ROLLING STONES - Hackney Diamonds
Mehr über Rolling Stones
- Genre:
- Rock'n'Roll
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Polydor Records
- Release:
- 20.10.2023
- Angry
- Get Close
- Depending On You
- Bite My Head Off
- Whole Wide World
- Dreamy Skies
- Mess It Up
- Live By The Sword
- Driving Me Too Hard
- Tell Me Straight
- Sweet Sounds Of Heaven
- Rolling Stone Blues
Musikalischer Jungbrunnen der größten Rockband der Welt!
Lasst uns über das neue THE ROLLING STONES-Album sprechen! Dass ich diese Zeilen noch einmal schreiben würde, hätte ich, ehrlich gesagt, nicht gedacht. Immerhin sind schlappe 18 Jahre seit dem letzten Langspieler mit frischen Kompositionen namens "A Bigger Bang" vergangen, der für mich im Jahr 2005 eine sehr prägende Erfahrung war, denn als eingefleischter STONES-Fan war es bisher das einzige Album der Briten, dessen Release ich während meiner Lebzeit bewusst erleben konnte. Doch das ändert sich jetzt, denn mit "Hackney Diamonds" hat die, nach dem Tod von Drummer Charlie Watts zum Trio geschrumpfte, Formation tatsächlich am Anfang des Jahres ihr 24. Album (wir gehen hier nach der britischen Zählweise der Studiowerke) in kürzester Zeit aufgenommen und präsentiert uns nun zwölf frische Kompositionen, die das Adjektiv "frisch" wirklich verdient haben.
Schauen wir uns nur einmal die Single 'Angry' an, die wir alle bereits im Vorfeld hören durften: Angeführt von einem typischen Keith-Richards-Riff rockt die Nummer locker und flockig daher und steht direkt in der Tradition von Hits wie 'Start Me Up'. Dass Jagger und seine Mitstreiter inzwischen alle schon eigentlich längst im Rentenalter sind, hört man dabei zu keiner Sekunde, woran sicher auch Produzent Andrew Watt (OZZY OSBOURNE, IGGY POP, PEARL JAM) einen großen Anteil hat, der offensichtlich wie ein Jungbrunnen auf die alten Rock-Heroen wirkt. Die beiden weiteren Tracks, an denen er als Songwriter mitwirkte, klingen nämlich genauso packend und frisch wie der Opener, wobei es mir vor allem das wuchtig groovende 'Get Close' besonders angetan hat. In Teilen hat das auch mit ELTON JOHN zu tun, der dem Track und auch später 'Live By The Sword' mit seinem grandiosen Pianospiel den letzten Schliff verpasst.
Mr. John bleibt dabei aber lange nicht der einzige Stargast, denn auch PAUL MCCARTNEY ist als Bassist auf dem bissigen und überraschend sperrigen Rocker 'Bite My Head Off' zu hören, während LADY GAGA und STEVIE WONDER mit Keyboard und einer einmaligen Gesangsleistung die Gospelnummer 'Sweet Sounds Of Heaven' veredeln. Wenn die größte Rockband der Welt anruft, kann offensichtlich kein Star nein sagen. Das eben bereits erwähnte 'Live By The Sword' ist übrigens nicht nur wegen Elton Johns Beteiligung erwähnenswert, denn die Nummer ist auch einer von zwei Songs, auf denen Charlie Watts am Schlagzeug zu hören ist (der zweite Track ist 'Mess It Up'). Und auch Ur-Basser Bill Wyman greift in die Saiten des Tieftöners, sodass der Song praktisch eine Reunion des klassischen STONES-Lineups darstellt. Wo wir gerade schon Mr. Watts erwähnt haben, muss ich auch kurz seinen Ersatz Steve Jordan loben, denn dieser zollt mit seinem Schlagzeugspiel dem legendären Drummer wunderbar Tribut und fügt sich perfekt in den klassischen Sound der Band ein.
Doch genug der Personalliste, kommen wir zurück zum Songmaterial, das praktisch keine Ausfälle zu verzeichnen hat und insgesamt unheimlich abwechslungsreich aus den Boxen schallt. So gibt es neben Gospel und klassischen STONES-Rockern natürlich auch wieder ein paar Balladen, wobei mir 'Depending On You' und die Country-Blues-Nummer 'Dreamy Skies' besonders gut gefallen. Natürlich darf auch Keiths gewohnte Blues-Ballade nicht fehlen, wobei 'Tell Me Straight' definitiv zu den besseren Songs gehört, die Mr. Richards abseits seiner Solo-Karriere geschrieben hat. Doch nicht nur bekannte Töne werden auf "Hackney Diamonds" angeschlagen, das bereits erwähnte 'Live By The Sword', 'Mess It Up' und auch das grandiose 'Whole Wide World' überzeugen mit überraschend modernen Tönen, ohne die STONES-DNA aus den Augen zu verlieren. Gerade 'Whole Wide World' ist dabei vielleicht der Track mit dem größten Hit-Potential auf dem neuen Silberling. Einen ganz wichtigen Song haben die drei Altrocker aber auch noch ganz am Ende der Platte versteckt, wo sie als Trio eine eindringliche Coverversion des MUDDY WATERs Songs 'Rolling Stone Blues' (der eigentlich auch nur eine Version des traditionellen 'Catfish Blues' ist) zelebrieren. Wichtig ist der Track, weil er zeigt, wieso die ROLLING STONES in einer so langen und erfolgreichen Karriere nie ihren Weg komplett verloren haben. Im Herzen ist die Band nämlich noch immer eine Blues-Formation, die eben nur die Hit-Songwriting-Formel verinnerlicht hat.
Ihr hört es schon, ich bin restlos begeistert von "Hackney Diamonds" und komplett konsterniert ob der Tatsache, dass die britischen Legenden nach mehr als 60 Jahren im Geschäft noch so frisch und relevant klingen. Da können sich viele gleichaltrige Kollegen locker zwei Scheiben von abschneiden. Entsprechend würde ich auch behaupten, dass die Scheibe das stärkste Album der Band seit "Some Girls" aus dem Jahre 1978 geworden ist. Objektiv wären damit wahrscheinlich neun Punkte eine angemessene Wertung, doch ihr verzeiht mir sicher, dass ich angesichts des im Gesicht festgemeißelten Lächelns nicht bereit bin, meine rosarote Fanbrille auszuziehen und meiner Euphorie mit einer glatten Zehn Tribut zolle. Bleibt zu hoffen, dass "Hackney Diamonds" nicht der Schwanengesang der Briten bleibt. Doch wenn es die letzte Scheibe dieser illustren Karriere ist, dann haben sich die rollenden Steine mit dem großen Knall verabschiedet, den der Vorgänger "A Bigger Bang" im Titel eigentlich versprochen hatte.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Tobias Dahs