RA'S DAWN - Scales Of Judgement
Mehr über Ra's Dawn
- Genre:
- Progressive Metal
- Label:
- Metal Heaven / Point
- Release:
- 25.08.2006
- Forever
- Anubis
- In Oceans Of Lies
- Scarlet Dawn
- The Masque Of The Red Death
- Flame Of War
- Terrified
- Exodus
Nach zwei Eigenproduktionen, die im Underground durchaus ihre Freunde gefunden haben, hat die seit fünf Jahren existierende Band aus Koblenz mittlerweile einen Deal beim rührigen Melodic-Label Metal Heaven eingefahren, der mit dem neuen Album "Scales Of Judgement" nun erste Früchte trägt. Ich muss zugeben, dass ich bei den ersten paar Durchläufen gewisse Probleme mit der Scheibe hatte, ohne die konkret an irgendwelchen Mängeln festmachen zu können. Der erste Eindruck war einfach, dass die Band sich zu sehr bemüht, sich mit eingängigen Melodien in die Gehörgänge zu schmuggeln, ohne sich dort wirklich zu verankern. Außerdem kam mir der Sound beim ersten Hören etwas dürftig vor. Doch mit jedem weiteren Durchlauf fanden sich immer mehr Elemente, die aufhorchen ließen und zu überzeugen wussten, so dass ich das Album der Hobby-Ägyptologen mittlerweile für einen richtig guten Labeleinstand halte, der durchaus auch die Werke einiger etablierterer Kollegen im Bereich des leicht progressiven Melodic Metals in den Schatten stellt.
Die Band hat spielerischen und kompositorischen Anspruch, ohne dabei zu vergeistigt oder selbstgefällig zu Werke zu gehen, und die Riffs bleiben dabei immer schön knackig und heavy, so dass das durchaus präsente Keyboard nie die Gitarren in den Hintergrund drängt. Die Melodien sind griffig und der Opener 'Forever' ist im Refrain schon sehr eingängig und genretypisch, doch schaffen es die Koblenzer hervorragend, die Kitsch-Klippen zu umschiffen, auf die viele artverwandte Bands heutzutage ungebremst auflaufen. Beim folgenden 'Anubis' bringt Philipp Nörtersheusers Keyboard programmgemäß einige ägyptisch-orientalische Melodiebögen ein, die den Wiedererkennungswert der Band erhöhen und ihr eben auch eine konzeptionelle Identität verleihen, auf die es sich lohnen würde, konsequent aufzubauen. Schön ist an dem Stück vor allem die Epik, die das getragenere Tempo der Riffs und der Klang des Synths einbringen. Außerdem wird hier sehr deutlich, dass Sänger Olaf Reimann ein ganz großer Trumpf für RA'S DAWN ist. Er verzichtet konsequent auf süßliches, hohes Geträller, sondern singt kraftvoll in mittleren bis tieferen Stimmlagen, dazu mit einem eigenwilligen Timbre, das eben nicht austauschbar klingt, sondern Würde und Tiefgang in die Gesangslinien einbringt. Dass ihnen auch gediegene Heaviness nicht fremd ist, zeigen die Jungs beim härter ausgerichteten 'In Oceans Of Lies', das mit knackigen und scharf akzentuierten Riffs der Herren Schmitz und Schoppa gespickt ist, dabei aber dennoch nicht auf melodische Hooklines verzichtet. Auch das Solo im letzten Drittel kann sich sehen lassen.
Ihre ruhigere und verträumte Seite präsentieren RA'S DAWN beim kurzen Instrumental 'Scarlet Dawn', das mit schönen akustischen Gitarrenarrangements 'The Masque Of The Red Death' einleitet, das dann wieder heftiger brät und in dem gerade die Rhythmussektion um Basser Martin Balthes und Trommler Marco Freimuth eine schöne Grundlage für einen gediegenen Midtempo-Stampfer liefert, der von einigen schönen Soli und Olafs hier etwas rauerem Gesang und einem verspielten, melodischen Akustik-Einschub veredelt wird. 'Flame Of War' befasst sich mit dem Nordirland-Konflikt und bringt passenderweise eine ganz dezente keltisch-folkige Stimmung ein, die von den Gitarrenmelodien getragen und - besonders im letzten Drittel - vom Synth unterstrichen wird. 'Terrified' ist ein flotter Banger mit leicht progressiver Note und gewissen MAIDEN-Vibes und der Rausschmeißer 'Exodus' kehrt zur orientalischen Thematik und Melodik zurück. Wir hören im Intro entsprechenden Gesang und arabische Perkussion, bevor der Song an sich sehr getragen und atmosphärisch ausgebreitet wird, nicht ohne harte Passagen dramaturgisch passend einzuarbeiten. Hier schießen mir manchmal MORGANA LEFAY als Vergleich durch den Kopf.
RA'S DAWN mögen nicht unbedingt DIE neue, atemberaubende Sensation im Bereich des progressiv-melodischen Metals sein, doch ihnen gelingt mit "Scales Of Judgement" ein durchaus beeindruckender Einstieg ins "große" Musikbusiness. Das liegt vor allem daran, dass die Scheibe etwas hat, das heutzutage leider viel zu vielen Bands fast komplett abgeht: Abwechslungsreichtum. Wie oft wiederholen viele renommierte und große Bands ein bewährtes Konzept x-mal auf der selben Scheibe und merken gar nicht, dass sie zwar gute, aber komplett austauschbare Stücke schreiben? Genau das vermeiden RA'S DAWN sehr erfolgreich, denn hier decken die acht Stücke völlig verschiedene Songtypen und Stimmungen ab, ohne dass die Band Gefahr laufen würde, sich zu verzetteln. Das Album hat einen roten Faden, die Kapelle hat ihren Stil, doch den variiert sie so geschickt, dass "Scales Of Judgement" in seiner Gesamtheit spannend bleibt.
Anspieltipps: Anubis, The Masque Of The Red Death, Exodus
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle