OPETH - Deliverance
Mehr über Opeth
- Genre:
- Progressive Death Metal
- Label:
- Music For Nations
- Release:
- 04.11.2002
- Wreath
- Deliverance
- A Fair Judgement
- For Absent Friends
- Master's Apprentices
- By The Pain I See In Others
So viel vorweg: Es ist ein hartes, schweres Stück Hörarbeit geworden, das neue, mittlerweile sechste OPETH-Album. Derart vertrackt und aggressiv haben sich die Schweden bisher auf keinem ihrer Alben präsentiert - was wieder einmal dafür spricht, dass jeder OPETH-Silberling ein Unikat ist - und das trifft zweifelsohne auch auf das neue Werk "Deliverance" zu.
Als das "heftige" Album eines zweiteiligen Projektes angekündigt (der "ruhige" Nachfolger "Damnnation" soll im Frühjahr 2003 erscheinen), durfte der OPETH-Neuling wie auch der eingefleischte Bandkenner mitunter erwarten, dass es musikalisch etwas gewalttätiger zur Sache geht, als man es im Normalfall - blödes Wort im Zusammenhang mit dieser Band - zugeht. Aber irgendwo dürfte ebenso klar gewesen sein, dass OPETH eben nicht jene wären, wenn es nicht wieder die bandtypischen Dynamik-Wechsel und -Spielereien gäbe, verträumte Akustikparts, cleane Gesangspassagen, ausufernde Jam-Einschübe oder leicht psychedelisch angehauchte Seventies-Parts.
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Opener "Wreath" rauscht dermaßen heftig aus den Boxen, wie man es seit "My Arms, Your Hearse" nicht mehr von den Ikealändern gehört hat. Respekt. Insbesondere das vertrackte Drumming von Martin Lopez sowie das banduntypische Riffing verdienen sich hier Höchstnoten. Apropos Drums: Weltklasse-Produzent Andy Sneap (u.A. NEVERMORE, MACHINE HEAD), der für Mix sowie Mastering zuständig war, hat "Deliverance" einen fetten Drumsound verpasst, der sich wahrlich gewaschen hat. Und das passt wunderbar ins Gesamtkonzept der Scheibe, da Lopez hier nicht nur die vertrackteste, sondern auch die technisch bisher beste Leistung an der Schießbude abliefert.
Auch saitentechnisch lassen sich einige Neuerungen vernehmen: Man hat das fiese, für OPETH-Verhältnisse fast schon simple Riffing (wieder)entdeckt - eine Tatsache, welche dem ohnehin recht hohen Aggressionspotential nur noch zugute kommt. Ganz nebenbei erweitert diese Art der Klampfenarbeit den eigentümlichen Sound der Truppe um eine weitere Facette. Nice.
Bandkopf Mikael Akerfeldt glänzt wie gehabt durch das wunderbare Wechselspiel von wütenden - ja, die Gesangsarbeit bei BLOODBATH scheint Wunder gewirkt zu haben, der Gute klingt auf "Deliverance" richtig rotzig, heftig und energiegeladen - Growls und märchenhaftem cleanem Gesang. Wobei hier noch angemerkt sein sollte, dass Mit-Produzent und Bandfreund Steven Wilson (PROCUPINE TREE) einen nicht unerheblichen Gesangs-Anteil (nebst Mellotron-Begleitung bei "By The Pain I See In Others") beisteuert.
Rein songtechnisch gesehen gibt es - mit Ausnahme des kurzen, träumerischen Instrumentals "For Absent Friends" - wie auf dem Zweitling "Morningrise" ausschließlich Stücke über der magischen Zehn-Minuten-Marke. Spricht auch dafür, dass "Deliverance" alles andere als leichte Musiker-Kost geworden ist.
Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, wie aggressiv zu Beginn der Kompositionen zu Werke gegangen wird, denn ruhige Zwischenparts finden sich, wie zu erwarten, bei allen Songs. Hier sei insbesondere der wunderschöne Mittelteil von "A Fair Judgement", welches ein wenig an den Opus "Black Rose Immortal" erinnert, hervorgehoben. Der richtig krasse Wechsel von trügerischer Ruhe hin zu purer Raserei beim Riffmonster "Master's Apprentices" oder die verzerrten Vocals bei "By The Pain I See In Others" in Verbindung mit Dynamik-Achterbahnfahrten sind auf jeden Fall lobenswerte Neuerungen.
Im Vergleich zu anderen OPETH-Scheiben - insofern dieser überhaupt sinnig ist - fällt auf, dass man teils noch ruhiger und andächtiger zu Werke geht als es auf "Still Life" der Fall war, auf der anderen Seite übertrifft man allerdings auch, wie bereits erwähnt, die bisherige härtetechnische Höchstmarke ("Wreath", "Master's Apprentices"). Summa summarum ergibt das ein wirklich schönes Gleichgewicht bei der Gesamtbetrachtung der Scheibe, da, ganz egal, ob heftig oder ruhig, auch zumeist die Harmonie groß geschrieben wird - vereinzelte Dissonanzen der Marke "Blackwater Park" scheinen zunächst einmal der Vergangenheit anzugehören.
Interessanter Fakt noch für Takt-Mitzähler: So viele rhythmische Spielereien wie auf "Deliverance" gab es aus dem Hause OPETH noch nie zu bestaunen - man führe sich beispielsweise das recht lange Instrumental-Outro-Riff vom Titelsong zu Gemüte, welches, jedes Mal um Nuancen variiert, recht oft wiederholt wird - Klasse!
Als Fazit läßt sich sagen, dass OPETH mit "Deliverance" einen weiteren Meilenstein in ihrer ohnehin unbeschreiblich hochwertigen Discographie vorlegen, der nicht nur auf ein Neues beweist, dass ein jedes Album der Schweden absolut eigenständig ist, sondern vielleicht auch eine der besten musikalischen Verbindungen zwischen den Siebzigern und dem metallischen einundzwanzigsten Jahrhundert darstellt.
Kurz und bündig: Erneut grandios.
Anspieltipps: Wreath, A Fair Judgement, Master's Apprentices
- Redakteur:
- Rouven Dorn