SCHWEISSER - Willkommen im Club
Mehr über Schweisser
- Genre:
- Thrash Metal
- Label:
- Bullet Proof / Intercord
- Release:
- 07.03.1996
- Ärger
- Der Spinner
- Willkommen im Club
- Immer im Kreis
- Malaria
- Wolfen
- Mannstoppwirkung
- Weg
- Krieg im Kopf
- Irgendwannmal
- Was denn sonst
- Demuth
Ich musste in letzter Zeit leider immer wieder feststellen, dass vielen Metalheads der Bandname SCHWEISSER nichts sagt. Dabei sollte das alteingesessene Quintett aus München eigentlich ein Pflichtprogramm für alle Freunde der harten Musik sein. Gestartet 1989, veröffentlichten SCHWEISSER (damals noch unter dem Namen DIE SCHWEISSER unterwegs) nach ihrer Mini-LP "Schwarze Platte" 1991 mit "...auf der Autobahn zur Hölle" ihren ersten Longplayer. Das Teil war eine reinrassige Punkrock-Platte in bester ÄRZTE-Tradition und schreckte viele Hörer eher ab als sie zu begeistern.
Umso überraschender war der Stilbruch, den sie bereits mit 1994 ihren Zweitling "Eisenkopf" begangen. Das Album war eine knallharte Metalscheibe mit kompromisslosem Sound und sehr tiefen und kryptischen Texten. Die besondere Prise war ein Saxophon als ständiges Instrument, ein absolutes Novum im Metal-Bereich.
Als Nachfolger diess Quasi-Meilensteins hatte "Willkommen im Club" ein schweres Erbe anzutreten. Es wurden hohe Erwartungen gestellt, und das Album erfüllt sie wirklich alle mit Bravour. Nicht nur dass SCHWEISSER es schaffen, die Kompromisslosigkeit und die Härte des Vorgängers mitzunehmen, es gelingt sogar, das Konzept "Metal mit Saxophon" weiter auszufeilen und noch griffiger zu machen. Gitarre wie Bass sind wieder gleichermaßen stark vertreten, wobei speziell der Bass in seinen Solo-Momenten ein ums andere Mal zu glänzen weiß.
Das Album startet ohne Umschweife mit 'Ärger', einem Song, der wahrlich keine Gefangenen macht. Der blecherne Bass ist hier von Beginn an das treibende Instrument, unterstützt von ziemlich schrägen Saxophon-Linien. Der Name des Tracks ist bezeichnend, den schon bevor Vocalist Tommi Böck dem Hörer seine Texte entgegen bellt, ahnt man, dass sich hier wirklich Ärger anbahnt. Böcks Stil ist sehr eigen, und seine Texte im deutschsprachigen Metal-Bereich wirklich ganz vorne mit dabei. Mag das in 'Ärger' auch noch nicht ganz so klar werden, im Verlauf der Platte festigt sich dieser Eindruck. SCHWEISSERs Sound ist vor allem eins: brachial. Das man dabei nicht das Gefühl für die Melodie verliert, beweist das bereits gepriesene Saxophon, das auf diesem Album mehr Soli spielt als beide Saiten-Instrumente zusammen.
'Spinner' geht beinahe genauso aufs Hirn wie sein Vorläufer. Kenner der "Eisenkopf" werden mit Wohlwollen feststellen, dass SCHWEISSER nichts von ihrer Wut verloren haben und sie genauso konsequent und vernichtend umsetzen wie auf dem 94er-Output. Böck singt hier einen Text aus der Sicht eines klassischen gesellschaftlichen Außenseiters und bringt das Ganze dabei äußerst glaubwürdig rüber. Untermalt von einem netten akustischen Riff flüstert er in den Breaks zwischen dem songtypischen Geschredder eine halb-wütende, halb-verzweifelte Bitte, endlich in Ruhe gelassen zu werden.
Und während seine Bitte zum Songende noch ausklingt, gibt es mit dem ultrastarken Titeltrack gleich die nächste Nummer um die Ohren. Das Tempo nimmt etwas ab, dafür presst Böck seine Vocals aggressiv und unterdrückt zugleich heraus. Im Refrain gibt es dann eine faustdicke Überraschung, nämlich eine Frauenstimme! Die passt wirklich gut in das Songgefüge und gibt dem Ganzen noch eine interessante Facette mehr. Apropos Facetten, dass SCHWEISSER nicht nur prügeln können beweist gleich darauf 'Immer im Kreis'.
Wehender Wind und ein zurückhaltender Basslauf eröffnen den Track, und wie aus weiter Ferne hört man schließlich den verstromten Sechssaiter und Böcks gesprochenen Text. Das Arrangement klingt so vage, dass man sich manchmal wirklich fragt ob man die Stimme wirklich hört oder nur träumt. Atmosphärisch ganz groß! Und wenn dann zum Refrain die Band wieder in normaler CD-Qualität losdonnert, ist man froh, dass es kein Traum war. 'Malaria' hat eine ähnliche Stimmung im Gepäck. Hier singt der gute Herr Böck sogar mal richtig und macht dabei gar keine schlechte Figur.
Bei 'Wolfen' will man dann erst einmal gar nicht glauben, dass man die selbe Band vor sich hat. Mal wieder gibt der viersaitige Tieftöner den Ton an, aber Böcks knurrende und tiefe Vocals sind doch erst einmal gewöhnungsbedürftig. Dazu kommt der ungewohnt tierhafte und blutrünstige Text, der aber wunderbar zum Titel passt. Der fällt wohl am ehesten in die Kategorie "fiese Ballade" und ist ein wahres Highlight der Platte. Von langsamem Tempo kann bei 'Mannstoppwirkung' (ist das schon Neologismus?) keine Rede mehr sein. Hier kriegt man einen astreinen Death-Metal-Song vorgesetzt, dessen Text man ohne das glücklicherweise beiliegende Textbooklet nicht verstehen würde.
'Weg' ist auch nicht gerade langsam, aber eine ganze Ecke grooviger als 'Mannstoppwirkung'. In Verbindung mit dem etwas paranoiden Songtext ein idealer Track für die Autobahn. Dass Böck es irgendwie mit Geisteskrankheiten hat, sieht man wunderbar an 'Krieg im Kopf'. Textlich der Inbegriff der Schizophrenie, versteckt sich hier der vielleicht stärkste Song der Platte. Die Wut und die gleichzeitige Hilflosigkeit, die in diesem Lied stecken, reißen einfach mit. Der Sound ist mal wieder glänzend dicht und schön räudig. Die Background-Vocals des Refrains übernimmt mal wieder die ominöse Frauenstimme, und die Punchline "Krieg im Kopf!" lädt zum hemmungslosen Mitgrölen ein.
Dann schlägt die Stimmung noch einmal um. 'Irgendwannmal' ist wieder eine ganze Ecke mysteriöser und beherbergt in den Strophe wieder diese herrliche gepressten Vocals. So genial diese auch sind, der tiefere Sinn des Refrains ist mir bis heute verborgen geblieben. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so wichtig, denn die Atmosphäre stimmt, und spätestens wenn Böck sich beim sich ständig wiederholten "Irgendwannmal"-Knurren immer weiter aufbaut und reinsteigert, ist man wieder versöhnt.
Ganz im Stil von 'Weg' ist auch 'Was denn sonst' ein richtig schönes Stück für die Straße. "Der Schlüssel steckt, der Motor läuft..." - ein Gefühl, das man aufgrund des musikalisch gut umgesetzten Themas wunderbar nachvollziehen kann. Und wer bei dem im Chor gebrüllten "Vollgas!" nicht Lust verspürt, mal so richtig die Sau rauszulassen, dem ist wohl nicht zu helfen. Ob der Track allerdings so förderlich für das Flensburger Punktekonto ist, wage ich an dieser Stelle zu bezweifeln.
Mit dem Rausschmeißer 'Demuth' erweitert man das Themenfeld der Songs noch um eine weitere Variante: die Religionskritik, ein Thema, das auch auf der späteren Platte "Heiland" noch mal zum Tragen kommen wird. Untermalt von einem monotonen und bedrohlichen Klangkostüm murmelt Böck beschwörerisch die Worte einer blind folgenden Masse ("So sprich nur ein Wort, und wir folgen dir, egal warum, egal wohin"), um sie dann im Refrain auf den Punkt genau zu kritisieren ("Wir sind zu feige unser Leben selbst zu lenken"). Als wohl epischstes Stück der "Willkommen im Club" ist es die ideale Plattform für das Ende des Albums, und mit einigen undefinierbar wirren Tönen des Saxophons klingt die Platte aus.
"Willkommen im Club" ist mit Sicherheit kein leicht zu verdauendes Album. Der doch sehr eigene Sound mag für einige Ohren merkwürdig klingen, macht aber gerade die Einzigartigkeit SCHWEISSERs aus. Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Element ist der Punkt Deutschsprachigkeit. Allgemein macht sie die nämlich Lieder schnell zugängig, lässt sie aufgrund hölzerner Texte doch recht lächerlich wirken. SCHWEISSER umgehen dieses Problem, indem man hier kein künstliches Sprachniveau schafft, sondern die deustche Sprache als das anwendet, was sie ist: hart, kantig, direkt - und vor allem für Metal durchaus geeignet. Und dass man thematisch trotzdem über Sex und Gewalt hinauskommt, beweisen eigentlich alle SCHWEISSER-Alben.
Schlussendlich kann man eigentlich nur noch sagen, dass "Willkommen im Club" eigentlich am besten repräsentiert, was SCHWEISSER ausmacht(e). Das Album ist nicht nur chronologisch gesehen das Bindeglied zwischen dem sehr rauhen und direktem "Eisenkopf" und der filigraneren und überlegteren "Heiland". Wer also Lust hat, sich ein Stück deutscher Metal-Geschichte zu Gemüte zu führen, wird an dieser Hammer-Scheibe absolut nicht vorbeikommen.
Anspieltipps: Immer im Kreis, Krieg im Kopf, Demuth
- Redakteur:
- Dennis Hirth