PANTERA - Far Beyond Driven
Mehr über Pantera
- Genre:
- Neo Thrash
- Label:
- Eastwest
- Strength Beyond Strength
- Becoming
- 5 Minutes Alone
- I'm Broken
- Good Friends And A Bottle Of Pills
- Hard Lines, Sunken Cheeks
- Slaughtered
- 25 Years
- Shedding Skin
- Use My Third Arm
- Throes Of Rejection
- Planet Caravan
Langsam bewege ich mich zu meinem kleinen Tonkästchen, welches mir in den letzten Monaten ein sehr enger Freund, wenn nicht Lebensgefährte, geworden ist. Da, wo einige Menschen von Verwahrlosung und zunehmender Vereinsamung reden, genau dort fängt meine Passion an. Die Verbindung zwischen mir und einer anderen Welt liegt in meiner Hand. Behutsam stecke ich das Klinkenkabel in mein Baby (Odin, das Brett) und lasse dabei äußerste Vorsicht walten, denn ich möchte den einzigen Sinn, den mein Leben noch bietet, nicht verletzen. Kabel in die Kiste, so ... Mitten raus ... Treble auf 100% ... während ich versuche, den Gain-Schalter zur 12 auf einer Skala bis 10 zu bewegen, merke ich, dass mir noch etwas fehlt. Jaha, mein Lieblingsplektrum mit den spielenden Katzen in der Hand, setze ich an. Ein Anschlag ... BAWOOM ... Krach brettert aus den Lautsprecherboxen, ruft den Nachbarn sanft in Erinnerung, dass ich seit drei Monaten eine E-Gitarre mein Eigen nennen kann. Es hat funktioniert, ich habe es geschafft. DAS ist der brachiale Dimebag-Sound, der mir nicht mehr aus der Rübe verschwinden will. Auf meiner neben mir liegenden Checkliste für das PANTERA-Programm hake ich den Punkt "Klang" mit einem leisen Anflug von Übermut ab. Was noch auf der Liste steht: perfektes Timing, Arsch-Tightness, geniale Sololäufe, böser Blick und das bunte Kinnbärtchen. Kurz erinnere ich mich an "Far Beyond Driven", schalte den Overdrivekanal aus und entscheide mich stattdessen für 'Nothing Else Matters'.
PANTERA sind, wie wir alle wahrscheinlich nach deren "Opus" "Cowboys from Hell" wissen, zum einen eine kultisch verehrte Band und zum anderen Philip Anselmo (voc), Darrell "Dimebag" Abbott (g), Rex Brown (b) plus Vinnie Paul Abbott (dr). Die Gruppe selbst existiert bereits seit den frühen Achtzigern und hat sich in der SPANDEX-bewehrten Zeit besonders durch Fönfrisuren und Alben wie "Metal Magic" (mit 'nem fiesen Beelzebub auf'm Cover) und "Power Metal" hervorgetan. Zu Recht taucht dieses vielleicht etwas lakonische Kapitel in der offiziellen Diskographie auf pantera.com nicht auf, wird einfach übersehen und hat somit nie existiert (ist ja auch nicht böse genug). Als 1988 die letztgenannte Scheibe erschien, war auch der heute aus PANTERA nicht mehr wegzudenkende Phil Anselmo mit am Ruder und von nun an sollte alles besser werden. Blühende Landschaften des ungezwungenen Krach-Bumm standen vor der Tür, nur darauf wartend, die Welt zu erobern. Der Nachfolger "Cowboys from Hell" öffnet das Türchen und heraus purzeln geläuterte harte Jungs. Das Ergebnis lässt sich sehen und ist durchaus mit METALLICA zu ihren besten Zeiten zu vergleichen, wobei PANTERA hier auch keine schmierige Kopie, sondern ein Unikum darstellen. Allerdings zeigt der eingeschlagene Weg bereits, wo es zukünftig hingehen sollte. "Vulgar Display of Power" knüpft auch genau dort an und ist wieder ein wenig thrashiger, und genau hier sieht man, was die Entwicklung PANTERAs bis "Far Beyond Driven" auszeichnet: Eine Bewegung hin zur Kracherband. Alles Nachfolgende ist eher Geschmackssache, jedoch ist die Songwriting-Fähigkeit nicht unbedingt auf dem hohen Niveau des vorliegenden Albums geblieben.
Der Rest ist Musikgeschichte und hat sich in Millionen von CD-Ständern rund um den Globus festgebissen. Und auch "Far Beyond Driven" weiß von Anfang an zu überzeugen. Der erste Eindruck (Ay, Caramba!) weicht im Laufe der 56 Minuten Spielzeit gescheitem Takte-Zählen, zünftigen Zuckbewegungen des Schädels und der Erkenntnis, dass PANTERA eine der am dichtesten (sowohl das eine als auch das andere) spielenden Bands sind, die mir seit Stephane Grappelli und Django Reinhardt an die Ohren gekommen ist. Die fette Produktion nietet jeden um, der das Gegenteil zu behaupten wagt, weshalb auch ich hier nur löbliche Worte für die treibenden Bässe und die harte Rhythmusgitarre ableiste. Vinnie Paul haut auf die Felle, dass die Bude brennt ('Strength Beyond Strength', 'Use My Third Arm'), zeigt sich aber nebenbei auch als ziemlich geschmackvoll spielender Drummer ('I'm Broken', 'Becoming'). Ergänzt wird die Rhythmusstärke der Band durch Rex Browns drückenden, nach vorn preschenden Basssound und natürlich (wie könnte ich ihn vergessen) Dimebag Darrell mit seinem ultrapräzisen Timing. Der texanische Gitarrenkuhjunge gibt auf diesem herausragenden Album nicht nur seine Rifffähigkeiten mit knackiger Frische (Härte) zum Besten, sondern gibt sich auch als überirdisch versierter Leadklampfer zu erkennen, was Tracks wie 'I'm broken' als auch 'Shedding Skin' eindrucksvoll beweisen. Anselmo brüllt sich die Seele aus dem Leib, dass es eine wahre Freude ist.
Insgesamt ist das Songwriting als äußerst gelungen zu bewerten. Dass hier keine Ich-hab-dich-lieb-du-hast-mich-lieb-lass-uns-heiraten-und-Kinder-kriegen-Songs zu erwarten sind, war auch dem Gehirnalbernsten unter euch sicher im Vornherein klar (ein kurzer Blick in die D&D-Fraktion verschafft Klarheit). Abwechslungsreich gestaltet sich jeder Titel des Albums zwar sehr rifflastig, jedoch immer wiedererkennbar. Das Zusammenspiel ist, wie oben bereits beschrieben, wirklich überragend, selbst, was Anselmos Gesangsparts angeht ('25 Years'). Dementsprechend geht es auch sehr eng und kompakt zu, was zu einer interessanten Klangfülle führt. Wenn ihr euch das vorstellen wollt, nichts einfacher als das: Ihr stellt euch über euren Schreib-/Ess-/Couchtisch, tut so, als sähet ihr ihn nicht und bückt euch nach einem imaginären 100-€-Schein. Kurzum: bretthart. Als letzter Track wartet mit der BLACK SABBATH-Coverversion 'Planet Caravan' eine nette Überraschung auf und der gute Phil kann hier seine Knabenchorerfahrungen (Erfindung d. Verfassers) anständig zum Ausdruck bringen.
Gut, kommen wir zum Inhalt (ja, muss auch mal sein!). Wer die obige Genrebezeichnung "NeoThrash" in Verbindung mit "Far Beyond Driven" gesehen hat, wird sicher von der Annahme geleitet werden, dass die textliche Beschäftigung mit Themen, welche außerhalb der Kategorien "Was zum Saufen", "Was zum Rauchen" oder "Dinge, welche man sonst noch auf langen, einsamen Tourneen so braucht" liegen, die Musiker allesamt zum Wahnsinn treiben. Doch auch hier wissen Pantera zu überraschen. Am hervorstechendsten ist vielleicht die etwas rüde Sprache (Erinnerung "NeoTHRASH"), dem Inhalt tut das keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Selten wurde mit so vielen Fäkalausdrücken und Beschimpfungen die Leistungsgesellschaft seziert und in Beschuss genommen, sähe man mal großzügig vom Rap/Hiphop-Genre ab (es gibt nur eines, was uns verbindet: MUTHAFUGGA!). Ich schlage (wie immer) vor: Booklet, CD, anschauen. Und mit ein bisschen Beschäftigung könnt auch ihr die wunderbare Welt der Musikinterpretation für euch erschließen. Ganz kostenlos, ganz einfach und ohne Gamepad.
Schlussausende: "Far Beyond Driven" wird nicht zu Unrecht als Klassiker der härteren Schule angesehen, weiß es doch, Innovation, technische Höchstleistung, satte Produktion und das gehörige Quentchen "Etwas" auf eine Art und Weise zu verbinden, welche sich jeder Otorhinolaryngologe für die Ohrendurchspülung wünschen würde (die hören aber immer Jazz). Und wenn ihr danach immer noch nicht genug habt, dann geht lieber in's warme Kuschelbettchen, denn: noch besser ist ungesund.
Anspieltipps: Strength Beyond Strength, Becoming, I'm Broken, Slaughtered, Use My Third Arm, Planet Caravan
- Redakteur:
- Lasse Rosenberger