OZRIC TENTACLES - Paper Monkeys
Mehr über Ozric Tentacles
- Genre:
- Psychedelic Trance / Trip Rock / Progressive
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Madfish Records / KScope
- Release:
- 07.10.2011
- Attack Of The Vapours
- Lemon Kush
- Flying Machines
- Knurl
- Lost In The Sky
- Paper Monkeys
- Plowm
- Will Of The Wisps
- Air City
scheuklappenlos durch inner & outer space
Die neue OZRIC TENTACLES-Scheibe erschließt sich rockaffinen Hörern nicht unmittelbar. Rhythmisch enggestrickte Klangteppiche entrollen sich tranceartig, die Stücke wimmeln bisweilen vor minimalen Versatzstücken, man wähnt sich beim Hören des Openers 'Attack Of The Vapours' im Jungle, selbst wenn der auf "Paper Monkeys" wie von den Ozrics gewohnt in einer eher chilligen Klimazone liegt. Wer hingegen früh durch elektronische Musik (mit)sozialisiert wurde, dürfte sich darin schneller zurechtfinden als meinereiner. Allerdings wirken die Stücke durch diese Einflüsse auch quirlig und frisch. 'Lemon Kush' wartet nicht nur mit zahlreichen Detailvariationen eigens eingespielter, hypnotischer Tonschleifen auf, die sich aus rhythmischen Grundmustern zu einem unterschwellig melodischen Endlosband formen, sondern arbeitet dabei zudem mit einer gleitenden Lautleisedynamik, die ihresgleichen sucht und das verspielt progressive Stück quicklebendig hält. Spacig wird es im kühlen 'Flying Machines', welches die Möglichkeiten der Stereotechnik ausreizt, um eine besondere Klangtiefe zu erzeugen, in der sich die Dimensionen von Psychedelic Rock und Psytrance nicht einfach überlagern sondern einander durchdringen. Gerade dieses Stück wandelt stetig seinen Charakter wie ein Chamäleon die Farbe.
Hippiesker, mit lässigem Groovebass unter zahlreich flötenden Triolen, Xylophonklängen und asiatisch anmutenden Zupfereien, umflirrt, umströmt und umschwebt 'Knurl' die geneigte Hörerschaft, um sich nach gut vier Minuten in eine pink floydige Bridge zu ergießen, bevor das Stück schließlich sanft verebbt. Wirklich die Führung übernehmen darf die E-Gitarre jedoch erst in 'Lost In The Sky', einem Stück, das '70er-Jahre-Psychedelik mit '80er-Jahre-Spieltechnik, '90er-Jahre-Trance-Rhythmik und dem Remix-/Soundclash-Wagemut der '00er-Jahre zu einem eigentümlichen und möglicherweise wegweisenden Sound für das neue Jahrzehnt verschmilzt: Zwischen Chilloutlethargie und santanaeskem Seelenbrand, zwischen ravender Massenpsychose und satrianischem Technikautismus einen goldenen Mittelweg zu finden, unterschiedliche Einflüsse zu verarbeiten, ohne ihre Wurzeln zu kappen, dabei auch noch etwas flüssiges, organisch und überzeugend, ja fast schon zeitlos wirkendes zu kreieren, statt mit einer solchen Melange im anachronistischen Beliebigkeitssumpf zu versacken, dazu bedarf es eklektisch geschulter Meisterhände; und damit stellen die OZRIC TENTACLES ihre künstlerische Intuition und ihr handwerkliches Können eindrucksvoll unter Beweis.
Nicht ganz so elegant, dafür aber verblüffend mitreißend zieht die Band dann im gejammt wirkenden Titeltrack 'Paper Monkeys' die Schraube in puncto Dynamik (Tempo und Lautstärke) gehörig an. Die schnittige Leadgitarre und eine tighte Rhythmusgruppe erzeugen beim Zuhören das Gefühl, dicht über einer schier endlosen, planen Fläche aus abstrakten Landschaften schwebend, rasant dahinzusausen, während zahlreiche Effekte dieses Gleiten zu einer außerordentlich spaceigen Erfahrung werden lassen. A propos Space: Kreuzt man eine DiscoFunk/JazzRock/Electro-Fusion im Stile von HERBIE HANCOCKs Pionieralbum "Future Shock" in psychedelischen Spacerock ein, so entsteht entweder ein unhörbarer Soundbrei oder aber ein progressives Meisterwerk wie 'Plowm'. Nach dem eher tranceigen Einstieg ins Album sowie einigen gitarrenlastigeren, bisweilen ans Überalbum "Pungent Effulgent" erinnernden Stücken wird es nun jedoch Zeit, etwas ruhigere Töne anzuschlagen.
'Will Of The Wisps' klingt deutlich luftiger und lockerer, wenn auch nicht ganz so offen wie einige der extrem chilligen "Erpland"-Tracks. Doch die OZRIC TENTACLES haben es nicht verlernt, ambiente Urwaldsounds, psychedelisches Flirren und meditative Grundstimmungen zu einem trippigen Gesamtpaket zu schnüren, das einen beim Hören gut unterhält und gleichzeitig jedes konkret wahrnehmbare Gefühl für Zeit und Raum verlieren lässt und durch einen rein abstrakten Flow ersetzt; perfekt zum Gamen, Autofahren, Sichtreibenlassen. Zart angespieltes Schlagwerk, Akustikgitarre und Bass geleiten die Hörer schließlich sanft säuselnd durch 'Air City' aus dem Album hinaus.
Kurzum:
"Paper Monkeys" bietet eine gute Stunde lang rhythmisch-melodische Instrumental-Entrückung in gewohnt genrescheuklappenfreier OZRIC TENTACLES-Tradition. Wieder einmal gibt es auf einem aktuellen Album der Psychedeliker viel zu entdecken, und abermals lohnt es sich dabei, den Werken mehrere konzentrierte und geduldige Durchgänge zuteil werden zu lassen, um ihre Tiefe nach und nach auszuloten.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Eike Schmitz