SCARLET DRESS - Endless
Mehr über Scarlet Dress
- Genre:
- Ambient Metalcore / Progressive Metalcore
- ∅-Note:
- 6.00
- Label:
- Eigen
- Release:
- 28.02.2019
- Onset
- Nucleus
- Limerence
- Rupture
- Words Whispered
- Interlude
- Withdrawn (ft. Jordan Chase)
- Evade (ft. Alan Rigdon)
- Empty Breathing (ft. Josh Ford)
Edle Verpackung, qualitative Schwankungen beim Inhalt
So ziemlich alles an "Endless", dem Debütalbum des internationalen Duos SCARLET DRESS, ist auf den ersten Blick ungewöhnlich: die Internetkollaboration der beiden Musiker aus Indien und den USA, das inhaltliche Konzept des Albums, auf dem jeder der zehn Tracks andere Geistes- und Emotionszustände des Menschen reflektieren soll, die futuristisch-philosophisch bildliche Gestaltung (besonders die faszinierenden Artworks zu den einzelnen Songs) – von außen betrachtet sind die Voraussetzungen für einen Rohdiamantenfund gegeben.
Der musikalische Output von "Endless" offenbart allerdings neben einigen Lichtblicken auch zahlreiche Schattenmomente. Progressive Metalcore? Hier gibt's in erster Linie die mittlerweile altbekannte Mischung aus kaltem Djent, technischem Metalcore und Ambient-Sounds, wie wir sie in den vergangenen Jahren leider schon zu oft gehört haben. "Progressiv" ist eben ein arg dehnbarer Begriff geworden... Doch zurück zu "Endless": Nach einem atmosphärischen Kurzintro gibt es mit 'Nucleus' zunächst eine unerwartet derbe djentige Core-Attacke - AUGUST BURNS RED meets MESHUGGAH quasi. Der klar gesungene und besinnlich-melodisch unterlegte Refrain zieht diesem fiesen Miststück beinahe den Stöpsel, mit weiteren Aggro-Parts und einigen amtlichen Breakdowns bekommt SCARLET DRESS aber wieder die Kurve und setzt mit dem zunächst hypnotischen, schließlich chaotischen Schlussteil einen schmackhaften Schlusspunkt. 'Limerence' klingt mit den generischen Metalcore-Grooves und Elektro-Effekten hingegen schon sehr stark nach den Inspirationsquellen der beiden Musiker Michael Rodriguez und Sushant Vohra, die sie selbst mit ERRA, BREAKDOWN OF SANITY und MISS MAY I benennen. Immerhin bleibt das Duo beweglich und setzt an dritter Stelle mit 'Rupture' ein ebenso brachiales wie nachdenklich stimmendes Highlight: Es gibt einen in wüsten Deathcore-Gefilden pflügenden Aggro-Part, quietschende Gitarrenobertöne, flirrende Melodiebögen und eine feierliche Zuspitzung, ehe headbangtaugliche Midtempo-Rhythmen auf den gemächlichen, aber irgendwie eindrücklichen Schlussteil hinführen. Starke Nummer.
Was allerdings im Anschluss passiert – und es sind immerhin noch fünf von neun Songs übrig - ist mir unerklärlich. Plötzlich gehen mehrere Klargesangspassagen aufgrund von schmerzhaften Unsauberkeiten in die Binsen, das Songwriting verliert sich in arg generischen Elementen, die zunächst vorteilhafte Wandelbarkeit von Rodriguez und Vohra schwenkt um zu Beliebigkeit. Es mag ja anspruchsvoll weitergehen, doch das Gros der verbliebenen Stücke ödet an, und SCARLET DRESS begibt sich in die zweifelhafte Gesellschaft von stagnierenden Genregrößen Marke NORTHLANE oder ziellosen Untergrundkapellen wie UNTIL THE UPRISING. Lahmes Gebreakdowne, immergleiches heiseres Geschrei, sphärische Einsprengsel aus dem Baukasten – auch die Gastbeiträge von Jordan Chase (SHREDDY KRUGER), Josh Ford (THE LUMINARY) und Alan Rigdon (ex-ERRA, beim immerhin ordentlichen Instrumental 'Evade') helfen da nur noch unwesentlich.
Die unten genannten Tracks auf eine EP gepackt, und ich wäre begeistert gewesen. "Endless" als Ganzheit verliert mich nach der vierten Nummer völlig, und zugute halten lässt sich SCARLET DRESS da nur noch die kreative Arbeit bei den ersten Stücken sowie die ordentliche Instrumentalarbeit. Potential hat das indisch-nordamerikanische Zweiergespann definitiv, für ein Nachfolgealbum steht aber noch einiges an Feinschliff an – dazu gehörte übrigens auch ein besserer Mix; das Schlagzeug legt beständig einen nervigen Beckenteppich über die Songs.
Anspieltipps: Nucleus, Rupture, Evade
- Note:
- 6.00
- Redakteur:
- Timon Krause