PATENBRIGADE: WOLFF - Baustoff [Popmusik für Rohrleger]
Mehr über Patenbrigade: Wolff
- Genre:
- Wave / Ambient / Electropop
- ∅-Note:
- 4.00
- Label:
- Zweieck Recordings/Soulfood
- Release:
- 04.12.2009
- Aufbau
- Das Kraftfeld (feat. André Hartung)
- IM: Benecke
- Fehler 404 (feat. Stefan Leukert)
- Unfall mit Folgen
- My Mountain (feat. Nadine Stelzer)
- Luftzerlegungsanlage LZA
- Never Neverland (feat. André Hartung)
- Arbeit an der Oberleitung
- Sun After The Rain (feat. Julia Beyer)
- Dreh mir die Zeit zurück (feat. Antje Schulz)
- Anklage: Blitzschlag
- Voyage (feat. Antje Dieckmann)
- Erstickt im Freien
- Popmusik für Rohrleger
- Betondecke
- Abrissbude (feat. Alexander Pitzinger)
- Die Walze
- Abbau
Bauschutt für Gehörschutzträger <br />
Die unter dem Titel "Baustoff [Popmusik für Rohrleger]" angekündigte Ladung Wave, mit der die PATENBRIGADE: WOLFF auf ihrem (zählt man das über weite Strecken mit Rohstoffwiederverwertung ausgelastete Werk "Demokratischer Sektor" hinzu) sechsten Studioalbum anrückt, ist leider einschläfernd harmlos, uninspirierend und banal geraten. Wäre ich Rohrleger, würde ich das als Beleidigung auffassen. Die Stücke klingen durchweg wie aus irgendwelchem Material aus alten Klangarchiven von vor 25 bis 15 Jahren uninspiriert zusammengeschraubt: NDW-mäßig 'Das Kraftfeld' mit André Hartung von SERO OVERDOSE, housig 'Fehler 404' mit Stefan Leukert von DECADES, dessen angenehme Stimme in diesem kraftlosen KRAFTWERK-Klonfehler mit zahnlosen WOLFSHEIM-Einflüssen gnadenlos in den unpassenden Hintergrund gemischt wurde, tranceig chillend in 'My Mountain' mit Nadine Stelzer (früher bei IN STRICT CONFIDENCE), die dem seichten Stück immerhin noch etwas unschuldigen '80er-Jahre-Pop-Flair verleiht und ihre süßliche Stimme in den besseren Momenten ein wenig an NICO anlehnt.
'Never Neverland' erscheint mir am ehesen geeignet für Leute, denen selbst der Elektropop von SCHILLER noch zu progressiv ist. Das tut als Aufzug- oder "Wir verbinden sie gleich"-Musik nicht weh, ist aber letztlich egal und entsprechend schnell mit dem nächsten Zwischenspiel schon wieder vergessen. Selbiges liefert dann entspannten Instrumentaldreampop bzw. reinen Ambient, der eher für die lauwarme Farblichtsauna einer Provinzwellnessoase geeignet ist als zur Veröffentlichung auf einem nicht explizit der F-Musik zugeordneten Album.
Kommen wir zum Highlight der Scheibe, wobei man freilich auch hier das Spielchen "Woher kennt man die hier geborgte Klangästhetik im Original?" fortsetzen kann. Der Rückbezug auf MASSIVE ATTACK zu "Blue Lines"-Zeiten macht 'Sun After The Rain' zu mehr als bloß einem weiteren Wave-Soundteppich. Auch sagt mir Julia Beyer (von TECHNOIR und MESH) von allen Gastvokalisten auf "Baustoff" noch am ehesten zu.
Darauf folgt der jähe Absturz in Schlagergefilde auf Chilloutbeat mit Sphärengewaber aus dem Esoterikshop; soweit, so egal; doch ganz im Vertrauen: Dem doofen Säuselgesang nach "Reim dich oder ich fress dich"-Schema, den Antje Schulz von IN STRICT CONFIDENCE dazu serviert, hätte man wohl auf jeder Grundschulbühne zurecht bereits im Vorfeld den Stecker gezogen. Nach dem Lyrikunglück von 'Dreh mir die Zeit zurück' traumwandelt dann LESEROTIQUEs Stimmmäuschen Antje Dieckmann über den flauschigweich nachfedernden Electropopbeat von 'Voyage', der ersten Single des Albums, hinweg, als ginge es sie gar nichts an, sich damit zum Aushängeschild eines ziemlich austauschbaren Albums zu machen. Die 'Popmusik für Rohrleger' hat weder Witz noch Charme, ist bestenfalls unauffällig genug, um nicht zu stören, und wirft mit all ihrer Zahmheit im Nachhinein kein gutes Licht auf die Ära der New Wave, in der elektronisches Soundbasteln in musikalischer Nachbarschaft hierzu aber immerhin noch ein einigermaßen aufregendes Experiment sein konnte. Hier ist dies nicht der Fall.
Die davon, vom Intro & Outro sowie von der 'Arbeit an der Oberleitung' abgesehen samt und sonders von Forensiker Dr. Mark Benecke mit Berichten von Arbeitsunfällen zugetexteten Zwischenspiele stellen nahezu im Alleingang den dementsprechend völlig aufgesetzt wirkenden Bezug zum Thema "Baustoff" her und sind letztlich alle ziemlich daneben. Zum Vollschrott der 'Abrissbude' mit keineswegs besserem Feature von Alexander Pitzinger (PAINBASTARD) sage ich lieber nichts mehr außer: Schlimmer noch als Track 11!
Den wie im Wachkoma kalkuliert wirkenden Flachklang noch anstoßloser blankproduziert hat Olaf Wollschläger, dem ich hiermit als Wappenmotto den Wahlspruch "optimal geschmacksneutral" nahelegen möchte. "Baustoff [Popmusik für Rohrleger]" ist keineswegs tiefbautauglich, sondern bietet allenfalls Hochstapelei mit Gebrauchtware auf dem Niveau eines im küstennahen Überschwemmungsgebiet gelegenen Ostseekurbadparkplatzes. Wellness für Wiedergänger.
- Note:
- 4.00
- Redakteur:
- Eike Schmitz