RUSH - Clockwork Angels
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2012
Mehr über Rush
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Roadrunner (Warner)
- Release:
- 08.06.2012
- Caravan
- BU2B
- Clockwork Angels
- The Anarchist
- Carries
- Halo Effect
- Seven Cities Of Gold
- The Wrecker
- Headlong Flight
- BU2B2
- Wish Them Well
- The Garden
Die kanadische Legende proggelt sich erneut in unsere Herzen.
Ein Album des kanadischen Wundertrios RUSH ist immer eine besondere Angelegenheit. Immerhin hat die Band es bisher geschafft seit 1974 und achtzehn – oder neunzehn, wenn man "Feedback" mitzählt – Alben, keinen schlechten Song abzuliefern. Welche andere Band kann das über so eine Distanz von sich behaupten? Es mag an der Beständigkeit der Besetzung liegen, denn außer einer Umbesetzung am Schlagzeug nach dem ersten(!) Album, gab es bei RUSH in den letzten achtunddreißig Jahre keine personelle Veränderung. Es mag daran liegen, dass die Herren sich niemals in das handelsübliche Zeitkorsett pressen lassen. Den obligatorischen Ablauf, dass man jedes Jahr ein Album veröffentlichen muss, ignoriert man im Hause der Progosaurier mal geflissentlich. So auch dieses Mal. Etwas war allerdings doch anders: Es gab nämlich drei Songs als digitale Singles vorab im Netz. Das waren der Albumöffner 'Caravan', das nachfolgende 'BU2B' und später noch das lange 'Headlong Flight'.
Drei Songs, die, obwohl sie sehr unterschiedlich klingen, trotzdem eines klar machen konnten: Die Musik auf "Clockwork Angels" wird erneut sehr wuchtig und auch modern klingen. Und mit Nick Raskulinecz (FOO FIGHTERS, DEFTONES u.a.) hat man offensichtlich exakt den richtigen Mann für den Klang gefunden. Der Sound ist gigantisch, weiträumig, luftig, extrem transparent und seltsamerweise altmodisch und zeitgemäß gleichzeitig. Alles klingt warm und beinahe live eingespielt. Und wenn man sich Videos von den Aufnahmen des Albums anschaut und sieht, wie Nick mit einem Taktstock Neil beim Einspielen der Drumtakes dirigiert anstatt ihm einen Klicktrack auf die Ohren zu schnallen, ahnt man, wie wichtig es den Akteuren war, hier kein steriles Prog-Rock-Album abzuliefern. Ein Vorwurf, den Unwissende der Band ja gerne unterstellen. All denen kann ich schon im Vorfeld mit auf den Weg geben: "Clockwork Angels" ist ein sehr aufregendes und lebendiges Scheibchen, welches man entdecken kann und möchte. Eines dieser Alben, welches bei den ersten Durchläufen ein mittelgroßes Fragezeichen im Wahrnehmungszentrum entstehen lässt, aber auch Begeisterung erzeugt und den einen oder anderen vermeintlichen Hit preisgibt.
Auch, wenn der eine oder andere die oben erwähnten Nummern bereits seit ein paar Monaten kennen wird, nenne ich gerade das herrlich mitreißende 'BU2B' sofort, wenn es darum geht, die schnell entflammbaren Hits zu entdecken. Eine Nummer, mit einem unglaublichen Drive, einer tollen, leicht orientalisch anmutenden Melodie und einem wunderschönen Solo von Alex. Des Weiteren bleibt das tolle 'Carnies' sofort im Ohr haften. Wütendes Drumming, eine fantastische Gesangsmelodie, die in einem großartigen Chorus gipfelt machen diesen Song zu einem echten Gourmethappen.
Die zweite Hälfte des Albums verblüfft anfänglich mit einer sehr großen Bandbreite, vielschichtiger Saitenlasagne und unerwarteten Keyboardeinlagen. Alle diese Zutaten sind aber so spannend angerichtet, dass man unwillkürlich auf wiederholte Entdeckungsreise gehen möchte. Und schnell wird diese Reise belohnt. Das bereits bekannte 'Headlong Flight' begeistert mit luftigen Bassläufen, die im Übrigen auf dem gesamten Album fröhlich verteilt sind, und hat einen sehr energischen Groove. Gerade Neil Peart tobt sich auf dieser rockigen Nummer völlig aus. Unglaublich mit welcher Energie der gute Mann noch sein Instrument verprügelt und dabei natürlich die technische Finesse nicht missen lässt. Und es wäre nicht diese kanadische Trio, wenn es nicht kurz vor Schluss noch ein überraschendes, beinahe improvisiert klingendes Solo von Lifeson geben würde. Total abgefahren. Noch abgefahrener sind aber die beiden HighHighlighs des Albums: 'The Wrecker' und 'The Garden'. Während die erstgenannte Nummer mit einer Gesangsmelodie um die Ecke kommt, bei der ich jedes Mal dahinschmelze und einen Chorus ausfährt, der den Hörer umarmt und nicht wieder loslässt, ist das abschließende 'The Garden' vielleicht die emotionalste Nummer aus dem Hause RUSH. Eine gefühlvolle Ballade, bei der gerade Geddy Lee mit einer Gesangsleistung imponiert, die ich ihm kaum zugetraut hätte. Das traumhafte Zusammenspiel von Gitarre und Synthesizern in gerade in dieser zerbrechlichen und doch kraftvollen Nummer kann einfach niemanden kalt lassen. Und wenn Alex dann schlussendlich über einem synthetischen Zirpen sein Solo ausfaltet, tröpfelt sicherlich die eine oder andere Träne aus den Augenwinkeln. Beeindruckender kann man ein Album nicht beenden.
Ich tue mich recht schwer nach so kurzer Zeit und maximal zehn Durchläufen so eine Scheibe zu bewerten, vor allem, weil ich bei dieser Band natürlich eine gigantische Erwartungshaltung habe, komme aber genau jetzt zu folgendem höchst subjektiven Ergebnis: Für mich ist "Clockwork Angels" die beste Scheibe der Band seit "Counterparts". Und dieses Album ist in meiner Gunst sehr hoch. Im Verhältnis zu den relativ kühlen letzten beiden Silberlingen, werden hier ganz große Gefühle vermittelt. Amüsante Details, wie die Uhrzeit auf dem Cover, ergänzen sich zu den kleinen Feinheiten in der Musik an sich. Und dass man textlich ebenfalls wieder höchst interessante Kurzgeschichten über einen jungen Mann, der es auf der Suche nach seinem Traum unter anderem mit Alchemie, Piraten, Anarchisten und einem exotischen Karneval zu tun bekommt, ist da nur logisch. Spannend, wie die Musik.
Anspieltipps: The Wrecker, The Garden, Carnies, Headlong Flight, Wish The Well, Clockwork Angels, The Anarchist
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Holger Andrae