PROCOL HARUM - A Salty Dog (Deluxe 2-CD)
Mehr über Procol Harum
- Genre:
- 60ies Rock, Proto-Prog
- Label:
- Esoteric Recordings
- Release:
- 31.07.2015
- A Salty Dog
- The Milk Of Human Kindness
- Too Much Between Us
- The Devil Came From Kansas
- Boredom
- Juicy John Pink
- Wreck Of The Hesperus
- All This And More
- Crucifiction Land
- Pilgrims Progress
- Skip Softly (My Moonbeams) (BBC Sessions)
- Wish Me Well (BBC Sessions)
- Long Gone Geek (BBC Sessions)
- Goin' Down Slowly
- Juicy John Pink
- Crucifiction Lane
- Skip Softly My Moonbeams / Also Sprach Zarathustra (live)
- The Milk Of Human Kindness (BBC Sessions)
- Juicy John Pink (BBC Sessions)
- A Salty Dog (mono single mix)
- Long Gone Geek (mono single mix)
- The Milk Of Human Kindness (raw backing track)
Ein Stück Rock-Geschichte mit dem schönsten Lied der Welt!
Wir gehen zurück in eine Zeit, zu der ich meine allerersten musikalischen Erfahrungen gemacht habe. Eine Zeit, in der ich als junger Bub heimlich und mit unfassbarer Faszination in den alten Tonbändern meines Vaters rumgestöbert habe, eine Zeit, in der Musik noch nicht mit Namen, Titeln und Stilzuordungen versehen war, in der ich die Töne also rein und pur erlebte. Erst später würde ich lernen, was ich dort gehört habe. THE BEATLES, THE ROLLINGS STONES, THE KINKS, THE MOODY BLUES, JIMI HENDRIX, MANFRED MANN’S EARTH BAND und viele andere. Mit den größtem Eindruck hinterließen auf mich die Orgelklänge und die besonders eindringliche, tiefgründige Stimme von PROCOL HARUM. Und die besten Lieder dieser Band gesammelt auf einer "Best Of"-LP zu haben, hat damals die Welt für mich bedeutet. PROCOL HARUM, das ist nämlich nicht nur der Welt-Hit 'A Whiter Shade Of Pale', der die Band anno 1967 nach oben katapultiert hatte. Diese Truppe hat Dutzende endlos schöner Lieder heraus gebracht, meist geprägt von einem düster-melancholischen Charme, und - so sollte ich erst viel später lernen - mit 'In Held ’Twas In I' eines der ersten großen Prog-Epen geschrieben. Mein allerliebster Schatz von PROCOL HARUM indes ist 'A Salty Dog', immer noch einer meiner drei Songs für die Insel, zusammen mit mit ARCHIVEs 'Again' und PSYCHOTIC WALTZ’ 'Into The Everflow'.
Alle alten Alben von PROCOL HARUM ("Procol Harum", "Shine On Brightly", "A Salty Dog" und "Home") wurden vor einigen Wochen als "digital optimierte" Deluxe-Editionen veröffentlicht, und eines davon, netterweise "A Salty Dog" - im Original anno 1969 erschienen - habe ich für POWERMETAL.de ergattern können.
Wer den Titelsong nicht kennt, sollte dies bitte unbedingt nachholen, ist er doch DIE Blaupause, DIE Essenz für alle ANATHEMAs, KATATONIAs, POCRUPINE TREEs und andere Bands, die der Schwermut in ihrer Musik eine Projektionsfläche bieten. Lange bevor ich ein Wort englisch konnte, war ich schon tief ergriffen und auch gerade wieder den Tränen nahe ob der gesungenen Worte. Hier sei die erste Strophe rezitiert:
All hands on deck, we've run afloat,
I heard the Captain cry.
Explore the ship, replace the cook,
Let no one leave alive.
Across the straits, around the horn,
How far can sailors fly?
A twisted path, our tortured course,
And no one left alive.
Doch der Song endet positiv, der Seemann und seine Crew machen am Ende Land und die Tränen werden zu Tränen der Freude. PROCOL HARUM war immer schon eine "komische" Band mit seltsamen Song-Titeln. Dafür hatte PROCOL HARUM sogar ein extra Band-Mitglied, den Texter Keith Reid. Und 'The Milk Of Human Kindness', 'The Devil Came From Kansas' oder 'Skip Softly My Moonbeams' sind Lieder, die den Grundstein für alles legten, was heute unter dem Banner Vintage, Retro und Psychedelic Rock so große Erfolge feiert. Vielleicht mag ich diesen Boom ja auch deswegen so sehr, weil er "meine" Ur-Musik wieder in den Fokus des breiten Rockpublikums legt. Doch zurück zum Album.
Damals - es war die Zeit der Singles - waren ganze Alben noch lang nicht so homogen und oft nicht qualitativ auf einem Level wie heute. Auch "A Salty Dog" nicht. Seinerzeit wurde viel mehr experimentiert, viele verschiedene Stile gespielt und miteinander vermixt, was für heutige Ohren fast sogar etwas wahllos erscheint. Einige unsterbliche Highlights habe ich oben schon genannt, aber es gibt auch Lieder wie 'Boredom', ein unscheinbares Lagerfeuer-Lied, das trotz der Verwendung von Flöten und einer Marimba, die man zufällig im Studio gefunden hatte, seinem Namen alle Ehre macht. Und auch den klassischen, heute sehr spartanisch wirkenden 12-Bar-Blues ('Juicy John Pink') haben schon zu dieser Zeit viele Rocker schwungvoller hingebracht. 'Wreck Of The Hesperus', einer der ersten Versuche, Rockmusik mit einem Orchester kreuzen, ist ein feiner Song, dennoch sollte diese damals bahnbrechende Kreuzung später noch besser gelingen. Ein richtiges Kleinod ist dafür 'All This And More', das einmal mehr mit den typischen PROCOL-HARUM-Akkord-Progressionen und leidenschaftlichen Vocals von Gary Brooker glänzt. Und auch die zarten 'Too Much Between Us' und das abschliessende 'Pilgrims Progress' sind Edelsteine aus einer scheinbar vergessenen Zeit, wie sie auf dieser Erde nur von PROCOL HARUM stammen können.
Noch ein paar Worte zur Bonus-CD. Dort gibt es so einiges Rares und bisher Unveröffentlichtes aus diversen BBC Sessions zu hören, dazu Live-Aufnahmen und alternative Mixe. Ich finde solche Extras aber nur selten interessant genug um ihnen dauerhaft den bekannten Original-Versionen den Vorzug zu geben. Deshalb ist die zweite CDs wohl eher für Historiker und absolute Fanboys interessant, die ohnehin schon jeden Ton von PROCOL HARUM in- und auswendig kennen. Es sei ihnen überlassen, über den Mehrwert dieses Materials zu urteilen. Viel wichtiger ist für mich das fette Booklet mit jeder Menge informativer Liner-Notes, vielen alten Bildern und zahlreichen Hintergrundinformationen zum Album und zu den einzelnen Songs. Hier kommt so einiges Erstaunliches zutage. Zum Beispiel werden die Begebenheiten erläutert, warum PROCOL HARUM abgelehnt hat, auf dem legendären Woodstock zu spielen. Im Nachhinein wohl ein historischer Fehlgriff.
Wer also dieses Album (neu) für sich entdecken will und Fan edler Deluxe-Aufmachungen ist, sollte wohl zu dieser Version von Esoteric Records greifen. Die Musik von Gary Brooker, Robin Trower, Matthew Fisher und David Knight ist Rock-Geschichte.
- Redakteur:
- Thomas Becker