S.Y.P.H. - 4.LP
Mehr über S.Y.P.H.
- Genre:
- Avantgarde
- Label:
- MIG
- Release:
- 29.06.2012
- Die Deep
- Hänschen Horror
- Lämmerschwanz
- Nachbar
- Satarasch
- Little Nemo
Avantgarde-Klassiker? Oder klangtechnisches Allerlei?
Es begab sich in den frühen Achtzigern, als Harry Rag Kontakt zum Umfeld der Krautrock-Legende CAN aufnahm, die mit ihren immer abgefahreneren Klangspielereien neue Akzente im Bereich der Avantgarde setzten. Den Punk-Spirit noch in den Ohren, die frühen Gehversuche der NDW als Aushängeschild und eine progressive, eben krautige Basis als Grundvorstellung - all das sollte auf "4.LP" vermengt werden. Doch was die Musiker im Verbund mit Harald Czukay auf die Beine stellten, widersetzte sich gegen jedwede kompositorische Vernunft, zumindest für den strikt denkenden Puristen. Doch das neue Bündnis ließ sich nicht beirren und trieb die Freude an den eigenen Experimenten an alle erdenklichen Grenzen.
Nachzuhören ist dies nun ein weiteres Mal auf dem bereits zweiten Re-Release dieses durch und durch seltsamen Werkes. Nicht nur, dass das Songwriting überhaupt keinem einzigen Schema folgt, auch die Art und Weise, wie die aufgezeichneten Klänge zustande kamen, war für die Musiker damals Neuland. Insofern klingt "4.LP" wie eine rauschende Naturaufnahme, die von einer klassischen Bandbesetzung begleitet wird: Manchmal intensiv, manchmal arg verstört, oftmals abrupt endend, dann wieder völlig freizügig jenseits aller erprobten, musikalischen Verhaltensmuster. Die fünf Songs pendeln zwischen wahnwitzig verrückt, monumental aussagekräftig, völlig plump, durchgedreht experimentell, natürlich, künstlich und einzigartig. Von daher ist es auch kaum möglich, das zu beschreiben, was auf diesem Album vor sich geht. Mal erlebt man zwei kurze Klangcollagen in 'Die Deep' und 'Hänschen Horror', dann wiederum spürt man, wie der musikalische Minimalismus dennoch sehr expressiv dargestellt und vertont werden kann. 'Nachbar' und 'Little Nemo' mit ihren 12, respektive 18 Minuten Spielzeit, lassen da alle erdenklichen Räume offen.
Letzten Endes kann man eigentlich nur festhalten, dass sich S.Y.P.H. ihre eigen(willig)e Interpretation des Punk auf allzu avantgardistische Weise zunutze gemacht und ein Süppchen gekocht haben, dass keinesfalls sofort mundet, bei tieferer Ergründung aber doch als experimentelles Kunstwerk betrachtet werden darf. Und gerade vor dem Hintergrund, dass diese Scheibe bereits 30 Jahre auf dem Buckel hat, muss man vor der künstlerischen Leistung der Herren Musiker den Hut ziehen - auch wenn eine Platte sperriger kaum sein könnte als "4.LP".
Anspieltipps: Nachbar, Little Nemo
- Redakteur:
- Björn Backes