ROLLING STONES - Blue And Lonesome
Mehr über Rolling Stones
- Genre:
- (Blues) Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Polydor
- Release:
- 02.12.2016
- Just Your Fool
- Commit A Crime
- Blue And Lonesome
- All Of Your Love
- I Gotta Go
- Everybody Knows About My Good Thing
- Tide 'Em On Down
- Hate To See You Go
- Hoo Doo Blues
- Little Rain
- Just Like I Treat You
- I Can't Quit You Baby
Die größte Überraschung des Musikjahres!
Die Ankündigung eines neuen Albums der ROLLING STONES dürfte Fans und Kritiker auf der ganzen Welt vor wenigen Monaten überrascht haben, immerhin sind inzwischen mehr als zehn Jahre seit dem letzten Studioalbum "A Bigger Bang" ins Land gezogen. Seither befassen sich die Väter des Rock'n'Roll eigentlich nur noch damit, ihr musikalisches Erbe mit Wiederveröffentlichungen zu ehren oder auf ausgewählten Konzerten die zahllosen Klassiker ihres Backkatalogs aufzuführen. Nicht wenige Kritiker bescheinigten dem Vierer daher auch in den letzten Jahren, zur besten ROLLING STONES-Coverband der Welt verkommen zu sein. Doch Totgesagte leben länger und so melden sich die Stones im 54. Jahr ihrer Geschichte mit "Blue And Lonesome" vitaler denn je zurück.
Die ewigen Zweifler werden gegen diese Aussage wahrscheinlich bereits direkt Sturm laufen, denn um eine Platte mit frischen Eigenkompositionen handelt es sich bei "Blue And Lonesome" nicht. Stattdessen besinnen sich Mick, Keith, Ronnie und Charlie hier auf ihre Wurzeln im klassischen Blues und haben sich dazu zwölf Kompositionen von Legenden wie LITTLE WALTER, HOWLIN' WOLF, WALTER DIXON oder WILLIE TAYLOR vorgenommen. Was erst einmal nach einer ausgelatschten Idee klingt, um einen Mangel an frischem Songmaterial zu überspielen und im Weihnachtsgeschäft ein bisschen abzukassieren, entpuppt sich bereits beim Opener 'Just Your Fool' als vielleicht beste und revolutionärste Idee, die den Glimmer Twins in den vergangenen dreißig Jahren gekommen ist. Geplant war diese Veröffentlichung eigentlich nicht, sondern entstand viel mehr ganz spontan während der Studio-Sessions zu einem neuen Album, als die Band mit einigen entspannten Coversongs erst einmal wieder in den passenden Groove finden wollte. Produzent Don Was hatte jedoch den Geistesblitz, das Ganze einfach zwanglos live im Studio mitzuschneiden, und so entstand aus einer einfachen Fingerübung in gerade einmal drei Tagen ein komplettes Album, auf dem es die inwischen in den Siebzigern angekommenen Briten schaffen, zu klingen wie in ihren Anfangstagen in der Londoner Clubszene.
Großteils lebt die Aufnahme dabei vom natürlichen Setting und dem spontanen Charakter der ganzen Aktion. So gibt es statt aufpolierter Pop-Produktion einen spröden Live-Sound, der jedoch perfekt zum dargebotenen Material passt, und anstatt stundenlangem Feintuning an jedem Sound und jeder Gesangslinie liegt das Augenmerk auf Spontanität. Befreit von jeglichem Druck blüht vor allem Mick Jagger richtig auf und überzeugt im famosen 'Hate To See You Go' oder dem treibenden 'Ride 'Em On Down' nicht nur mit einer fantastischen Gesangsleistung, sondern greift auch mit beständiger Regelmäßigkeit zur im STONES-Sound lange sträflich vergessenen Bluesharp. Dabei bestätigt der Fronter die Aussagen von Keith Richards, der Jagger in seiner Autobiografie "Life" als einen der besten Bluesharp-Spieler unserer Zeit bezeichnete, was ich nach dem Genuss dieses Silberlings nur bekräftigen kann.
Doch nicht nur Jagger blüht im ungezwungenen Ambiente der Blues-Klassiker regelrecht auf, auch für das Gitarren-Duo Ronnie Wood und Keith Richards scheint die Zeitreise ein wahrer Jungbrunnen zu sein. So verweben die beiden ihre Gitarren-Spuren wieder wie zu "Exile On Main Street"-Zeiten und beweisen dabei, dass sie vielleicht das beste und eingespielteste Rock'n'Roll-Duo unserer Zeit sind. Unterlegt wird das Ganze von Charlie Watts unaufgeregtem Drumming, der gemeinsam mit dem langjährigen Live-Basser Darryl Jones eine perfektes Gespann bildet und so den übrigen Musikern das Fundament spendiert, auf dem die gesamte Mannschaft zu ungeahnten Höchstleistungen aufspielt. Oben drauf gibt es außerdem noch einen wunderbaren Gastauftritt von Edel-Fan ERIC CLAPTON zu bestaunen, der auf 'Everybody Knows About My Good Thing' und 'I Can't Quit You Baby' eine Leistung abruft, die er auf seinen eigenen Scheiben seit langem schon nicht mehr zu Stande bringt.
Alles in allem kann man "Blue And Lonesome" damit wohl als größte Überraschung des Musikjahres bezeichnen, denn wer darauf gesetzt hätte, dass die Briten sich noch einmal mit einer solch famosen und mutigen Scheibe zurückmelden würden, der hätte im Wettbüro sicher einen saftigen Gewinn einstreichen können. Ich jedenfalls ziehe meinen Hut vor dem Mut von Jagger, Richards und Co und dieser musikalischen Glanzleistung, mit der die größte Rock'n'Roll-Band der Welt den Blues-Rockern unserer Zeit mal zeigt wo es lang geht. Chapeau!
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Tobias Dahs