REVEREND NICE - Master Of The Iron Pig
Mehr über Reverend Nice
- Genre:
- Rock Musical
- When The Nightmare Is Real
- I'm On Fire
- Bang My Head
- Oooh Doctor!
- I'm So Fine
- Lovers Of The Dream
- Born To Fail
- You're Gonna Die
- Don't Wanna Work
- Torpedoes Of Love
- Highway
- Back To My Grave
- Sail Away
- Pigfeeder
- Sweet Elephant Man
- Long Long Time
Der eine oder andere von euch erinnert sich vielleicht noch an eine obskure Band namens DEEP SWITCH, deren Mitte der Achtziger erschienenes Album "Nine Inches Of God" vor knapp zwei Jahren neu aufgelegt wurde und in der Folge im Untergrund ganz ordentlich Staub aufgewirbelt hat. Gitarrist, Hauptsongwriter und Texter eben dieser DEEP SWITCH war Reverend Nice, von dem man in der Folge knapp zwanzig Jahre lang musikalisch kaum etwas bis gar nichts mehr gehört hat. Nun ist der gute Rev zurück, und zwar mit einem reichlich bizarren Rock-Musical.
Blitz und Donner, quietschende Türen, Horrorambiente vom Synth und ein stoisch Wave-mäßiger Drumcomputer setzen die Stimmung für den Opener 'When The Nightmare Is Real', der dann rockig und düster loslegt. Scott Keil erweist sich als toller, eigenständiger Sänger, und der Schockrocker nimmt auch mal eine schöne Wendung hin in eine balladeske Richtung. Weiter geht's dann mit einem bunten, aber durchweg schlüssigen Mix verschiedenartiger musikalischer Elemente: Es begegnen uns zunächst bei 'I'm On Fire' düstere und getragene Passagen, die in einen dynamischen Rocker mit deutlichem 70er-Feeling münden. Doch dann übertreffen sich Rev & Co. mit 'Bang Your Head' selbst. Dieser irrwitzige Gesang, dieser völlig geniale Refrain, dieser mitreißende Drive: Der Song hat definitiv das Zeug zum absoluten Obskur-Metal-Klassiker. Richtig abgedreht geht's bei 'Oooh Doctor!' zu, in dem wir miterleben dürfen, wie der Tod höchstselbst dem Herrn Dr. William Erroneous Winestain droht, und das in einem skurill vor sich hin swingenden Ambiente mit viel Keyboard, Saxophon und Piano, das uns auch noch auf etlichen anderen Stücken begegnen wird. Dann pendelt der Sound zu 'I'm So Fine' zwischen Elektro-Pop und Schlager, wobei auch hier krank gesungene Passagen mit heftig aufblitzenden Rev-Riffs dafür sorgen, dass der Metaller in uns bei der Sache bleibt. Die Neueinspielung von DEEP SWITCHs 'Lovers Of The Dream' steht dem Original nicht nach und gehört auch in der neuen Fassung zu den besten Balladen aller Zeiten, da gibt's gar nichts dran zu rütteln.
Dann gibt's mal wieder swingenden, akustisch dominierten Rock 'n' Roll bei 'Born To Fail', bei dem uns auch einige Bläser-Sounds um die Ohren getrötet werden, bevor 'You're Gonna Die' sich in Space-Rock- und Wave-Gefilde vorwagt. Straighter rockend geht's bei 'Don't Wanna Work' zur Sache, und 'Torpedoes Of Love' groovt folkig dahin und ist textlich sowas von SPINAL TAP, dass es nicht mehr feierlich ist. Unglaublich. 'Highway' stampft ganz ordentlich aus den Boxen, wobei der Drumcomputer und die stark dominierenden Synths natürlich kein echtes Moshpit-Feeling zulassen. Beim dunkler und schwerer ausgerichteten 'Back To My Grave' haben wir es mit einem fiktiven Dialog zwischen John Edgar Hoover und seiner Mutter zu tun haben. Die Frau Mama wird von Mary Ann Mattellio gesungen, was hier herrlich bizarr wirkt. Dann kommen bei 'Sail Away' in den harten Versen auch wieder die Metaller auf ihre Kosten, wobei der Refrain dafür ultra-melodisch und episch geraten ist. Dass DEEP SWITCHs 'Pigfeeder' samt dem legendären Feeder-Rap auch in der neuen Version extrem am Rad dreht, muss ich wohl kaum extra erwähnen, und dass es bei einem genial gesungenen mehrstimmigen A-cappella-Song wie 'Sweet Elephant Man' kaum weniger pythonesk zur Sache geht, legt ja bereits der Songtitel nahe. Das Krasse dabei: Wir hören sechs komplett verschiedene Stimmen, die aber allesamt von Scott Keil stammen. Zum guten Schluss leiten dann eine majestätische Kirchenorgel und ein tolles Gitarrenlead den sehr gefühlvoll und traurig gesungenen Rausschmeißer 'Long Long Time' ein.
Ihr seht, "Master Of The Iron Pig" hat tonnenweise seltsame Einflüsse, und es ist sicher alles andere als ein reinrassiges Metalalbum wie seinerzeit die neun Zoll Gottes. Das Ganze hat schon spürbare Elemente vom Musical abbekommen. Seien es die Keyboards, die Saxophon-Einsätze, etliche Spoken-Word-Elemente sowie diverse Stimmen, die Hauptsänger Scott Keil unterstützen bzw. mit denen Scott sich selbst unterstützt. Außerdem sind viele Songs ruhiger und entspannter, als es noch bei der Mehrheit der Stücke DEEP SWITCHs der Fall war. Dennoch schafft es Rev irgendwie, den ureigenen Spirit von DEEP SWITCH ins Musical hinüberzutransportieren. Sei es der verdrehte, zotige, schwarze und boshafte Humor der klassischen Monty-Python-Schule, sei es das untrügliche Gespür für mörderisch prägnante Hooklines zwischen Pop und Epik, zwischen Träumerei und Bestimmtheit, zwischen Metal und klassischem Rock 'n' Roll. Dazu finden sich auch die beiden erwähnten alten DEEP SWITCH-Kompositionen in neuen Einspielungen wieder, so dass REVEREND NICE solo definitiv dazu antritt, das Erbe seiner alten Band ins neue Jahrtausend zu tragen, ohne deren Konzept musikalisch eins-zu-eins zu kopieren. Die Sachen sind ein Stück weit verstörend, aber ich bin mir ganz sicher, dass diejenigen unter euch, die DEEP SWITCH verehren, den guten Rev auch dieses Mal früher oder später verstehen werden. Auf der Homepage könnt ihr euch übrigens alle Songs runterladen, also schaut unbedingt mal vorbei.
Anspieltipps: When The Nightmare Is Real, Bang My Head, Lovers Of The Dream, Sail Away, Pigfeeder, Long Long Time
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle