PARADISE LOST - One Second
Mehr über Paradise Lost
- Genre:
- Gothic Metal
- Label:
- Music For Nations
- Release:
- 26.08.1997
- One Second
- Say Just Words
- Lydia
- Mercy
- Soul Courageous
- Another Day
- The Sufferer
- This Cold Life
- Blood Of Another
- Disappear
- Sane
- Take Me Down
- I Despair
Die Band PARADISE LOST aus Halifax, England, machte im Laufe ihrer Bandhistorie eine Entwicklung von Gothic, bzw. melodischen Death Metal hin zu Wave und Pop durch.
Nach dem unbeachteten Erstschlag "Lost Paradise" 1990, dem genialen "Gothic" 1991, dem noch genialeren "Shades Of God" 1992, dem Überalbum "Icon" 1993 und dem keineswegs schlechten "Draconian Times" 1995, fand die Band mit der Verwendung von Orchesterpassagen, tiefen und fetten Gitarren und Frauen-Backings ihren ureigenen Sound. Damals schon war jedoch abzusehen, dass sich die Vorliebe der einzelnen Musiker für elektronische Spielereien und DEPECHE MODE-artige Mucke durchsetzen und die metallische Ausrichtung verwässern wird. Diesen heftigen Schnitt vollzogen Paradise Lost mit der Veröffentlichung ihres sechsten Albums "One Second" 1997. Dieser Output verstörte Fans und Kritiker gleichermaßen. Dünne Gitarren, Samples en Masse und tonnenweise Synthies waren schwer verdaulich für die harten Anhänger.
Der, zugegebenermaßen sehr geile Opener 'One Second', setzt sich sofort im Ohr fest. Mit ihrem durchgängigen Pianothema und den schönen Gesangslinien von Nick Holmes ist die Nummer bereits das Highlight des Albums.
'Say Just Words' ist klasse Rockmusik mit Düstereinschlag und Wiedererkennungswert. 'Lydia' geht als pompöser Dark Metal durch. Macht summa sumarum drei gute Nummern, die man so stehen lassen kann. Im Anschluss musste ich aber beim ersten Hördurchlauf bereits kräftig schlucken.
'Mercy' hat mit Metal so viel zu tun wie Heino mit Musik im Allgemeinen. Klebriger Pop, mit grauenvollen Synthies untermalt. Ok, ich will ja objektiv bleiben. Fans von Mucke alla DEPECHE MODE werden hiermit sicherlich angesprochen. 'Soul Courageous' treibt, lässt aber auch die so geliebten PARADISE LOST-Trademarks schmerzlich vermissen. Das Material rockt halt, nicht mehr und nicht weniger.
Das modern getrimmte 'Another Day' entfernt sich sogar noch weiter von den Roots, klimpern da sogar DEF LEPPARD-Ukulelen im Hintergrund. Man hofft und bangt als Metaller und Fan vergangener PARADISE LOST-Zeiten, dass das Leiden endlich ein Ende hat und sich die Band besinnt. Schließlich liegen ja noch ein paar Tracks und Chancen vor uns. Und... nö!
Auch 'The Sufferer' blubbert behäbig, mit gertenschlank produzierten Pseudo-Schraddelklampfen einen Millimeter über dem Einheitsbrei. Und dann...
...aber hallo? Ich hätte fast sämtliche Hoffnung aufgegeben, als mich 'This Cold Life' aus meiner suizidalen Lethargie reißt. Mit dieser Nummer hat sich ein echter Hit auf das Album verirrt, der zwar auch null zu PARADISE LOST passt, aber immense Ohrwurmqualitäten offenbart. Klasse mit Einschränkung!
Wie das immer so ist, folgt auf ein Hoch meistens ein Tief. Nun, ganz so schlecht ist 'Blood Of Another' nicht. Aber auch hier geht der Band total die musikalische Identität und Kreativität verloren. Belangloser Drei-Akkorde-Rock, bei dem einem beim Zuhören die Sonne aus dem Arsch scheint. Und das ist bei einer Finster-Band nicht gerade ein Kompliment. Aber...
...schon wieder überrascht die Band, folgt doch mit 'Disappear' endlich der erste, eindeutig als PARADISE LOST identifizierbare Track. Diese Nummer ist wirklich stark, düster, mächtig und erhaben. So und nicht anders, werden uns die seligen, alten PARADISE LOST in Erinnerung bleiben.
'Sane' berührt mich wieder so viel, wie es die Pop-Single-Charts allwöchentlich tun: Null komma nix! 'Take Me Down' bringt auch den letzten Enthusiasten runter und wuchert wieder mit diesen klebrigen Breitwand-Synthies, für die zumindest ich gar nichts übrig hab. Zu schlechter Letzt klingt auch 'I Despair' exakt genauso wie der Rest des Albums auch. Bis auf wenige Ausnahmen, monoton, beliebig austauschbar und belanglos.
Ihr Leut, ihr Leut. War ich seinerzeit geschockt. Nicht die kontinuierliche Entwicklung hin zu der in dieser Form vorgetragenen Musik ist zu bedauern, sondern die uninspirierte und dauerlutscherzähe Umsetzung. Schon einige bekannte Acts haben im Laufe ihres Werdegangs ihren Stil mit Bravour komplett verändert. Man hat auch schon Pferde kotzen sehen.
Der mit "One Second" eingeschlagene Weg ist aber öde und karg und last but not least, auch nicht mit Erfolg gekrönt. Alte Fans wendeten sich ab und neue kamen nicht hinzu. Und so versucht die Band heuer wieder an Aggressivität zuzulegen, um vergrätzte Fans zurückzugewinnen. Ob es gelingt?
Anspieltipps: One Second, Say Just Words, This Cold Life, Disappear
- Redakteur:
- Alex Straka