OPHIDIAN - The Awakening
Mehr über Ophidian
- Genre:
- Progressive Metal
- Label:
- Vacuum / Eigenvertrieb
- Breathe
- New Shores
- Weak
- Wrong Time, Wrong Place
- Failed
- A Change Of Direction
- Freedom Denied
- Agony
- ...?
- Who Am I
- Not Yet Found
Unser Nachbarland Luxemburg galt bislang nicht gerade als Metalhochburg, doch vor kurzem durfte ich bereits CLANROCK besprechen und nun liegt mir mit "The Awakening" das Debütalbum einer Band aus Wormeldange vor. Der Spruch "im Westen nichts Neues" könnte also alsbald ausgedient haben. OPHIDIAN spielen modernen, schwer stilistisch zu umgrenzenden Metal, der seine Haupteinflüsse aus sämtlichen traditionellen Metalspielarten zieht, sich aber auch neuen Ideen nicht verschließt. So finden sich speedige, melodische Gitarren, getragene und epische Elemente sowie ein gehöriges Maß an technischem Thrash. Daneben noch ein paar sehr dezente Gothic-Einflüsse und eine zeitgemäße Produktion, deren Gitarrensound in besonderem Maße an NEVERMORE erinnert. Darüber thront die wirklich sehr gute Stimme von Caroline Clement, die ebenfalls ein sehr weites Spektrum an Stilen abdeckt. Sie singt fast immer klar, mal melancholisch, aber meist kraftvoll und intensiv, schreckt aber auch vor sehr sparsam eingesetzten Growls nicht zurück.
Ein langsam lauter werdendes, sphärisches, pulsierendes Keyboardintro erzeugt die richtige Stimmung für den folgenden Trip durch die Tiefen eines metallischen Universums, das vor Vielseitigkeit und Abwechslungsreichtum nur so strotzt. Urplötzlich bricht der Opener 'New Shores' mit einem apokalyptischem Stakkato los, nur um im ersten Vers den Raum der kraftvollen Stimme von Sängerin Caroline Clement zu überlassen, die hier an Achtziger-Sirenen vom Kaliber Ann Boleyn (HELLION) erinnert. Im nächsten Teil wieder alles zermalmende Riffs von druckvollen, zeitgemäß produzierten Gitarren. NEVERMORE schießt einem als musikalische Referenz durch den Kopf. Ja, auch der folgende Titel 'Weak' bestätigt diese Assoziation: Heftige, alles zermalmende, mitunter extrem vertrackte Riffs, die eine undurchdringliche Soundwand bilden, begleiten den hier sehr aggressiven Gesang, der im starken Refrain gar von ein paar sehr guten Growls unterstützt wird, die ebenfalls der Kehle von Caroline entstammen. Um jedoch etwaige Befürchtungen zu zerstreuen: Caroline ist keine Growlerin; es überwiegen eindeutig die klar gesungenen Passagen und klassisches Metal-Screaming. Nur bei zwei Songs werden Growls eingesetzt, und an den entsprechenden Stellen passen sie auch wie die Faust aufs Auge.
Doch weiter im Text: Beim melancholischen 'Wrong Time, Wrong Place' nehmen die Luxemburger erstmals das Tempo ein wenig raus, und zunächst auch die Aggression. Das Stück wechselt zwischen ruhigen Passagen, in denen Caroline zu akustischer Instrumentierung mit Konzertgitarre und Cello beweisen kann, wie gefühlvoll sie singen kann, und dramatischeren Abschnitten, in denen zunächst getragenes Riffing gediegene Heaviness in den Sound einbringt, um schließlich in intensivem Shredding auszuklingen. 'Failed?' legt dann wieder schon entsprechend hektisch und verschachtelt los, wobei Drummer Max Sauber hier einige bizarre Sachen vom Stapel lässt. Nach der Hälfte der Spielzeit leitet ein schönes Break in den epischen Refrainteil über, in dem auch das Gitarrensolo positive Akzente setzt. Bei 'A Change Of Direction' begibt sich die Band durch das Akustikgitarrenspiel und das rhythmische Tribaldrumming gar in leicht folkige Gefilde, wobei Carolines Gesang hier von auffälligen Chorarrangements getragen wird. Danach kommt 'Freedom Denied' wieder derart heavy und vertrackt rüber, dass es durchaus auf einem der neueren Werke von NEVERMORE eine gute Figur abgäbe. Die abgedrehten, aggressiven Riffs kulminieren wie auch die größten Hits der Seattle-Avantgardisten in einem epischen Refrain mit einer Hookline der Extraklasse.
Mit 'Agony' folgt der längste Song des Albums, der für mich auch das absolute Highlight auf "The Awakening" darstellt. Ein ruhiges, melancholisches Intro mit Klavier und Cello wird von sphärisch-elegischem Gesang begleitet. Dann legen die Stromgitarren mit einem doomigen Grundriff und einer schön darüber gelegten Leadmelodie los, um dem eigentlichen Hauptteil des Stückes den Weg zu bereiten, der mit komplexer Rhythmik und etlichen Breaks ein wenig verwirrend ist, aber einen völlig genialen Growl-Part birgt, den auch eine Sabina Classen nicht besser hinbekommen hätte. Nach einem kurzen akustischen Zwischenspiel mit zwischen flüsternd und kraftvoll wechselndem Gesang, gibt es mit 'Who Am I' einen weiteren großartigen Song, der heftig loslegt, aber auch ein paar melodische Breaks und einen Part mit sehr zerbrechlich gehauchten Vocals einbringt. Zum Schluss bereitet die Ballade 'Not Yet Found' einem tollen Debütalbum ein würdiges, aber beschauliches Finale.
Man sieht, OPHIDIAN lassen sich nicht in eine Schublade zwängen, sollten aufgrund der vielfältigen musikalischen Ansätze, die sie zu einer sehr frisch klingenden, anspruchsvollen Einheit verbinden, aber jedem Fan progressiver und auch auf technischer Ebene ansprechend umgesetzter Heaviness sehr wohl zusagen.
Anspieltipps: Agony, Who Am I, Freedom Denied
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle