REDEMPTION - I Am The Storm
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2023
Mehr über Redemption
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- AFM Records
- Release:
- 17.03.2023
- I Am The Storm
- Seven Minutes From Sunset
- Remember The Dawn
- The Emotional Depiction Of Light
- Resilience
- Action At A Distance
- Turn It On Again
- All This Time (And Not Enough)
- The Emotional Depiction Of Light (Vikram's Remix)
- Red Rain
Facettenreicher und hochgradig spannender Progressive Metal von einer Legende im Wandel der Zeit.
Auch wenn der hier zu besprechende Gegenstand Anlass zu großer Freude ist, fällt mir dieses Review doch so schwer wie lange keines mehr. Gleich vorweg: Ich liebe REDEMPTION, bin vermutlich sogar einer der größten Fans überhaupt und lasse für die Alben dieser Truppe gerne mal ein Werk stilistisch vergleichbarer Götterbands wie FATES WARNING oder DREAM THEATER links liegen. Das dritte REDEMPTION-Album "The Origins Of Ruin" gehört für mich nicht nur zu den großartigsten Progressive Metal-Werken aller Zeiten und hat immer noch einen Platz in meinen Allzeit-TOP100. Es war auch eines der ersten aktuellen Alben, die ich im Frühjahr 2007 für Powermetal.de rezensiert habe. Ich konnte kaum glauben, wie perfekt diese zum Teil prominent besetzte Truppe große Melodien, knackige Härte, berauschende Frische und überragende technische Raffinesse in überirdisch geniale Kompositionen verpackte. Dreh- und Angelpunkt war natürlich der begnadete Ray Alder am Mikro, der den Virtuositäten und Kabinettstückchen der Instrumentalisten sowohl das allumfassende Fundament als auch den letzten Funken Glanz und Genius verlieh. Zuletzt nachzuhören war dieses musikalische Perfect Match anno 2016 auf dem sensationellen "The Art Of Loss"-Album. Ich zähle zwar so etwas nicht mit, aber dieses Epos dürfte ziemlich sicher zu den meistgehörten Scheiben meiner letzten Jahre gehören.
Der Tag der Apokalypse schien dann gekommen, als im Jahr darauf ruchbar wurde, dass eben jener Ray Alder die Band verlassen hatte. Zwar veredelt seine unvergleichliche Stimme weiterhin die fantastischen Alben von FATES WARNING, aber für REDEMPTION hätte dieser Einschnitt schon das Ende bedeuten können. Man muss Bandleader Nicolas van Dyk allerdings bescheinigen, dass er das denkbar Beste aus der schwierigen Situation gemacht und mit Tom Englund einen anderen ausgewiesenen Meistersänger an Bord geholt hat. Dieser hatte sein exorbitantes Können in Sachen Technik und Ausdruck mit der hoch geachteten Prog-Formation EVERGREY mehr als einmal unter Beweis stellen können. Mit zittrigen Fingern bin ich damals an den Englund-Einstand "Long Night's Journey Into Day" herangegangen. Einigermaßen erleichtert war ich ob der sehr erlesenen Qualität dieser Platte, die dann doch mehr oder weniger nahtlos an die Brillanz der Vorgänger anknüpfte. Allerdings war auch zu hören, dass manche Nummern, wie 'Someone Else's Problem' oder 'The Echo Chamber', offenbar noch Ray Alder auf den Leib geschrieben waren, und diese hatte man natürlich an den Anfang des Albums gesetzt. Zumindest behaupte ich das mal, weil es in meinen Ohren so klingt.
Kommen wir nun endlich zu "I Am The Storm", zu dessen Ausrichtung und Qualität. Auffällig ist zunächst, dass der REDEMPTION-Sound etwas härter und sperriger geworden ist. Gleich der toll komponierte Opener und Titelsong liebäugelt hin und wieder mit Groove und Thrash und glänzt durch einen fantastischen Chorus, eine in jeder Hinsicht grandiose Eröffnung. Mit 'Seven Minutes From Sunset' und 'Remember The Dawn' folgen dann zwei spielfreudig sprudelnde, facettenreiche Prog-Nummern, die zwar viel Spaß machen, aber denen diese magischen REDEMPTION-Spannungsbögen, der kunstvolle kompositorische Zusammenhalt und die zentrierende Wirkung eingängiger Hooklines fehlen. Tatsächlich haben die Songs viel von der selbstverliebten Wuseligkeit und Opulenz, mit der viele andere talentierte Prog Metal-Bands versuchen, vor allem bei den Hörern zu punkten, die gerne anerkennend mit dem Kopf nicken, angesichts der musikalischen Komplexität einer Darbietung. Aber genau das hatte REDEMPTION in der Vergangenheit eben nicht nötig, weil die anspruchsvoll verschachtelten Lieder von charmant werbenden melodischen Grundideen getragen waren und von dieser einmaligen, die Welt umfassenden und doch geerdeten, wohlig warmen Stimme eines Ray Alder zusammengehalten wurden.
Versteht mich nicht falsch, die Musik von REDEMPTION ist immer noch super, Tom Englund ein sehr starker Sänger und die ganzen tollen Riffs, Harmonien und atmosphärischen Parts auf "I Am The Storm" kann man hervorragend zu einem guten Glas Rotwein genießen. Aber wer die Klassiker der Bandgeschichte noch im Ohr hat, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die sonst so kompakten, perfekt ausbalancierten REDEMPTION-Songs irgendwie auseinanderzufallen und zu fragmentieren beginnen. Vielleicht nicht ganz fair das hier zu schreiben, aber es könnte eventuell das EVERGREY-Syndrom sein. Recht deutlich hört man das auch den beiden Longtracks an, von denen 'Action At A Distance' den deutlich feineren roten Kompositionsfaden hat. Der Rausschmeißer 'All This Time (And Not Enough)' zeigt ganz im Sinne einer klassischen Leistungsschau zwar all die enormen Fähigkeiten dieser Band eindrucksvoll auf, versäumt es aber, daraus ein kohärentes, fast schon wieder einfach anmutendes, schlüssiges Ganzes zu machen. Außerdem bleibt Englund hier eigenartig blass.
Nun denn, froh bin ich diese Zeilen endlich in die Tastatur gebracht zu haben. Ich hoffe, dass man dem Text die Leidenschaft und die emotionale Bewegung anhört, aus denen er entstanden ist. Falls ich Euch überfordert habe, hier noch mal die Kurzfassung: "I Am The Storm" ist ein sehr starkes Progressive Metal-Album geworden mit vielen tollen Momenten und stellenweise aufleuchtender ästhetischer Genialität in Sachen Songwriting und Arrangements, also eine sicherlich lohnenswerte Investition für Genre-Anhänger. Damit ist aus meiner Sicht alles gesagt. Ich verabschiede mich jetzt und gehe wieder "The Origins Of Ruin" hören...
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Martin van der Laan