SANTIANO - Von Liebe, Tod und Freiheit
Mehr über Santiano
- Genre:
- Seemannslieder
- ∅-Note:
- 6.50
- Label:
- Universal
- Release:
- 29.05.2015
- Lieder der Freiheit
- Rolling The Woodpile
- Die letzte Fahrt
- Johnny Boy
- Seine Heimat war die See
- Fresenhof
- Joho und ne Buddel voll Rum
- Under Jolly Roger
- Der Alte und das Meer
- Sturmgeboren
- Richtung Freiheit
- Rungholt
- Kinder des Kolumbus
Do what you want, 'cause a pirate is free...
Es ist schon erstaunlich, auf welcher Erfolgswelle die freibeuternden Altherren von SANTIANO noch vor kurzer Zeit schwammen. Sie waren in aller Munde, bewegten mit ihren folklorischen Seemannsliedern Jung und Alt gleichermaßen und traten selbst auf den größten Festivals dieses Landes auf. Der Hype kannte nach der Debütveröffentlichung kein Halten mehr: ECHO-Auszeichnungen hier sowie Platin- und Diamond-Erfolge dort, schunkelnde, trinkfeste Rentner lagen sich mit der feierwütigen, freidenkenden Adoleszenz in den Armen und sangen gemeinsam von Seeräubern, der Kameradschaft und der Freiheit auf See. Und auch "Mit den Gezeiten" überzeugte trotz oder gerade wegen der überwiegenden Anzahl an Eigenkompositionen und hielt das Schiff auf Kurs.
Doch wie jeder andere Hype zuvor scheint SANTIANO langsam aber sicher in ruhigeren Gewässern einzulaufen. Obwohl "Bis ans Ende der Welt" samt Sonderedition immer noch hohe Wellen schlug, war es in den letzten Monaten recht ruhig um die Nordköppe, die nun jedoch mit ihrer dritten Scheibe "Von Liebe, Tod und Freiheit" im Hafen eintreffen. Obwohl Album Nummer drei weiterhin zahlreiche Ohrwürmer, Mitgröhlnummern und handwerklich gute Hausmannskost zu bieten hat, ist der Überraschungseffekt bei SANTIANO langsam aber sicher am Ende.
Das soll jedoch nicht heißen, dass "Von Liebe, Tod und Freiheit" ein schlechtes Album ist. Im Gegenteil: Wer bis dato mit der wetterfesten Mixtur aus Volksmusik, Pathos, irischem Folklore, Shanti und massentauglichen Refrains viel anfangen konnte, wird auch anno 2015 keinen Schiffbruch erleiden. 'Die letzte Fahrt', das balladeske 'Seine Heimat war die See' und 'Sturmgeboren' beispielsweise sind allesamt potentielle Ohrwürmer, die seemannsfrisch und unbekümmert vor sich hin schlendern. Stets werden Assoziationeen an einen Hamburger Seefahrer höheren Alters geweckt, der genüsslich an seiner Pfeife nuckelt und mit sich und der Welt im Reinen dem Horizont entgegen segelt. 'Rolling The Woodpile', 'Richtung Freiheit' und 'Joho und ne Buddel voll Rum' sind ähnlich ausgerichtet, kommen aber um einiges forscher und partytauglicher daher. Aber auch die OLDFIELD-Improvisation 'Lieder der Freiheit' und das Traditional 'Fresenhof' kann man sich getrost anhören. Melancholie, Fröhlichkeit und Melodie geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand und sorgen von Anfang bis Ende für ein ach so typisches SANTIANO-Album, als gäbe es die Band schon seit Ewigkeiten.
Trotzdem ist der Drops nun endgültig gelutscht: Die textliche Ausrichtung ist auf Album Nummer drei keine Überraschung mehr, SANTIANO schwimmt ein wenig im Kreis und schafft es lediglich mit 'Johnny Boy' und 'Rungholt', das eigene Korsett ein wenig zu lockern. Die sympathischen Herrschaften laufen heute wie auch in Zukunft Gefahr, sich schlicht und ergreifend zu wiederholen und selbst dem nimmermüdesten Die-Hard-Raise-Your-Fist-Seemann ein kühnes "Kenn ich doch?" zu entlocken. Zwar sorgt diese Ausrichtung für gewisse Massenkompatiblität und einen hohen Ohrwurmfaktor, doch eine Weiterentwicklung seit "Mit den Gezeiten" ist nur mit zwei zugekniffenden Augen zu erkennen. "Von Liebe, Tod und Freiheit" spricht also nur Fans und Anhänger an, die die beiden Alben zuvor schon runtergebetet haben. Allen anderen hingegen, also auch denjenigen, die zwischenzeitlich einfach nur Bock auf eine gediegene Kaperfahrt haben, sind beim Debüt-Flaggschiff wohl an der besseren Adresse. Mit 'ner Buddel voll Pfefferminztee mit Schuss und einem Yo-Ho-Ho.
- Note:
- 6.50
- Redakteur:
- Marcel Rapp