OFFERING, THE - Seeing the Elephant
Mehr über Offering, The
- Genre:
- Modern Progressive Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Century Media / Sony
- Release:
- 04.11.2022
- W.A.S.P.
- Ghost Mother
- Tipless
- Rose Fire
- Seeing The Elephant
- My Heroine
- Flower Children
- Tiny Disappointments
- With Consent
- Esther Weeps
Ich habe es kommen sehen.
Anscheinend war ich vor drei Jahren noch nicht bereit für den THE OFFERING-Overkill, bekam ich doch bei "Home" partout keinen Zugang. Doch im Vorfeld dieser vorliegenden Veröffentlichung, das Debüt des Bostoner Quartetts nochmals ausgepackt, gingen die modernen, schwermetallischen Vibes, diese progressivere Mischung aus SLIPKNOT- und SYSTEM OF A DOWN-Momenten mit recht klassischem Heavy Metal doch etwas besser ins Gehör als einst. Die Songs sind nach wie vor zu verkopft, zu viel gewollt in lediglich acht Stücken, doch die Beziehung zwischen THE OFFERING und mir ist nun eine andere, etwas Empfänglichere. Und im Zuge einiger News über die Modern-Metaller aus Übersee, bekam ich zunächst kleckerweise einige Häppchen vorgesetzt, anstatt mich direkt mit dem Mammut eines kompletten Zweitwerks auseinandersetzen zu müssen.
Und hierbei darf das Wortspiel wörtlich genommen werden, rennt uns erstens der Dickhäuter doch im Eiltempo auf dem Artwork entgegen, sind zweitens die Songs auf "Seeing The Elephant" noch voluminöser und beinah schon majestätisch, andererseits – und hier liegt der Pudels Kern – kompakter, zielgerichteter und schlichtweg mehr on point. Anscheinend habe ich im Vorfeld dieser Besprechung alles richtig gemacht, indem ich dem Debüt nochmals eine Chance gab und ich mir zunächst die Rosinen rauspickte, und eben nicht den kompletten Modern-Metal-Kuchen auf einmal mampfte und im Nachgang über schreckliche Bauchschmerzen jammerte. Nein, THE OFFERING und ich näherten uns in den letzten Monaten vorsichtig an.
Die komplette Platte ist durch die Bank weg eine Energieleistung, die ihresgleichen sucht. Mal technisch auf allerhöchstem Niveau, mal schlichtweg hymnisch, mal schlagen uns die derben Faust-Momente reihenweise in die Magengegend, mal blitzen die melodischen Gegebenheiten wie Aha-Momente auf – und aufgrund der Vorarbeit schlägt uns der Grenzen überschreitende Elefant nicht seinen mächtigen Rüssel ins Gesicht und wir gehen k.o., sondern wehren uns, stellen uns mit wachen Augen und offenem Geist der "Seeing The Elephant"-Stampede aus und bemerken den erhobenen Zeigefinger der Truppe.
THE OFFERING setzt sich auf dem zweiten Album mit der US-amerikanischen Gesellschaft, ihrem Lebensstil und ihrer Zukunft auseinander und weiß dies nicht nur lautstark und wütend, sondern auch mit dem nötigen Abwechslungsreichtum geschickt in Ton zu formen. Einen Bärenanteil hieran hat vor allem Frontmann Alexander Richichi. Mal im Klargesang, mal in derbsten Death-Metal-Growls, mal in aggressiver US-Power-Metal-Manier, setzt er den Songs die Kirsche auf den Eisbecher. Und dieser wiederum reicht vom modernen Deathcore über klassischen Heavy Metal bis hin zum derbsten Todesblei und lässt dabei keine Nische aus.
Ihr seht, wenn man zu unvorbereitet an THE OFFERING herantritt, ist man nahezu verloren, auch wenn die Jungs ein ums andere Mal auch aktuell über das Ziel hinausschießen. Also testet den komplexen 'W.A.S.P.'-Opener an, um zu erahnen, in welche Richtung sich das Album trotz aller Breaks, Ecken und Kanten und Haken und Zacken bewegt. Und 'With Consent' hält sogar noch bockstarken Industrial Metal parat, mit 'Ghostmother' und 'Rosefire' besinnen sich die Jungs auf simplere Strukturen, von dem auch das melodische 'My Heroine' ein Liedchen singen kann. Das Album endet schließlich mit 'Esther Weeps' und einer Hymne, die auf den letzten Metern dem Elefanten einen eleganten Abgang verschafft.
Einige Passagen erschlagen mich nach wie vor und speziell zum Ende hin geht einigen Songs die gewisse Catchiness flöten. Trotzdem haben beide Parteien vieles richtig gemacht: Meine Vorbereitungen kennt ihr bereits und die THE OFFERING-Jungs haben es geschafft, die kraftvolle Frische und Unbekümmertheit des Debüts in etwas strukturiertere, nicht mehr allzu hanebüchene Gefilde zu lenken, sich auf das Wesentliche zu fokussieren, ohne dabei die Überraschungsmomente außen vor zu lassen und den nächsten Schritt zu machen. Viel zu früh habe ich in meinem einstigen Leichtsinn die Flinte ins Korn geworfen, doch nu weiß ich, wie ich neue THE OFFERING-Mucke zu nehmen habe und freunde mich langsam mit dem Elefanten an.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Marcel Rapp