OU - II: Frailty
Mehr über OU
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Inside Out Music
- Release:
- 26.04.2024
- Frailty
- Purge
- Ocean
- Redemption
- Capture And Elongate (Serenity)
- Spirit Broken
- YYDS
- Reborn
- Recall
Harte Arbeit für den Modern-Prog-Explorer.
Dass Devin Townsend sich selbst in den Produzentenstuhl gesetzt hat, um den zweiten Longplayer von OU abzumischem, ist schon Ritterschlag genug. Dass er sich auch noch dazu hat hinreißen lassen, in 'Purge' einen Gastauftritt hinzulegen, sollte die chinesischen Proggies jedoch final davon überzeugen, mit dem Stoff des neuen Albums auf dem richtigen Weg zu sein, auch wenn die Scheibe am Ende einen sehr sperrigen Weg vorgibt.
Mit 'schwer zugänglich' ist "II: Frailty" allerdings noch halbwegs wohlwollend beschrieben, da im ersten Durchgang gar nicht greifbar ist, wohin die eigenartige Reise der neun neuen Songs hingehen soll. OU schnappt in allen Nebensektoren der progressiven Musik einzelne Schnipsel auf, verarbeitet sie dann auf eine gelegentlich eher bizarre Art und Weise und schert sich von Beginn an kein bisschen darum, welchen Wert kleine Ankerpunkte für einen inhaltlich so komplexen Silberling haben könnten. Hinzu kommt, dass die dünne Gesangsstimme sicherlich nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte. Man ist aus dem asiatischen Raum ja eher daran gewöhnt, dass Female-Fronted-Bands gerade im Hinblick auf die Vocals eher Special Interest sind, doch gerade im Kontext dieses extrem komplexen Gesamtwerks kommt hier noch eine zusätzliche Komponente hinzu, die den letztendlichen Genuss von "II: Frailty" enorm erschwert.
Glücklicherweise öffnet die Platte ihre Pforten zunehmend weiter, es gibt sehr kurze melodische Parts, die anfangs ziemlich wilde Rhythmusarbeit nimmt kompaktere Formen an und auch in Sachen Gesang hat man sich schnell eingewöhnt, zumal die mehrstimmigen Teile im zweiten Abschnitt auch deutlich stärker sind als die etwas kindlich wirkende Darbietung zuvor. 'Spirit Broken' fungiert als endgültiger Dosenöffner, kann mit seinen verträumten Harmonien punkten, zeigt aber dann doch die ganze Spannbreite dieses Releases auf. Ist 'Purge' tatsächlich ein typischer Track für den hier beteiligten kanadischen Großmeister, erinnert 'Frailty' ein wenig an den abgedrehten Stoff von BABYMETAL und vermischen 'Ocean' und 'Redemption' NeoProg mit modernem Metal, findet OU in der Mitte des Albums den Weg zurück zur traditionellen Spielart des progressiven Melodic Rocks. Und hier ist der heiß ersehnte Anker dann auch endgültig ausgelegt.
Nichtsdestotrotz kennt die Experimentierfreude auch auf dem Weg zu Ziel kaum Grenzen; wilde Instrumentalabfahrten versprich die Drum-Show in 'YYDS', 'Reborn' ergibt sich erstaunlich minimalistisch und emotional und im abschließenden 'Recall' gibt es dann noch einmal ein sehr zurückhaltendes Spektakel mit einigen ungewohnt trippigen, dezenten Elektro-Sounds, in denen die Dramaturgie des gesamten Albums dann kulminiert.
"II: Frailty" ist ein echtes Wagnis, eine moderne Form des Art Rock mit einigen stilfremden Versatzstücken, aber eben auch ein großes Experiment, das trotz seiner sperrigen Eigenschaften sofort die Neugierde weckt. Dass die Platte aufgrund der signifikanten, eigenwilligen Stimme auch abschrecken wird, kann die Band als gesichert verbuchen. Doch der Blick über den Tellerrand, der für den zweiten Release der Chinesen zwingend notwendig ist, hat auf jeden Fall ausreichend lohnende Momente - speziell wenn man "II: Frailty" dann auch endgültig verstanden und erobert hat!
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Björn Backes