RAMMSTEIN - Reise, Reise
Mehr über Rammstein
- Genre:
- Neue Deutsche Härte
- Label:
- Universal Music
- Release:
- 27.09.2004
- Reise, Reise
- Mein Teil
- Dalai Lama
- Keine Lust
- Los
- Amerika
- Moskau
- Morgenstern
- Stein um Stein
- Ohne dich
- Amour
Die neue RAMMSTEIN ist keine Offenbarung. Sie ist keine Neuerung und auch keine Generalüberholung. Sie ist schlicht und einfach RAMMSTEIN in seiner pursten und mittlerweile auch filigransten Form. Waren die Brachialattacken auf den ersten beiden Scheiben noch etwas grobschlächtig, beweisen die Jungs seit dem 2001-Opus "Mutter", dass sie durchaus dynamisch und nicht nur aggressiv musizieren können. Auf "Reise, Reise" wird dieses Ansinnen perfektioniert. Herausgekommen ist ein beeindruckendes Album, das von Anfang bis Ende fesseln kann. Die Texte sind eindeutiger als früher und schwelgen nicht mehr allzu stark in Metaphern, wobei Till dieses Trademark natürlich nicht völlig abgelegt hat. Auch hört man den singenden Berg auf der neuen Scheibe Melodien anstimmen, die er verdammt gut intonieren kann. So ist wieder einmal ein hammergeil produziertes Album entstanden, voll von düsteren Stimmungen und megagroßen Refrains, das einmal mehr von Jakob Hellner betreut wurde.
Wenn der majestätisch melancholisch instrumentierte Opener 'Reise, Reise' Fahrt aufnimmt, steht die erste Gänsehaut schon stramm. In bester PARADISE LOST-Melodieführung bohrt sich dieses Stück schon bei Durchlauf eins ins Langzeitgedächtnis. Wo 'Reise, Reise' sehr breit und monumental daherkommt, bricht 'Mein Teil' fett rockend durch die Balken. Mit einem der besten RAMMSTEIN-Texte ever vertonen Flake und Konsorten einen Hit für die Ewigkeit, der die Hallen zum einstürzen bringen wird. "Die stumpfe Klinge gut und recht, ich blute stark und mir ist schlecht. Muss ich auch mit der Ohnmacht kämpfen, ich esse weiter unter Krämpfen". Wie geil! Diese Ballade über den Kannibalen, dessen Opfer er per Anzeige suchte, das sich wiederum freiwillig fressen ließ, beißt und ist einfach nur genial.
Ebenso das verstörende und betörende 'Dalai Lama', das von Sekunde eins an anschwillt und zu den Refrains hin fast explodiert, sich im richtigen Moment aber fast in Wohlgefallen auflöst. Finster wie nie zuvor leitet die seichte Melodie auf den brettharten Gitarren durch einen weiteren Livehammer der Zukunft. Saustark!
Der größte Knaller dürfte aber ganz klar 'Amerika' sein. Der Text ist der stärkste, der je aus Lindemanns Feder kam, sagt er doch genau das, was wir alle denken. Die Amis wollen die Welt regieren und RAMMSTEIN spielen ihnen eine neue Nationalhymne. Hymne ist eigentlich kein Ausdruck, weil der Track absolut hypereingängig und der potenziell größte Hit der Scheibe ist. Da RAMMSTEIN in den USA der große Abräumer sind bleibt zu hoffen, dass Präsiden B. sich nicht die Mühe macht, den Song zu übersetzen. Ansonsten dürfte ihm sein faltiger Kragen platzen und die Einreise könnte etwas schwieriger werden. "This is not a lovesong"!
Von heftigen Chören flankiert und mit einem wunderbaren Hasstext intoniert, brezelt 'Morgenstern' aus den Speakern und wandelt zwischen Theatralik und Wutbeat, bis die vielzitierte Schwarte kracht. "Du bist hässlich!". Dem ist nichts hinzuzufügen. 'Stein um Stein' ist altbewährtes RAMMSTEIN-Gut. Gruseltext auf Knochenmühlenriffs und das in Perfektion. Die größte Überraschung folgt mit 'Ohne dich', das sicherlich noch zu einem Chartstürmer avancieren wird. Welch eine Ballade, welch ein Refrain, welch eine Atmosphäre! RAMMSTEIN haben dazugelernt und zwar ohne Ende. Unfassbar, wie die Jungs auf die Tränendrüse drücken und gleichzeitig die Magengrube treten können.
Allein diese Tracks sind megafette Argumente für einen Kauf. Aber auch der Rest, voran die zukünftige Bandhymne 'Los', fällt nicht großartig ab und macht "Reise, Reise" noch einen Tick besser als "Mutter". Was ich nie für möglich gehalten hätte, ist also eingetreten. RAMMSTEIN haben sich nicht neu erfunden, sie haben sich aber perfektioniert. Ab jetzt bin ich nie wieder misstrauisch und harre ehrfürchtig der Dinge, die noch kommen werden.
Anspieltipps: Reise, Reise; Mein Teil; Dalai Lama; Amerika; Ohne dich
- Redakteur:
- Alex Straka