OLIVA - Raise The Curtain
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2013
Mehr über Oliva
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 6.75
- Label:
- AFM (Soulfood)
- Release:
- 21.06.2013
- Raise The Curtain
- Soul Chaser
- Ten Years
- Father Time
- I Know
- Big Brother
- Armageddon
- Soldier
- Stalker
- The Witch
- Can't Get Away
- The Truth (Bonus Track)
Vorhang auf und Bühne frei für den Mountain King!
Drei Jahre nach dem letzten JON OLIVA'S PAIN-Album "Festival" kehrt der sympathische Fleischberg aus Übersee zurück, im Gepäck sein erstes Soloalbum "Raise The Curtain". Wer bei der Ankündigung eines Soloalbums bedächtig mehr als eine Augenbraue hebt, fragt sich (zurecht?), was sich denn gegenüber seinem Pain-Projekt verändert hat, hat man es doch bislang als sein eigentliches Solo-Ding betrachtet (und als legitimen Nachfolger zur Götterband SAVATAGE)? Die Antwort lautet: Mr. Oliva hat das Album nahezu in Gänze selbst eingespielt. Bis auf ein paar Drum-Tracks ist alles auf dem Album zu 100% eine Ein-Mann-Geschichte. Und so einen Kraftakt konnte man dem Kerl bei fortgeschrittenem Alter und einem mittlerweile wirklich beängstigenden Körperumfang nicht mehr zutrauen. Nach eigenen Angaben und Aussagen von engen Freunden hat ihn das Werk so ziemlich jedes bisschen Kraft gekostet, das er über die Jahre irgendwo angespart hatte. Und wenn er die komplette Macht über dieses Werk hatte, muss doch ein Geschenk des Himmels dabei herausgekommen sein. Oder?
"Raise The Curtain" unterscheidet sich nicht, wie man im Vorfeld lesen durfte, komplett von SAVATAGE, JON OLIVA'S PAIN oder dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. Vielmehr hat Oliva aus allen Einflüssen versucht, ein großes Ganzes zu formen. Dass dabei der Opener 'Raise The Curtain' als Intro ein paar Minuten zu lang geraten ist, kann man noch verschmerzen. Leider besticht das Album eher durch für den Mountain King beeindruckend belanglose Kompositionen und mindestens eine überflüssige Ballade. 'Ten Years' überzeugt etwa nur durch einen guten Refrain, die Strophen sind trotz des Einsatzes von Blasinstrumenten nichts Besonderes.
Kurioserweise überzeugt der erste Durchlauf noch einigermaßen, aber diese Begeisterung nimmt mit jedem weiteren Durchlauf ab, der Langzeithörspaß leidet durch einige Filler. Versteht mich nicht falsch, die besten Momente des Albums sind immer noch unglaublich geile, eingängige, teils abwechslungsreiche kleine Meisterwerke. Aber der Abstand von "großartig" zu "langweilig" ist so enorm, man fühlt sich fast wie auf einer Achterbahn, ein Wechselbad der Gefühle. Dabei scheint Oliva seinen Freund, das Keyboard, mittlerweile wirklich lieb gewonnen zu haben.
Nach zwei ganz netten, aber nicht überragenden Tracks fährt Oliva mit 'Father Time' das erste Highlight auf. Eine starke Gitarrenarbeit, viele kleine Soli, ein passender Rhythmus, das macht auch beim 50. Anlauf noch Spaß. Den Refrain begleitet außerdem ein Hauch von Epik und das Orgel-Solo passt hervorragend in die Komposition. Auch 'I Know', die erste Halbballade, beeindruckt durch eine absolute Gänsehautatmosphäre, dabei wechselt sie von gruseligen Strophen zu einer herzergreifenden Bridge samt berührendem Refrain. Der Song steht in bester 'Firefly'-Tradition und erinnert so gerne mal an das JON OLIVA'S PAIN-Album "Global Warning". Direkt im Anschluss folgt mit 'Big Brother' ein gutes Beispiel für einen unglücklichen Einsatz der Keys. Der flotte Rocker hätte mit deutlich weniger Keyboard- bzw. Orgelklängen wesentlich besser funktioniert, außerdem ist der Refrain ziemlich, nunja... "speziell". Ein gutklassiges Gitarrensolo rettet da auch nichts mehr. Das kann der Mountain King doch eigentlich viel besser! Er covert sich an vielen Stellen selber, 'Armageddon' ist über weite Strecken ein Klon des "Global Warning"-Krachers 'Stories', ohne dessen Dynamik und den Drive zu übernehmen. Mit ein wenig gutem Willen kann man den Song aber noch zu den Highlights zählen, ebenso wie das freche 'The Witch', das sich nicht lange mit viel Dramatik aufhält und gleich zum Punkt kommt. Von dem Kaliber hätte "Raise The Curtain" gut und gerne noch ein paar Stücke vertragen können.
Klanglich erinnern nicht nur die Gitarrenspuren sehr an JON OLIVA'S PAIN ('Soul Chaser' ist das beste Beispiel, der Song hätte locker auf "Festival" stehen können), auch die Drums und Keys erwecken nicht den Eindruck, originell oder anders zu sein (immerhin ist das hier sein Soloprojekt und nicht JON OLIVA'S PAIN). Die Abmischung ist insgesamt ordentlich gelungen, der Bass und so manche Rhythmusgitarre verschwinden aber auch gerne mal im Soundgebilde.
Als Fan vom Mountain King möchte man ihm die eine oder andere Unstimmigkeit verzeihen, aber wenn er sich selbst kopiert und nur ganz selten mit einer neuen Idee um die Ecke kommt, dann ist das einfach ärgerlich. Vieles wirkt uninspiriert oder unpassend. "Raise The Curtain" hat aber auch Glanzlichter ('Father Time', 'I Know' oder 'The Witch'), ein Totalausfall ist das Ding nicht geworden. Leider finden sich aber auf dem Album zu viele gewöhnliche, teils auch fragwürdige Kompositionen (was hat sich Oliva nur bei den Gesangslinien von 'Stalker' gedacht?).
Man darf die Scheibe nicht mit dem restlichen Schaffen des Mountain King vergleichen (obgleich man das eigentlich tun müsste, immerhin steht der Name Oliva für eine gewisse Qualität). Würde man das tun, käme man wohl zu dem Schluss, dass es das bislang schwächste Album seiner Karriere ist. Mir erschließt sich auch nicht ganz der Sinn dahinter. Mit JON OLIVA'S PAIN zaubert er mindestens gutklassige Alben, die zwar nicht an die Großtaten von SAVATAGE heranreichen, aber als Ersatzdroge und Nachfolger noch in Ordnung gehen. Warum ein Album aufnehmen, das ihn völlig verzehrt, ihn auslaugt und mit dessen Resultat man als Fan am Ende nicht zufrieden sein kann? Bitte, Jon, ein neues JON OLIVA'S PAIN-Album. Ganz schnell. Oder eine SAVATAGE-Reunion. Du weißt, wir wollen es!
- Note:
- 6.50
- Redakteur:
- Dennis Hogrefe