PERSEPHONE - Home
Mehr über Persephone
- Genre:
- Gothic
- Label:
- Trisol
- Release:
- 11.01.2002
- My Prayer
- Immersion
- The Day You Went Away
- Guardian Angel
- The Gift
- The Man Who Swallowed My Soul
- Beautiful Prince
- Forest Song
- My Greatest Day
- Reflection
- Home
- Coming Home
"Home" von PERSEPHONE zum ersten Mal in Händen zu halten und auszupacken, ist wie Weihnachten mit Zimtsternen, wenn euch dieses Gefühl noch etwas sagen sollte. Ein wunderschön gestaltetes Digipack offenbart beim Öffnen eine optische Spielerei, die sich der Cover-Designer der letzten Scheibe von MARILYN MANSON, Joachim Lütke, ausgedacht hat: Das Päckchen ist aus vier Richtungen um das Zentrum geklappt und jede Seite bildet einen Teil des verträumten Gesamtbildes, das märchenhaft anmutet und in der Zeit der Romantik entstanden sein könnte. Ebenso herausragend und stilvoll auch die Gestaltung im Inneren; zugleich findet sich hier alles an Informationen, was man von einem normalen Booklet auch erwarten würde. Aber dieser ganze Augenschmaus ist nichts im Vergleich zu dem, was euch erwartet, wenn ihr diesen edlen Silberling eurem CD-Spieler zu futtern gebt. Ich empfehle da nur: Ofen oder Kamin entfachen, dem Pfeifen des Windes vor der Tür lauschen und dann gebt euch dem erlesenen Genuss dessen hin, was hier in Gemeinschaftsarbeit produziert wurde.
PERSEPHONE wird in erster Linie als Soloprojekt von Sonja Kraushofer angepriesen, aber so ganz richtig ist das nicht, denn das Goldkehlchen von L'ÂME IMMORTELLE hat sich hier gemeinsam mit den Masterminds RIG und Tobias Hahn von JANUS sowie Wim Leydes, dem Ex-Gitarristen von Christian Death zusammengetan. Jeder hat dabei zu Musik, Texten und Arrangement beigetragen, wobei der Schwerpunkt der Produktion den Köpfen von JANUS und dem Cellisten Martin Höfert zuzuschreiben ist. Sonja hatte bereits bei der Arbeit zum letzten LAI-Album die Möglichkeit gehabt, einen Vorgeschmack auf die Arbeit an richtigen Instrumenten und klassischen Arrangements zu erhalten und hat dies nun mit diesem Seitensprung ausbauen und ohne Kompromisse zu einem akustischen Hochgenuss gedeihen lassen können. Dass es sich hierbei um keine Eintagsfliege handeln wird, zeigt bereits die Auskunft, dass schon ausreichend Rohmaterial und Ideen für einen Nachfolger vorhanden sind.
PERSEPHONE ist im übrigen die griechische Göttin der Fruchtbarkeit und der Toten; geboren als Tochter der Demeter und des Zeus, in die sich der Herrscher des Totenreiches, Hades, verliebte. Durch allerlei griechentypische Familienstreitigkeiten kam es letztlich dazu, dass sie ein Drittel des Jahres in der Unterwelt verbringen muss; in dieser Zeit stirbt die Natur ab, und ihre Rückkehr lässt das Leben neu erblühen. Dieser Mythos erklärt in der griechischen Mythologie die Jahreszeiten. Weitere Details wie dieses und ausführliche Hintergründe zur Entstehung des Projektes finden sich auf der inhaltlich erfrischenden sowie optisch ebenso lecker wie das Digipack gestalteten Homepage:
http://www.persephone-home.de
Ebenso wandlungsfähig und vielschichtig, Leben wie Tod gleichsam umarmend, ist die künstlerische Aussage dieses Werkes und ebenso wandlungsfähig zeigt sich der Gesang von Sonja. Man kann das Wirken auf diesem Album am ehesten mit Künstlern wie SOPOR AETERNUS oder KARI RUESLATTEN (Ex-3RD AND THE MORTAL) vergleichen, entfernt mit den melancholischen Strukturen, die LOREENA MCKENNITT zaubert, wobei hier dann allerdings der enorme Instrumentierungsaufwand fehlt. Dieses Album zeigt, dass auch ohne Orchester und allzu polyphone Klänge ein Erlebnis sondergleichen geschaffen werden kann. Verwendung finden neben der Konzentration auf die Gesangsarbeit vor allem das Cello, zudem Violine, sanfte Gitarren, akustischer Bass und Piano; untermalt von ausgezeichneter Percussion- und Drumarbeit.
"My Prayer" eröffnet dieses folkloristisch anmutende klassische Werk mit düsteren Windgeräuschen und dunklen Gesängen. Dies sind auch die einzigen beiden Instrumente, die man zu hören bekommt, die Konzentration liegt auf der Wirkung der Stimme und des Gebetstextes, der zwiegespalten ist zwischen Hoffnung und der Erkenntnis, dass die negativen Seiten des Daseins nicht umgangen werden können, sondern dass man lediglich darum beten kann, sie zu ertragen - und das möglichst nicht in Einsamkeit.
Das werk-dominante Cello und die interessante Untermalung mit Percussions setzt bei "Immersion" ein, das gleich einen der musikalischen Höhepunkte des Albums ausmacht. Ein Lied von Enttäuschung und Unzufriedenheit und dem Sehnen nach einem besseren Dasein; Liebe als letzte Zuflucht der Geborgenheit. Die sehnsuchtsvolle Streicherarbeit berührt die Seele, die von Sonjas Engelsgesang getragene Melodie erfüllt die Sinne, die Musik trägt den dunklen Momenten des Textes dennoch angemessen Rechnung. Die Melodieführung erinnert mich übrigens schwer an den Trance-Clubhit "Turn The Side" von Sylver, was ich persönlich nicht wirklich unerfreulich finde, da dieser Chartstürmer meines Erachtens ganz famos geraten war.
"The Day You Went Away" lässt es dem Titel nach vermuten - es geht um Verlust und den ewigen Herbst im Herzen, wenn einem ein geliebter Mensch entrissen wird. Die geradzu jammervollen mehrstimmigen Streicherklänge tragen eine klagevolle Melodie an des Hörers Ohr und schlagen eine künstlerische Brücke zu eigenen Emotionen. Leider ist das Stück ein wenig kurz geraten und hätte vielleicht noch eine Ausweitung durch Instrumentalanteile vertragen.
Ebenso leidvoll wie klagend ist auch das Stück "Guardian Angel", eine persönliche Geschichte Sonjas über den Verlust eines geliebten Menschen, ausgedrückt über das Gefühl des Zurückgelassenseins und eine Geschichte von verlorenem Halt. Sanft unterstützen Gitarre und elektronische Hintergrundklänge diesen Song diesmal anstelle von Celli. Wenn man sich auf die Musik einlässt, so geht auch dieses Kunstwerk dem Hörer auf emotionaler Ebene sehr nahe.
"The Gift" erzählt von der zwiespältig zu betrachtenden Gabe des Sehens. Der Erzählerin erscheinen tote Menschen, zunächst ein junges Mädchen, dann ein alter Mann, deren Geschichte des Sterbens geschildert wird. Zuletzt begegnet sie dem Geist ihres erst vor Tagen verstorbenen Geliebten - eine Geschichte, die Erinnerungen an den Film "Sixth Sense" wecken dürfte. Trotz des eher schaurig-romantischen Themas ist die Musik zwar leise und beginnt wie ein Flüstern, doch die Melodieführung ist diesmal dynamischer, die Streicher setzen mit einer herrlich getragenen Weise ein, der Refrain entwickelt sich zum Ohrwurm. Auch hier ist es wunderbar zu hören, wie Sonja ihre variable Stimme dem Lauf der erzählten Geschichte angleicht, und obwohl dieser Song nicht zu kurz ist, erfasst er den Hörer zum Ende dank des Arrangements und des Refrains derart, dass man diese Schlusspassage auch gern noch eine weitere Minute oder zwei hätte genießen mögen.
Meines Erachtens der wunderbarste der vielfältigen musikalischen Höhepunkte dieses Werkes ist die nun folgende klassische Vampirgeschichte namens "The Man Who Swallowed My Soul". Die Erzählweise des äußerst gelungenen Textes kann einem schon schaurig schöne Gänsehaut bescheren, die sich aber spätestens beim kraftvoll dynamisch arrangierten Refrain einstellen sollte. Wer hier nicht die Anlage aufreißt und geschlossenen Auges in Genusseuphorie verfällt, der sollte einen Arzt seinen Puls fühlen lassen - er könnte bereits tot sein. Sonjas Stimme schwingt sich zu einer unglaublichen Kraft auf, mit Instrumentierung wurde hier wahrlich nicht gegeizt, polyphone Streicher, dazu die Rhythmen von Percussions und Gitarre fahren zum Ende hin zu ergreifender Höchstform auf; man könnte dieses Stück schon fast als Bombast bezeichnen, der in seiner Art genauso gut der Titelsong für einen James-Bond-Film hätte sein können. Als besonders gelungene Spielerei ist im Hintergrund eine knurrende, tiefe Begleitstimme zu hören, die das erzählte Geschehen noch deutlicher vor dem inneren Auge entstehen lässt. Diesen Song musste ich aus einem unwiderstehlichen Verlangen heraus eine zeitlang auf "Repeat" stellen, sonst wäre ich geplatzt.
Romantisch schmachtend wird es mit "Beautiful Prince", einem kurzen Stück über die Gefühle der Verliebtheit und dem folgenden Gefühl des Verlassenseins, wenn das einsame Erwachen kommt.
"The Forest Song" wurde von Wim Leydes beigesteuert und ist entsprechend auch von zarter Gitarrenarbeit durchsetzt. Es gelingt dank elektronischer Spielereien und sphärischer Unteramlung in der Tat, musikalisch das Bild eines Waldes zu erschaffen, einem Wald, in den ein Mann seiner Geliebten folgt, dessen Streben jedoch zum Scheitern verdammt ist, da dieser Wald ein unerquickliches Eigenleben entwickelt und ihn in seinen Schattengefilden begräbt. Diese kurze Geschichte wird ohne einen klanglichen Höhepunkt oder einprägsamen Refrain erzählt.
"The Greatest Day" erzählt mit zerbrechlicher Melodie und ebensolchem sehnsuchtsvollen Gesang davon, wie eine werdende Braut an ihrem Brautkleid arbeitet, bis die Augen zu brennen und die Finger zu bluten beginnen. Das Stück erzählt mit sparsam eingesetzter Instrumentierung durch Piano und vereinzelte Streicherklänge von ewig währender Liebe und Hoffnung.
Wer aufgrund der schmeichelnd sanften Musik zuvor dabei sein sollte, an dieser Stelle in das dämmerige Land des Schlafes zu entweichen, wird mit "Reflection" vermutlich wieder wach gerüttelt. Man ist geradezu erstaunt, mit welch schmutzig-rauer Stimme Sonja hier zu Werke geht; das Stück hat mit seiner Begleitung aus Akkordeon und marschartiger Trommelarbeit schon Chanson-Feeling und berichtet von Selbsttäuschung, den Masken, die wir tragen und dem zweifelnden Blick in den Spiegel unseres ausgesetzten Selbst'. Musikalisch vielleicht ein Wagnis, aber dafür eines mit Charakterstärke.
Die letzten beiden Stücke kann man aufgrund der Titelähnlichkeit thematisch als Einheit sehen, wenngleich es jeweils um andere Arten von "Home" geht. Der titelgebende Song des Albums war Sonjas erstgeschriebener Text, dem zwar die bei den anderen Titeln vorhandene klare Reimstruktur fehlt, der aber aufgrund des Themas, der Bilder und natürlich nicht zuletzt der musikalischen Gestaltung wegen zu berühren weiß. In jedem Falle haben wir es hier mit einem weiteren Höhepunkt des Albums zu tun, der im Gedächtnis bleibt und mit seinen brillanten Streicherarrangements und der zerbrechlichen Melodie des Refrains beeindruckt. Auch hier lässt Sonja wieder ihre Stimme in die emotionale Aussage einfließen - ein weiterer Song, der mich dazu zwingt, die "Repeat"-Funktion zu betätigen.
Um das Gefühl, zuhause zu sein, geht es im abschließenden, durch Pianozauberei untermalten "Coming Home", das in polyphonem Gesang ausklingt, und so den zauberhaften Text im Kopf festsetzt, welcher ganz wunderbare Bilder einer windböengebrandeten Küste und Wind in den Haaren in meinem Kopf entstehen lässt. Unwillkürlich lässt dieses Ende die Entscheidung leicht fallen, den ganzen Silberling erneut von vorn zu starten und ein weiteres Mal in Hingabe zu genießen.
Man sollte für diese Musik eine Dreiviertelstunde der Ruhe finden - länger geht das "Erstlingswerk" leider nicht. Die Kürze einiger der Stücke ist denn auch der einzige Wermutstropfen, der bei einer Bewertung meinerseits ins Gewicht fiele. Gefühle von Sehnsucht, Melancholie, zerbrechlicher Schönheit im Hörer zu erwecken, fällt diesem Werke leicht, und wenn man sich auf die Aussagen, die Bilder, die feine Instrumentierung einzulassen wagt, berührt die Musik das Innerste und erfüllt den Hörer mit einem Lächeln der Seele. Wer noch eine Sehnsucht für die sanften und ursprünglichen Töne in sich trägt, sollte die Stimme von PERSEPHONE zu sich sprechen und ihren Gesang seinen stürmisch-kalten Wintertag das Gefühl erwecken lassen, ebenfalls heimgekehrt zu sein.
Anspieltipps: Immersion, The Man Who Swallowed My Soul, Coming Home
Einen Zusammenschnitt ausgewählter Passagen des Werkes kann man sich hier herunterladen:
http://www.persephone-home.de/downloads/trailer.mp3
- Redakteur:
- Andreas Jur