PARKWAY DRIVE - Reverence
Mehr über Parkway Drive
- Genre:
- Metal
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Epitaph Records
- Release:
- 04.05.2018
- Wishing Wells
- Prey
- Absolute Power
- Cemetery Bloom
- The Void
- I Hope You Rot
- Shadow Boxing
- In Blood
- Chronos
- The Colour Of Leaving
Hardrock statt Hardcore? Und das war's jetzt?
Diese Rezension stellt den wohl zum Scheitern verurteilten Versuch dar, den um eine der besten Death-/Metalcore-Bands des 21. Jahrhunderts trauernden Fan in mir zu unterdrücken, um objektiv heranzugehen an "Reverence", das siebte PARKWAY DRIVE-Album, mit dem die Australier ihre Wurzeln fast vollständig und wohl endgültig zu Grabe tragen. Erinnern wir uns: Nihilistische Rasereien in grauen Vorzeiten bei "Killing With A Smile", weltklassetechnisches Todesbleigewüte auf "Horizons", die ersten Gangshouts in 'Home Is For The Heartless', aufkeimende Progressivität mit "Atlas", der krasse Umbruch mit den vieldiskutierten Hardrock-Riffs auf "Ire" – und nun "Reverence". In Byron Bay hat man im Laufe der Jahre offenkundig die Lust an ungestümen Highspeed-Metzeleien verloren und zugleich gemerkt, dass man in der ohnehin hohen Publikumsgunst noch weiter aufzusteigen vermag, je mehr die ursprüngliche ungebändigte Aggressivität zurückgefahren und der bandeigene Sound um eingängige Elemente erweitert wird. Diese Entwicklung gipfelt nun in einem kreativen Radikalausbruch.
Natürlich gibt es keinen Grund, den fünf sympathischen Jungs ihren Erfolg madig zu machen. Den haben sie sich über Jahre hinweg hart erarbeitet, mit kompromisslosem, innovativem Songwriting und endlosen Tourneen rund um den Planeten. 2018 ist aber zur Enttäuschung aller Die-Hard-Fans ein für alle Mal Schluss mit Gaspedal und Todesblei. Winston McCall darf zwar auch auf "Reverence" immer wieder sein phänomenales Schreiorgan ölen, doch sein Repertoire wird zu gleichen Teilen um den bereits bekannten Flüstersprechgesang, aggressiven Rap und sogar klare Gesangslinien erweitert! Natürlich macht er seine Sache auch auf diesen neuen Betätigungsfeldern gut, garniert seinen Gesang mit vibrierend-verzweifelten Schwankungen, die den trauernden, verbitterten Grundton von "Reverence" unterstreichen, und spielt außerdem immer wieder die großen Headliner-Gesten aus (ganz maestroesk beispielsweise bei 'Prey'). Die fünf Aussies reduzieren Komplexität und Tempo auf ihrem siebten Streich massiv, setzen außerdem umfangreich Streicher und gelegentlich sogar Chöre zur Dramatisierung ein. Unterm Strich entsteht so ein Album, das abwechslungsreicher, experimentierfreudiger, zunächst sogar spannender als seine Vorgänger erscheint – unterm Strich aber auch recht ziellos daherkommt.
Der tiefdunkle, markant-brutale Auftakt 'Wishing Wells' wirkt mit seiner zügellosen Wut wie ein letzter Nachhall der Jahre bis "Atlas" und auf dem 2018er Werk beinahe deplatziert, da unmittelbar im Anschluss 'Prey' schon den von vielen Langzeitfans verhassten Hardrock-Hammer schwingt, inklusive Ohrwurmrefrain erster Güte. Mit 'Absolute Power' lehnt sich die Truppe an RAGE AGAINST THE MACHINE an – was nicht verkehrt ist, war die Coverversion von 'Bulls On Parade' (gemeinsam mit jener von 'The Weapon They Fear') doch das Stärkste was man von der einstigen Metalcore-Referenz in den vergangenen Jahren gehört hat. 'Cemetery Bloom' im Anschluss ist eine Art dark-metallische Grabeshymne, während 'The Void' wieder den Stadionfaktor bemüht. 'I Hope You Rot' ist ein seltsamer Zwitter zwischen dem Bemühen, das Energielevel vergangener Jahre wieder heraufzubeschwören und zugleich konsensfähig zu klingen – heraus kommt ein Power-Metal-Song (!) mit Core-Anleihen. Eine orchestral unterlegte Nu-Metal-Nummer namens 'Shadow Boxing', Piratenmetal bei 'In Blood', ein düster-melodischer Sechsminüter ('Chronos') und ein todtrauriger Gesangsmonolog zum Abschluss - durch diese gewaltige Bandbreite an Einflüssen und musikalischen Duftnoten wird "Reverence" zu einem Album der Atmosphäre, lässt Anhaltspunkte hinsichtlich einer klaren Standortbestimmung jedoch vermissen. Klar, die ungestümen Metalcore-Jahre werden hier nachhaltig ad acta gelegt, doch trotz der verstärkten Mainstream-Ausrichtung befindet sich PARKWAY DRIVE 2018 in einem unklaren Schwebezustand, greift unbekümmert und trotzig in alle Richtungen, ohne so recht zu wissen, was mit der neu gewonnenen Freiheit anzufangen ist.
2018 wird folglich in erster Linie deutlich, wofür PARKWAY DRIVE nicht (mehr) steht. Somit ist "Reverence" ein hochinteressantes Album für neutrale Kritiker, die sich mit der geradezu revolutionären Veränderung einer einst als unangepassten Brutalo-Modern-Death-Formation gestarteten Kapelle beschäftigen. Es ist eine düstere, oftmals eingängige Spielwiese für Freunde modernerer Metalklänge zwischen Death, Hardcore und simplem Heavy Rock - und könnte gutturalen Gesang, raffiniert getarnt, tatsächlich radiotauglich machen. Und es ist ein Grund zum Haare raufen für jeden Fan der ersten PARKWAY DRIVE-Epoche, mit seinen teuflisch-massenkompatiblen Ohrwurmrefrains, seiner ernüchternd simplen Rhythmik, Winstons weiterhin unverkennbarer, aber seltener genutzten Schreiröhre, der ergreifenden, glaubwürdigen Trauerarbeit und dem immer schwerer nachvollziehbaren musikalischen Kurs unserer einstigen Helden.
Anspieltipps: Wishing Wells, Absolute Power
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Timon Krause