aufgelockerter, doch auch genügend Düsternis bleibt erhalten. Weiteres Plus sind die zuvor erwähnten Fortschritte im Gesang. Für Interessierte weise ich an dieser Stelle nochmals auf die anstehende Tour im Januar 2024 hin, an der auch HEIDEVOLK als Headliner und JONNE teilnehmen.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Susanne Schaarschmidt