SAVAGE GRACE - Sign Of The Cross
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2023
Mehr über Savage Grace
- Genre:
- US Metal
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Massacre Records
- Release:
- 05.05.2023
- Barbarians At The Gate
- Automoton
- Sign Of The Cross
- Rendezvous
- Stealin‘ My Heart Away
- Slave Of Desire
- Slave Of Desire
- Slave Of Desire
- Branded
Erklärungsnot.
Nein, dieses Album hätte eigentlich nie unter dem Banner SAVAGE GRACE veröffentlicht werden dürfen. Denn für sich genommen ist "Sign Of The Cross" zwar eine starke, überraschend gute Scheibe im klassischen US-Metal-Stil, doch von dem Zauber, dem nostalgischen Glanz und dieser unbarmherzigen Power der beiden 80er-Jahre-Klassiker ist das Comeback doch ein Stück weit entfernt.
Blicken wir zunächst auf einen meiner größten Aha-Momente des Jahres 2010 zurück, als ich SAVAGE GRACE in der Oberhausener Turbinenhalle für mich entdeckte: Damals fungierte der einstige und heutige Klampfer Chris Logue als einzig verbliebendes Gründungsmitglied noch als Sänger, scharte diese talentierten Musiker um sich herum, die sich später in Anlehnung an die Großtaten MASTERS OF DISGUISE nannten, und performte das Beste der "Masters Of Disguise"- und "After The Fall From Grace"-Ära. Ich glühte förmlich bei dieser Musik, war im US-Speed-Metal-Fieberwahn, und bis zum heutigen Zeit gehören diese beiden SAVAGE GRACE-Alben ob ihrer unperfekten Perfektion zu meinen meistgehörten Alben. So gab es im Laufe der darauffolgenden dreizehn Jahre immer wiederkehrende Comeback-Gerüchte und – siehe da, oh Wunder – diesmal ist SAVAGE GRACE wirklich wieder da: Chris schwingt wieder seine Axt, hat mit Gabriel Colón einen noch recht unbekannten Stern ans Mikrofon gestellt und das Line-Up mit Fabio Carito am Bass und Marcus Dotta hinter der Schießbude komplettiert. Und natürlich – daran führt kein Weg vorbei – muss sich bei dem Namen SAVAGE GRACE das neue Album schlichtweg an den Werken der 1980er Jahren messen lassen. Chris hätte die Band umbenennen können, aber so zieht bei diesem zugegeben recht unfairen Vergleich "Sign Of The Cross" klar den Kürzeren. Trotzdem meckere ich im Folgenden auf hohem Niveau, denn das neue SAVAGE GRACE-Album ist, wie schon erwähnt, per se eine gute US-Metal-Scheibe.
Ein Blick aufs Artwork, in die veröffentlichten Videos, auf offizielle Bandfotos genügt, und die Trimmung auf die 1980er Jahre wirkt heuer recht zwanghaft. Hinzukommt, und nun legen wir "Sign Of The Cross" in voller Länge auf, ein Sound, der zu druckvoll ist, um das Rohe der Klassikeralben in die Neuzeit zu hieven. Vielleicht bin ich bei aller Kritik einfach ein zu großer Romantiker dieser musikalischen Ära, doch um ob dieses Comebacks in Euphorie zu verfallen, fehlt es an einigen Ecken und Enden einfach am Besonderen. Das Besondere, das Mike Smith oder auch Longue persönlich am Mikrofon ausstrahlten, das Glorreiche, das Hits wie 'Master Of Disguise', 'We Came, We Saw, We Conquer' oder 'Into The Fire' ausstrahlten, das Fiese Knutsons, dieses Unsterbliche, das die beiden Alben einst symbolisierten. Ein Gefühl, als ob "Sign Of The Cross" an dieser Unantastbarkeit kratzen würde. Trotzdem ist dieser Band, die zufälligerweise auch SAVAGE GRACE heißt, aktuell für sich genommen ein gutes Album gelungen. Warum ist das so?
Nun, wir haben Songs, die bei mehrmaligem Hören schlichtweg Bock machen, deren Refrains sich ob des charismatischen Gesangs tief festsetzen, Hooklines und Riffs, die hängenbleiben und Darbietungen wie 'Barbarians At The Gates', des Titeltracks oder 'Branded', die coolen, recht nostalgischen US-Metal zu bieten haben. Das Riffing vom rockigen 'Automoton' und dem 'Land Beyond The Walls'-Groover machen Lust, die Luftgitarre zu schwingen, und dass trotz der merkwürdigen Titel auch 'Slave Of Desire' oder 'Star Crossed Lovers' gefallen, diese Songs auch das gewisse Extra haben, hätte man im Vorfeld auch nicht erwartet. Dagegen wirken 'Rendezvous' und 'Stealin' My Heart Away' doch schwächer und können das Niveau des Rests nicht erreichen. Und da beide Songs direkt aufeinanderfolgen, flacht die Platte in der Mitte ab, bekommt jedoch noch die erhoffte Kurve. Den recht belanglosen 'Helsinki Nights'-Bonus hätten sich Logue und Co. allerdings auch schenken können.
Wir halten also fest: "SIgn Of The Cross" ist ein gutes Album, was dem Namen SAVAGE GRACE allerdings nicht gerecht wird. Dafür waren die majestätischen Songs auf "Master Of Disguise" und "After The Fall From Grace" zu unantastbar, der korrupte Cop Knutson zu schelmisch, die Band zu bockstark in einem absoluten US-Speed-Metal-Rausch, die Rohdiamanten von einst zu faszinierend und an Glanz nicht zu übertreffen. Ob es zudem anmaßend ist, diesen Bandnamen ob nur eines Originalmitglieds erneut zu nutzen, sollte jeder für sich entscheiden. Doch wenn man wie Logue oder Icarus zu einstigen, nicht mehr erreichbaren Sonnen greift, kann man sich verbrennen. Verletzt hat sich der gute Chris heuer nicht, hätte aber mehr erreicht, wenn er das Vermächtnis SAVAGE GRACEs hätte ruhen lassen, indem er sich eines komplett anderen Bandnamens bedient hätte.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Marcel Rapp