PANZERFAUST - The Suns Of Perdition - Chapter III: The Astral Drain
Auch im Soundcheck: Soundcheck 07/2022
Mehr über Panzerfaust
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Eisenwald
- Release:
- 22.07.2022
- Death-Drive Projections
- The Fear Interlude
- The Hive And The Hole
- The Pain Interlude
- Bonfire Of The Insanities
- The Fury Interlude
- The Far Bank At The River Styx
- Enantiodromia Interlude
- Tabula Rasa
Moderner, atmosphärischer Black Metal unbarmherzig hart und doch melodisch und prägnant serviert.
Die kanadische Black-Metal-Schmiede PANZERFAUST legt ein ganz schönes Tempo vor und präsentiert uns dieser Tage ihr bereits sechstes Studioalbum und damit den dritten Akt ihrer mit dem Wechsel zu Eisenwald begonnenen Viererreihe "The Suns of Perdition", namentlich "Chapter III: The Astral Drain". Hierbei bleibt das Quartett seiner mit den Vorgängerwerken markierten Linie weitestgehend treu und zelebriert eine gute Dreiviertelstunde lang wuchtigen, intensiven, anspruchsvoll strukturierten Black Metal, dessen Grundkonzeption ich eher dem modernen Ansatz der 2010er-Jahre zuordnen würde, als klassischeren Black-Metal-Spielarten, obschon die Band nicht ernsthaft mit den Genrekonventionen bricht. Dennoch kann die Band eine gewisse Nähe zu postrockigen Interpretationen der Spielart nicht ganz verleugnen. Bereits im ausladenden zehnminütigen Opener 'Death-Drive Projections' begegnen wir industriellen Samples, sich über sie ausbreitenden sphärischen Klanglandschaften, die von wuchtigen, meist getragenen Drumbeats durchschossen werden, ehe sie über flirrende Gitarrenriffs und durchaus präsente Basslines weiter getragen werden. Das knurrende, finstere, aber zu jeder Zeit fein artikulierte Gesangsorgan von Frontmann Goliath tut ein Übriges, um die hierdurch erzeugte Beklemmung zu verstärken.
Auch wenn ich in den an- und wieder abschwellenden Riffwänden, den atmosphärischen Keyboards und der ausladenden Klangmalerei durchaus deutliche Parallelen zum modernen, vom Post Rock beeinflussten Black Metal des dritten Jahrtausends sehe, und der punkige, rock'n'rollige Spirit der schwarzmetallischen Achtziger und Neuziger bei PANZERFAUST völlig fehlt, ist es dennoch nicht nur geographisch ein sehr weiter Weg vom naturmystischen, entrückten Stil etwa zahlreicher Kaskadierbands bis zu der Truppe aus Ontario. PANZERFAUST ist trotz der atmosphärischen Elemente viel direkter, aggressiver, erdrückender. Auch die vier kurzen Interludien lassen den Hörer kaum durchatmeten, sondern sie verstärken durch disharmonische bis dissonante Elemente noch dessen Anspannung, und wenn am Ende von 'The Fear' ein bis zum Anschlag verzerrter Bass gleich dräuenden Glockenschlägen zur Geisterstunde zum nächsten Anschlag namens 'B22: The Hive And The Hole' lädt, dann ist es exakt das, was die sich aufbauende Stimmung transportiert: Furcht!
Danach begegnen uns zwei Stimmen, die schwarzmetallische, die uns schon zuvor begegnet ist, jedoch auch eine stärker dem Growlen verschriebene, die mich hier und da ein wenig an den späten Jan-Chris de Koeijer erinnert. Den Vergleich mag sicherlich manch Fan der PANZERFAUST verwerfen wollen, der seine Band so gar nicht mit GOREFEST assoziieren mag, aber er sei versichert: Das war als Kompliment gemeint und bezog sich allein auf die Backing Vocals. Ansonsten zeigt der zweite reguläre Song die Band deutlich flotter, schneidender, angriffslustiger. Vergleiche zu DEATHSPELL OMEGA, 1914 oder FUNERAL MIST sind hier nicht von der Hand zu weisen.
Es geht weiter mit einem Interludium, welches sich dieses Mal dem Schmerz widmet und diesen durch Schreie zu verkörpern trachtet, die durch Stürme und Regen schneiden, bevor uns ein ein intensives, gezupftes Intro von Bass und Gitarren in 'Bonfire Of The Insanities' entführt, das eine ansatzweise mit späteren MAYHEM-Werken wie 'Esoteric Warfare' oder 'Daemon' zu erschaffen trachtet, wenngleich mit stärkerem Keyboard-Einsatz. Ein ständig präsenter gurgelnder Kehlkopfton im Hintergrund lässt einen fast darauf warten, dass demnächst Attila seine Stimme erhebt. Doch ein Twist der Melodieführung in Richtung frühe SÓLSTAFIR lässt das Stück hiervon ein wenig abrücken und kanalisiert es in melodischere, strukturiertere Bahnen, ohne es in seiner Durchschlagskraft zu schwächen. Hier lugen etwa SATYRICON-Memente zu Zeiten der "Volcano" oder auch MGŁA als mögliche Einflüsse hervor.
Das Zorn-Zwischenspiel bereitet uns sodann auf 'The Far Bank At The River Styx' vor, und ja, sowohl am Intro als auch am Song selbst kann man durchaus den schwefeligen Odem stygischer Gefilde wahrnehmen. Für PANZERFAUST-Verhältnisse ist der Einstieg erst einmal recht rockig, womit ich so nicht gerechnet habe, aber nach einer knappen Minute bricht das Inferno los und wir stürzen in eine Knochenmühle aus scheidenden Riffs und schwer verzerrtem, alles zerschrotendem Bass. Einem Irrlicht gleich führen uns jedoch die Stimme Goliaths und eine hintergründig fesselnde Leadgitarrenmelodie ans jenseitige Ufer und durch den Song, zu einem guten oder zu einem bösen Ende.
Mit dem letzten, und mit sechs Minuten Spielzeit auch sehr langem Interludium scheinen wir dieses Ufer unter den anbrandenden Wellen des Styx erreicht zu haben, und eine mit viel Reverb versehene Gitarre zupft eine einschmeichelnde Melodie, die in der Brandung widerhallt, bevor das Stück perkussiv, tribal-lastig wird. Brächte ich an dieser Stelle einen SEPULTURA-Vergleich, würden mich wohl einige schelten, also lasse ich es lieber, aber man darf es sich so vorstellen, als gelange man jenseits des Unterweltflusses in ein unwirtliches Land mit marternden Gebräuchen feindseliger Ureinwohner. Man mag für einen Moment über die ethymologischen Parallelen zwischen dem karibischen Tanz Limbo und der katholischen Vorhölle Limbus nachdenken, aber diese Gedanken dann unter dem Eindruck des Abschlusses der Scheibe rasch wieder verwerfen. "Tabula Rasa" greift die rhythmische und melodische Motivik des Interludiums sehr gekonnt auf, addiert erst eine einsame Leadgitarre, zieht dann die Rhythmik ordentlich an und verfällt in einen militärischeren Groove, bevor sich der Song nach gut anderthalb Minuten in marternden aber auch gefangen nehmenden Schwarzdoom verwandelt.
Ihr seht, PANZERFAUST bietet auf sehr hohem musikalischem und produktionstechnischem Niveau eine ziemliche Bandbreite an schwarzmetallischen Stimmungen und Einflüssen, die jedoch durch und durch vor allem von brachialer, unbarmherziger Härte einerseits, und von klanglich perfekt in Szene gesetzter, dunkler, erdrückender Atmosphäre andererseits geprägt sind. Unterm Strich ist PANZERFAUST auf Album Nr. 6 vor allem ein perfekt ineinander verzahntes System aus Riffkunst, Klangmalerie und gesanglicher Eindringlichkeit. Wer modernen, atmosphärischen Black Metal unbarmherzig hart und doch melodisch und prägnant serviert bekommen möchte, der darf hier bedenkenlos zuschlagen.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle