RUNNING WILD - Resilient
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2013
Mehr über Running Wild
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Steamhammer (SPV)
- Release:
- 04.10.2013
- Soldiers Of Fortune
- Resilient
- Adventure Highway
- The Drift
- Desert Rose
- Fireheart
- Run Riot
- Down To The Wire
- Crystal Gold
- Bloody Island
Die alte Fregatte hat ein wenig Aufwind bekommen.
Aufgrund seiner eigenwilligen Art mit kritischen Fragen der Journaille umzugehen, sowie aufgrund etlicher Entscheidungen in den Bereichen Business, Besetzung, Produktion und stilistische Entwicklung, die nicht auf ungeteilte Gegenliebe stießen, hat es Rolf Kasparek inzwischen ja recht schwer in der Szene, die ihn bis in die Mitte der Neunziger weitgehend hofiert und gefeiert hat. Heute ist das alles anders. Wo immer man die Gazetten und Foren durchsucht, findet man viel Hohn und Spott, es geht um Drumcomputer, Produktionsinterna, Faschingskostüme, Schunkelpiraten und vieles mehr, was dem metallischen Untergrund als Feindbild gilt.
Dabei wird dann gerne mal übersehen, dass der gute Rock'n'Rolf sich mit seiner nunmehr fünfzehnten Studioscheibe "Resilient" zwar keineswegs selbst übertrifft, aber durchaus klar macht, dass er zum einen nach wie vor ernsthaft darum bemüht ist, seinen verbliebenen Fans das zu servieren, was sie sich von ihm wünschen, und dass er dabei zum anderen auch zunehmenden Erfolg verzeichnen kann. Als die alte Fregatte 2009 im Trockendock abgetakelt wurde, und der Vordenker mit dem Glampunk-Projekt TOXIC TASTE um die Ecke kam, war klar, dass ihm der Sinn nicht mehr nach klassischem Speed Metal teutonischer Prägung stand. Drei Jahre später konnte sich das Comeback "Shadowmaker" nicht so recht zwischen Metal, Rock'n'Roll und Glam entscheiden, so dass es trotz vieler gelungener Momente und eingängiger Songs weitgehend durchfiel.
Dass Rolf sodann seine beiden musikalischen Betätigungsfelder trennte und den glamigen Rock'n'Roll GIANT-X überließ, um sich mit RUNNING WILD wieder auf den Metal zu konzentrieren, trägt nun erstmals neue Früchte, und so finden wir auf "Resilient" kaum noch etwas, das an THE SWEET, SLADE oder KISS erinnert. Im Wesentlichen sind wir wieder beim klassischen Stil RUNNING WILDs angelangt: Etliche Speedster mit den bewährten, klassisch keltischen Shanty-Melodielinien in den Leads, harte, kernige Rocker, etwas trockener Groove, hier und da ein Hauch von THIN LIZZY, dazu Rolfs markante Stimme und urtypische Art, die Gitarre zu spielen. Es sind alle Trademarks da, sie dominieren die Scheibe von A bis Z, so dass zumindest stilistisch und formell keine Wünsche offen bleiben. Dafür steht auch das sehr klassiche, wenn auch nicht unbedingt besonders originelle Adrian-Artwork.
Dann bleibt da aber noch die Frage nach der Qualität der Umsetzung des lobenswerten Vorhabens, die sich vor allem an den Punkten der produktionstechnischen Gestaltung und der Schlüssigkeit des Songwritings wird festmachen lassen. Zunächst sei zum Sound gesagt, dass die Gitarren saftig und präsent klingen, allerdings auch ein wenig klar und poliert, einen wirklich fiesen Crunch entwickeln sie nicht, doch die Erwartungshaltung, dass die Band heute nochmal einen Sound wie zu Zeiten von "Gates To Purgatory" fahren könnte, wäre eh verfehlt. Das trifft natürlich auch auf das Schlagzeug zu, welches in der Tat nicht so klingt, als hätte man es im Studio live mit dem Mikrophon abgenommen. Es ballert schon ein wenig steril und wuchtig, wirkt aber im Gesamtbild der Produktion nicht unbedingt unpassend. Alles in allem ist die Produktion in Ordnung, durchaus ein Stück besser als auf den beiden Vorgängeralben, aber auch keine wirkliche Offenbarung.
Befassen wir uns also zum Schluss der Betrachtung mit der Klasse der Songs, und hier bin ich der Meinung, dass die sich durchaus sehen lassen kann. Flotter Piratenmetal findet sich beim tollen Opener 'Soldiers Of Fortune', beim rhythmischen, wenn auch etwas vorhersehbaren 'Adventure Highway' oder beim im Gitarrenbereich bestechenden 'The Drift', das locker als eines der Highlights des Albums durchgeht. Ein weiteres wäre das folgende, halbballadeske und etwas kitschige, aber sehr eingängige und überzeugende 'Desert Rose' oder auch der lange, etwas perseverative Epic 'Bloody Island', welcher das reguläre Album in der Tradition von 'Treasure Island' beschließt, ohne dessen Klasse ganz zu erreichen. Vor allem hätte ein veritabler Zehnminüter etwas mehr Text und Storyline verdient gehabt. Einige Songs wie etwa das rockige Titelstück oder das im Chorus etwas punkige 'Run Riot' hängen ein wenig durch und überzeugen kompositorisch nicht so ganz, 'Fireheart' krankt ein wenig am Refrain und das groovende 'Down The Wire' hätte gerne etwas metallischer geraten dürfen. Doch die Schattenseiten der Scheibe sind klar in der Minderzahl, da zuletzt auch das teutonisch stampfende 'Crystal Gold', und mit 'Payola & Shenanigans' auch einer der beiden Digipack-Bonüsse absolut überzeugen können.
Zurück bleibt damit die Erkenntnis, dass sich die Fregatte tatsächlich im Aufwind befindet und mit "Resilient" ihr vermutlich bestes Album seit "The Rivalry" (1998) abliefert. Dass das im Zweifel nicht reichen wird, um die bereits abgewanderten Altfans zurückzugewinnen, die der Band in den letzten fünfzehn Jahren früher oder später adieu gesagt haben, liegt auf der Hand. Wer die Band indes bisher nicht fallen gelassen hat, sondern auch an den letzten vier Alben noch seine Freude hatte oder ihnen zumindest etwas abgewinnen konnte, der kann sich auf ein Album freuen, das einen klaren Schritt nach vorne markiert. Dass es bei mir persönlich damit für doch recht stattliche neun Punkte reicht, das ist der langjährigen Hingabe an diese Band geschuldet, und liegt daran, dass das Hören dieser Riffs und dieser Stimme für mich nach wie vor ist wie "Heimkommen". Weniger sentimentale Hörer mögen im Geiste bitte ein Pünktchen abziehen, doch wer sich bei Rolf & Co. noch heute zu Hause fühlt, der macht mit "Resilient" sicher nichts falsch.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle