OBTEST - Is Kartos I Karta
Mehr über Obtest
- Genre:
- Heathen War Heavy Metal
- Label:
- Ledo Takas
- Release:
- 01.09.2005
- Paskutine Akimirka
- Devyniaragis
- Is Kartos I Karta
- Pergale
- Griausmavaldys
- Audronasa
- Burtai
- Pyrmin!
- Suminti Juodi Takai
Die baltische Metalszene boomt und liefert in den meisten Fällen qualitativ unglaublich hochwertige Produkte ab. Litauen macht da keine Ausnahme, was auch das dritte vollständige Album von OBTEST belegt. Das Cover und das Logo sehen zwar ein wenig danach aus, doch an die schwarzmetallischen Wurzeln der Band erinnert auf "Is Kartos I Karta" musikalisch außer der gelegentlichen Raserei der Gitarren eher wenig. Die Litauer bezeichnen ihren Stil selbst als heidnischen und kriegerischen Heavy Metal, was die Sache eigentlich auch ganz gut beschreibt, da eine gewisse stilistische Verwandtschaft zu diversen nordischen Viking-Metal-Bands nicht von der Hand zu weisen, das Grundgerüst der Musik aber eher im gradlinigen traditionellen Heavy Metal gelegen ist. Die Jungs von OBTEST verbinden diese Basis mit einem guten Maß an Härte und einer folkloristischen Note in der Melodieführung. Der durchweg in litauischer Sprache gehaltene Gesang ist zwar weitestgehend relativ rau, lässt sich aber weder mit schwarzmetallischem Keifen noch mit Growling in einen Topf werfen. Am ehesten können wir vielleicht von einer vornehmlich tiefen aber dennoch halbwegs melodischen Stimme sprechen, die in erster Linie Gemeinsamkeiten mit aggressivem klassischem Metal-Shouting hat, aber auch die Derbheit gemäßigterer Sänger der extremeren Metalgenres widerspiegelt. Die litauischen Texte, die im Booklet auch in englischer Übersetzung vorliegen, behandeln nach Titel und Bandinfo zu urteilen vor allem Themen des einheimischen Heidentums und des Widerstands gegen äußere und innere Feinde im Wandel der Zeiten, also an sich klassische Pagan-Metal-Themen. Da meiner Promo leider kein Booklet beiliegt, kann ich aber nicht beurteilen, wie gut jene umgesetzt sind.
Daher zurück zur Musik: Was die Band von vielen anderen folkloristisch angehauchten Pagan-Metallern abhebt, ist die Tatsache, dass sie komplett auf Folkinstrumente, Keyboards und allgegenwärtige Chöre verzichtet, sondern versucht, ihre Vision von heidnischer Epik einzig und allein mit der klassischen Metal-Instrumentierung umzusetzen, was meines Erachtens auch sehr gut gelingt. Ich jedenfalls vermisse auch in punkto Atmosphäre rein gar nichts und finde, dass das Unterfangen, eben diese "Heidenstimmung" erzeugen zu wollen, ohne dabei Sound und Arrangements zu überfrachten, sehr viel Respekt verdient hat. Auch bedeutet Heldenepik bei OBTEST nicht, dass in getragenem Tempo vorangeschritten werden muss und alle Nase lang ein schwülstiger Bombasteinschub angesagt ist. Die Band tritt fast durchwegs ordentlich aufs Gaspedal. Gerade der furios dahingaloppierende Opener 'Paskutiné Akimirka (The Last Blink)' ist im Gitarrenbereich Speed Metal pur. Auch das folgende 'Devyniaragis (The Nine Horned)' gibt sich dynamisch und flott mit recht prägnanter Bridge und ebensolchem Refrain sowie einem sehr schönen Solo. Richtig aufmerken lässt das Titelstück, in dem sich speedige Leadgitarrenpassagen, schwermetallisch stampfenden Verse und ein eingängiger Chorus die Hand reichen. Weitere Höhepunkte finden sich im sehr kraftvollen 'Griausmavaldys (Thunderlord)' und vor allem beim wahnwitzigen Speedster 'Audronasa (Stormbringer)', dessen Riffing zumindest streckenweise noch die schwarzmetallischen Wurzeln der Band aufzeigt. Das folgende 'Burtai (Spells)' ist keinen Deut schwächer und vielleicht sogar noch ein wenig schwärzer, während 'Pirmyn! (Forward!)' ein schönes marschierendes Epos mit Tiefgang abgibt, dessen folkloristische Melodien zwar dezent eingesetzt werden, aber doch irgendwie den Charakter und vor allem auch den sehr schönen Refrain des Stückes prägen. Das Finale in Gestalt von 'Suminti Juode Takai (Treaded Black Paths)' zitiert vor allem beim Gitarrensound und den hier gegen Ende dann doch noch auftauchenden Chören recht deutlich BATHORY, was ich wirklich uneingeschränkt als großes Kompliment meine, zumal OBTEST dabei noch immer recht eigenständig zu Werke gehen und das Stück mit seinen irrsinnig guten Leadmelodien ein weiteres Glanzlicht eines weitestgehend sehr gut gelungenen Albums darstellt.
Auch wenn die Litauer nicht unbedingt den Abwechslungsreichtum mit Löffeln gefressen haben und sowohl bei Struktur und Melodik als auch beim Gesang ein kleines bisschen mehr Vielseitigkeit nicht geschadet hätte, ist das Album doch so energisch und fesselnd, dass keine Langeweile aufkommen kann und man einfach Spaß an der Scheibe haben muss. Die neue OBTEST ist ein sehr überzeugendes Beispiel für baltische Qualitätsarbeit, das meiner Meinung nach das Potenzial haben sollte, einen breiten Querschnitt von Fans aus verschiedenen Genres anzusprechen, da man Berührpunkte zu solch unterschiedlichen Bands wie RUNNING WILD, BATHORY, ARIA, MITHOTYN oder ENSIFERUM ausmachen kann, ohne dass die litauische Truppe zu sehr nach einer der genannten Referenzen klänge. Die erwähnten kleinen Mängel im Bereich der Variabilität können daher den sehr positiven Gesamteindruck kein bisschen trüben.
Anspieltipps: Is Kartos I Karta, Griausmavaldys, Audronasa, Suminti Juode Takai
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle