RIDE THE SKY - New Protection
Mehr über Ride The Sky
- Genre:
- Power Metal
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 24.08.2007
- New Protection
- A Smile From Heaven's Eye
- Silent War
- The Prince Of Darkness
- Break The Chain
- Corroded Dreams
- The End Of Days
- Far Beyond The Stars
- Black Cloud
- Endless
- Heaven Only Knows
- A Crack In The Wall
Wer behauptet, Online-Redakteure würden sich voneinander abgeschottet in kleinen Räumen vor ihren PCs aufhalten, bis ihre käsigen Gesichter in sich zusammen fallen, der irrt. Sie treffen sich sogar ab und zu, und sei es nur, um sich über eine CD zu unterhalten. Wie das folgende Gespräch zwischen Lars Strutz und mir über das Debüt-Scheibchen der neuen Band von Schlagzeug-Legende Uli Kusch (u.a. HELLOWEEN, MASTERPLAN, MEKONG DELTA, HOLY MOSES und GAMMA RAY) beispielhaft zeigt.
Lars: Hey Martin, habe gehört, du kümmerst dich um die RIDE THE SKY-CD? Was hältst du bisher von ihr?
Martin: Hmm, um ehrlich zu sein, so die Knallerscheibe, wie ich erwartet hatte, ist sie nicht geworden.
Lars: Wieso das denn nicht?
Martin: Na ja, ich gebe zu, dass es auch eine Sache der Erwartungshaltung ist: Immerhin präsentiert sich da die neue Band von Uli Kusch, diesem äußerst sympathischen Kerl, der schon so viele geile Platten eingespielt hat. Sogar für die Götter MEKONG DELTA hat er ja mal was zusammen getrommelt. Außerdem ist RIDE THE SKY ein ziemlich cooler Bandname, wahrscheinlich nach dem wohl besten HELLOWEEN-Song aller Zeiten benannt. Nuclear Blast startet eine fette Promotion-Kampagne, da geht man schon irgendwie davon aus, dass etwas wirklich Großes auf einen zukommt. Und dann das: Die Songs sind eher ziemlich flach und austauschbar, die Melodien teilweise arg simpel. Mir fehlt einfach die Leidenschaft, der letzte Funke Inspiration. Zudem finde ich das Album allzu offensichtlich auf eine bestimmte Käufergruppe zugeschnitten. Ich werde den Eindruck nicht los, dass wir hier gestandene Musiker beim routinierten Geldverdienen belauschen. Nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht besonders aufregend oder gar essentiell.
Lars: Okay, ich stimme dir zu, dass die Refrains letzten Endes den absoluten Ohrwurm-Overkill vermissen lassen, aber die Band klingt auch nicht danach, als ob sie das besonders interessieren würde. Hier wird mehr eine Atmosphäre kreiert, bestehend aus Elektronik, Bombast und wildem Geballer, da verkommen Melodien mit Ewigkeitsanspruch eher zur Nebensache. Sie dienen augenscheinlich dazu, dem Song einen kleinen Halt zu geben, bevor er noch mehr Atmosphäre aufbaut. Zudem kann von einer Uli-Kusch-Gruppe gar nicht die Rede sein, schließlich spielen im Kreativbereich Björn Jansson von TEARS OF ANGER und sein Bruder die erste Geige. Diese beiden geben dem Ganzen noch etwas Eigenes, Individuelles mit. RIDE THE SKY als Kusch-Projekt zu werten, wird dieser Platte nicht gerecht.
Martin: Ich höre ja sehr wohl, dass hier auf Abwechslung und Vielseitigkeit geachtet wurde, aber gerade dieses Düstere, dieser Hauch Elektronik und der Bombast, das klingt in meinen Ohren so aufgesetzt, so gewollt und nicht wirklich gekonnt – und gerade deshalb auch irgendwie "kommerziell". Man braucht heute halt ein paar stilfremde Elemente, die bei anderen Bands schon ganz gut funktioniert haben, damit man nicht von vorne herein als Anachronismus belächelt wird. Und dazu dann diese blutleeren, cheesigen Hooks. Mir wäre eine druckvolle, pure Metal-Platte nach Machart der BEYOND FEAR vor einiger Zeit ehrlich gesagt lieber gewesen.
Lars: Hm, lass uns doch mal die einzelnen Songs analysieren!
Martin: Beim Opener war ich ja noch voller Hoffnung, der Song ist echt nicht schlecht, wenn auch kein Killer, die Hauptmelodie kommt aber ganz gut.
Lars: Ah ja, das gleichnamige Titelstück. Besser hätte man gar nicht beginnen können. Es gibt einige Parallelen zu MASTERPLAN durch Björns Stimme, die doch ziemlich an Jørn erinnert, düsterer Bombast im Hintergrund und hart bratende Gitarren. Ein exzellenter Start in meinen Augen!
Martin: 'Silent War' ist dann so eine Nummer, die mich zur Weißglut bringt: absolutes Mittelmaß, tausendmal gehört, billige Keyboards, kein Charisma, Massenware von der Stange.
Lars: Da gebe ich dir Recht, etwas verträumt, wenig Power, aber das Gefühl, ein düsteres Stück MASTERPLAN vor sich zu haben, gibt dem Ganzen zumindest etwas Positives. Eine harmlose Schunkelnummer, wie man sie wirklich schon häufig gehört hat.
Martin: 'The Prince Of Darkness' ist dann auch nicht viel besser, das ist so ein Beispiel für viel gewollt - ein bisschen Prog da, ein bisschen Bombast hier, ein bisschen moderne Härte - und doch nix Schlüssiges dabei raus gekommen. Das klingt wie: "Wir schmeißen mal alles, was wir denken, dass es gerade gut ankommt und uns den Schein von Anspruch verleiht, in einen Topf und rühren einfach kräftig um!" Dabei fällt auch wieder sehr ins Gewicht, dass der Chorus ein Stinker ist.
Lars: Aaargh, ausgerechnet das ist mein Lieblingsstück. Gruselintro, rasende Keyboardkaskaden, harte Gitarren und dieser Touch of Evil mit dem irren Geklimper machen aus dem Song mit Sicherheit einen Live-Kracher. Nur der Refrain schwächelt auch hier etwas. Was hältst du von der nächsten Nummer?
Martin: 'Break The Chain'? Das gefällt mir dagegen wieder total gut, da kommen die Arrangements schön großflächig und bedeutungsschwanger, bedrohliches Grollen trifft auf diese faszinierende verschleppte Dynamik. Aber mir ist auch eingefallen, warum ich das Stück so mag: Weil es verdammt noch mal an frühe BEYOND TWILIGHT erinnert, die ich kompositorisch sehr verehre. Vielleicht kein Zufall, denn der Sänger Björn Jansson hat auch deren letzte Platte eingesungen, und mich, ganz nebenbei gesagt, da schon nicht vom Hocker gerissen.
Lars: Stimmt, der Song versprüht auch durch den diesmal gelungenen Chorus eine gewisse, durchaus angenehme Epik. Mir fehlt da ein bisschen die Geschwindigkeit, um zu überzeugen, sticht aber auf jeden Fall positiv aus dem Rest der Platte heraus.
Martin: 'Corroded Dreams' ist dann leider wieder ein Langweiler vor dem Herrn. Da wird dieses "Jørn für Arme"-Syndrom ziemlich offensichtlich.
Lars: Also ich finde ja, dass dieses Stück die angesprochenen positiven Merkmale super hervorhebt und sogar einen gefälligen Refrain präsentiert. Somit kann der Song durchaus repräsentativ für das Album stehen.
Martin: 'The End Of Days' ist megapoppig, zündet in meinen Ohren aber längst nicht so wie das tolle 'A Smile From Heaven's Eye'. Ein bisschen lahmarschig ist der Song, und enthält wieder ziemlich dämliche Keyboardparts.
Lars: Ich finde ja, dass besonders die Keyboards dem Song mächtig viel Charakter verleihen und ihm einen besonderen Touch geben. Und obwohl er kein Böller ist, gefällt er mir trotzdem sehr gut.
Martin: 'Far Beyond The Stars' - tja, was soll man dazu sagen. Nicht schlecht, aber auch eben nichts Besonderes. Für eine im Vorfeld so gehypte Band mit so großen Namen einfach zu wenig. Dieselbe Aussage gilt auch für 'Heaven Only Knows', welches aber in meinen Augen noch eine Ecke besser ist.
Lars: Das sind doch zwei absolute Highlights des Albums! Hier zünden nicht nur die Hooklines, sondern auch das Drumherum ist extrem stimmig. Das könnten die Nummern sein, die man in der U-Bahn vor sich hin trällert. Hm, dann haben wir da ja noch die obligatorische, hier sehr gelungene Ballade.
Martin: Stimmt, 'A Smile From Heaven's Eye', aber Ballade würde ich das gar nicht nennen. Ist einfach total poppig, aber auch ein mächtiger Widerhaken-Ohrwurm. Ich muss gestehen, ich mag den Song sehr. Schließlich habe ich ja auch eine Schwäche für gut gemachten AOR.
Lars: Das Kontrastprogramm dazu ist eine Nummer wie 'Black Cloud', richtig schön hart und bestimmt der Live-Brenner schlechthin.
Martin: Jaaa, 'Black Cloud' spricht mich auch sehr an, das klingt stark nach bestem MASTERPLAN-Stoff, ein toller Song mit Langzeitwirkung und endlich mal etwas feinsinnigeren, subtileren Melodien. Da funktioniert die Mischung, die im Promo-Text so blumig beschrieben wird, halt endlich mal.
Lars: Und schon endet die Platte, bleiben nur noch 'Endless' und 'A Crack In The Wall'.
Martin: 'Endless' ist ein Musterbeispiel dafür, wie man einen Chorus in den Sand setzen kann. Das ist ja gruselig. Und die angedeuteten orchestralen Elemente sind ziemlich billig. 'A Crack In The Wall' gibt mir auch nicht allzu viel. Mein Deutschlehrer früher hätte wohl gesagt: Die bevorzugte Bewegungsform dieses Songs scheint mir der verstolperte Anlauf zu sein.
Lars: Was 'Endless' betrifft, stimme ich dir zu, so ganz aus dem Sumpf der Langweile möchte der nicht herauskommen. Die eingespielten Violinen werten den Song aber trotzdem ganz schön auf. 'A Crack In The Wall' ist der Track mit der größten 'The Dark Ride'-Schlagseite. Das ist eine meiner Lieblingsplatten von HELLOWEEN, neben den üblichen Verdächtigen wie 'Keeper Of The Seven Keys', und hier lebt sie noch mal mit Björns Stimme veredelt wieder auf. Obwohl ich mir an dieser Stelle natürlich Andi Deris als Sänger wünschen würde - aber das gilt für fast jede Platte, hahaha! Okay, dein Fazit?
Martin: Leider sind nur drei Songs auf dem Album, nämlich 'A Smile From Heaven's Eye', 'Break The Chain' und 'Black Cloud', die ich wirklich richtig klasse finde. Der Rest ist mittelmäßig. Müsste ich Punkte vergeben, käme ich auf vielleicht 6 von 10. Ich will die Platte ja mögen, wenn du verstehst was ich meine, aber es hilft nichts, meine Meinung kann ich leider nicht revidieren. Wie würdest du deine Eindrücke zusammen fassen?
Lars: Nun, ich bin ja allein schon davon begeistert, was sich da alles an verschiedenen Elementen auf dem Album finden lässt: Bombast, Dunkelheit, MASTERPLAN, HELLOWEEN und sogar ordentliche Schrammel-Nummern. Wenn es nur noch mehr zündende Refrains wie 'A Smile From Heaven's Eye' oder 'The Departed (Sun Is Going Down)' von "The Dark Ride" geben würde, könnte man sogar von einem absoluten Knaller sprechen. Ich jedenfalls finde es toll, wie Uli Kusch sich einerseits von seinen Vorgängerbands absetzt, andrerseits aber genug Vertrautes auffährt, um auch alte Fans zu überzeugen.
Martin: Immerhin hat die Platte uns zu diesem guten Gespräch angeregt. Okay, Lars, auf bald dann!
Lars: Yo, man hört sich.
Anspieltipps Martin: A Smile From Heaven's Eye, Break The Chain, Black Cloud
Anspieltipps Lars: A Crack In The Wall, The Prince Of Darkness, The End Of Days
- Redakteur:
- Martin van der Laan