PALMER - This One Goes To Eleven
Mehr über Palmer
- Genre:
- Artcore
- Label:
- Czar Of Crickets
- Shedding Skin
- Who Am I
- Bury The Bones
- Bitter Sweet Revenge
- Temptation
- Deception
- Time Past By
- Souls Divided
- Eleven
Bereits seit dem Jahr 2000 turnen die vier Schweizer Burschen im Langenthaler Umland herum und haben bisher eine EP veröffentlicht. Das war im Jahr 2004. Seither hat man sich den Popo blutig gespielt und bereits im Vorprogramm von CALIBAN oder HARMFUL überzeugen können. An der Reglern wird das Quartett von Szene-Urgestein V.O. Pulver (ex-POLTERGEIST, jetzt GURD) unterstützt. Ein gutes Omen oder doch eher Namedropping?
Schon die Auflistung der Bands, mit denen man sich die Bühne geteilt hat sowie die Thanks-Liste lassen mich mein lichtes Haupthaar kratzen, denn mir dünkt, dass PALMER abseits meiner sonstigen musikalischen Vorlieben agieren könnten. Lediglich mit MASTODON kann ich grundsätzlich etwas anfangen, aber die Seebären schunkeln ja auch weitab von allen erdenklichen Stilistiken und bilden ja beinahe selbst schon eine solche.
Anyway, genug gelabert und ran an den Feind: "This One Goes To 11" eingelegt und sofort geplättet gewesen. Und zwar nicht von der Genialität der Komposition, sondern vom zermürbenden Klangbild. Das Ganze klingt sehr staubig und düster. Ich habe das Gefühl, in einem musikalischen Treibsand zu versinken. Kein angenehmes Gefühl. Ausgehend von einer sehr schlürfenden Rhythmik setzen PALMER auf Lavasounds und brechen nur selten in schnellere Tempi aus. Schade, denn genau dann gefallen sie mir.
Bleiben wir aber beim Opener 'Shedding Skin', der sehr schön mein Grundproblem mit dieser Musik erfasst: Da PALMER diese Nummer an den Anfang ihres Werkes gesetzt haben, halten sie diese für repräsentativ und hitverdächtig. Nun denn. Abwechselnd werden in dieser Komposition akustische Gitarren mit brachialem, verzerrtem Klampfensound eingesetzt. Der erhoffte Spannungsbogen wird dabei aber nur minimal angezogen und schlabbert spätestens beim Einsatz des Gesanges am unteren Ende meines Interesse-Zentrums herum. Nichts gegen aggressiven Lungenausbrüche, aber dies hier ist bestenfalls nach dem Inhalieren einiger "Fishermen's Friends" genießbar. Erst ganz am Ende schimmert der Anflug eines Riffs durch den nebeligen Saitenmorast.
Kennt ihr das Gefühl, wenn man langsame Musik hört, sich aber beständig wünscht, dass es endlich schneller werden soll? Das kann einen ganz schön hibbelig machen. Und genau diesen Effekt erzielen PALMER mit ihren verschleppten ("Wo laufen sie denn? Ja, wo laufen sie denn hin?") Rhythmen. Das ist Doom ohne Pathos und Epik. Und es gefällt mir nicht.
Erst bei 'Bury The Bones' knacken eine paar Knochen unter saftigen Arschtritt-Riffs. So macht das Sinn für mich. Und auf einmal singt der Mann mit Mikro sogar verständlich. Geht also auch. In diesem Track funktioniert für meinen Geschmack auch das Wechselspiel zwischen ruhigen und aggressiven Momenten sehr gut: Es entsteht Spannung, die sich auf den Hörer entlädt. Unwillkürlich dreht man fäusteschwingend seine Runden im häuslichen Wohnzimmer. Ähnlich verhält es sich dann leider nur noch beim rasanten Wutklumpen 'Temptation', welcher mit einer wirklich enormen Durchschlagskraft offenbar Zementblöcke in irgendwelche Konzerthallen rammen möchte. Hier funktionieren die abgestoppten Off-Beats sehr schön. Und obendrein belegt 'Temptation', dass mich bei schnellerem Tempo auch der grenzwertige Gesang nicht mehr so arg stört. Nicht, dass ich ihn jetzt toll finden würde ...
Das absolute Highlight hört allerdings auf den Titel 'Deception': Ein treibender Slow-Motion-Rhythmus, unterlegt von kraftvollen Riffs. Hier passt auch die pulsierende Bassunterlage, die mir an anderen Stellen mächtig an den Nerven zerrt. Obendrein verfügt dieser Track über eine Art Refrain, den ich als konventioneller Heavy-Metal-Koppschüttler natürlich sofort als Bonus herausfiltere. Cordhosenträger mit Trainingsjacken werden angewidert den frisch geföhnten Seitenscheitel hinters rechte Ohr legen und sich erstmal einen Energy-Drink genehmigen. Ich fröhne meinem Bier und genieße dieses Songkonstrukt.
Damit hätten wir also drei gute bis sehr gute Nummern und sechs furztrockene Raketenwürmer ohne Soße. Die lassen sich halt schwer verdauen. Vor allem, wenn sie, wie im Fall von 'Souls Divided' mal eben zehn Minuten Länge aufweisen. Und zehn Minuten können lang sein. Besonders dann, wenn beinahe nichts passiert außer dem immerwährenden Wechselspiel von Brachialgerümpel und feingliedrigem Gezirpse. Ach, sorry, diese Mal werden gesprochene Passagen eingeflochten und die sphärische Passage klingt auch sehr angenehm. Allerdings ist sie mir viel zu lang.
Der Sinn und Zweck des Abschlussexperimentes 'Eleven' will sich mir nicht erzwingen. Kunst? Hm, vielleicht. Wahrscheinlich sogar, aber für so etwas sind Metalfans natürlich zu dumm. Für mich ist das nichts weiter als das extrem nervige Geräusch eines überspannten Drahtes.
Anspieltipps: Bury The Bones; Temptation; Deception
- Redakteur:
- Holger Andrae