SERVANTS TO THE TIDE - Servants To The Tide
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2021
Mehr über Servants To The Tide
- Genre:
- Epic Doom Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- No Remorse Records
- Release:
- 26.03.2021
- Returning From Miklagard
- A Wayward Son's Return
- North Sea
- On Marsh And Bones (The Face Of Black Palmyra)
- our Sun Will Never Shine For Me
- A Servant To The Tide
Ein erstaunlich starkes Debüt wird herübergespült.
Wenn du noch keinen Eintrag bei Metal Archives hast, dann musst du als Band echt neu am Start sein. Die Infos über SERVANTS TO THE TIDE entstammen also primär ihrer Bandcamp-Seite. Los geht es also mit einer selbstbetitelten Debüt-Scheibe. Versprochen wird uns von den wohl auf Deutschland verteilt wohnenden Jungs epischer Doom. Das wir dabei auf See hinaus schippern, ist zu erwarten, wenn man sich das phänomenale Artwork anschaut, das natürlich auch super zu den Funeral-Doomstern AHAB passen würde.
Mit einem stimmungsvollen Präludium, mit Akustikgitarre und getragenem Gesang, steigen wir ein in insgesamt 34 Minuten epischen Metal. Das Riffing ist absolut im Doom der CANDLEMASS-/SOLITUDE AETURNUS-Schule verortet. Alles wurde wohl an einzelnen Orten eingespielt und dann zusammen gebastelt. Dafür klingt alles sehr organisch und stimmig, es entsteht durchaus ein gewisses Bandfeeling beim Anhören. Der Gesang ist teils geschickt mehrstimmig, ohne dabei chorischen Charakter zu erreichen. Dies fördert das Volumen des Klangbilds erheblich, ebenso wie das sehr präsente Schlagzeugspiel des bisher quasi unbekannten Schlagzeugers Lucas Freise.
In den Gitarrenharmonien der Soli schimmert ganz frühe MANOWAR-Arbeit durch, und natürlich ist der gedankliche Sprung zu ATLANTEAN KODEX nicht weit. Mastermind hinter dieser Geschichte ist Leonid Rubinstein, der Gitarren, Bass und die (wenig präsenten) Keys eingespielt hat. Bei zwei CRAVING-Alben war er am Bass tätig, die allerdings völlig an mir vorbei liefen. Der Opener 'A Wayward Son's Return' ist stark und bietet relativ typischen Epic Metal.
Doch 'North Sea' ist noch eine gute Spur stärker einzuschätzen. Der Klaviereinsatz und die Gesangslinien sind phänomenal. Die Nummer kombiniert epischen Metal mit einer leicht gotischen Note und erinnert mich ein wenig an SAVIOUR MACHINE oder VENI DOMINE. Sänger Stephan Wehrbein macht eine großartige Figur, und auch wenn der Sound hier etwas demolastiger klingt, handelt es sich doch um eine Song-Perle, die hoffentlich von vielen entsprechend gewürdigt wird. Der Einstieg in einen SORCERER-mäßigen Doom-Song ist von hohen Power-Metal-Screams gekrönt worden. Der Pianopart im späteren Drittel erzeugt dann mit wenig Einsatz viel Wirkung. Chapeaux! Und der abschließende Wunsch nach Beerdigung in der Nordsee ist wahnsinnig emotional.
'On Marsh And Bones (The Face Of Black Palmyra)' klingt tatsächlich wie ein Song, auf dem gleich Messiah Marcolin loslegen müsste. Und zwar denke ich vor allem an die selbstbetitelte CANDLEMASS, die oft ein wenig unterschätzt wird. Durch den Gesang von Wehrbein klingt das Ergebnis aber völlig anders, als man das von der kerzenmessigen Gitarrenarbeit (beim Einstieg) her vermuten würde. Eine durchaus europäische Metalnote kommt hier dazu. Auch dieser Song ist wirklich hochklassig. 'Your Sun Will Never Shine For Me' ist fast schon kurz für diese Musik mit unter fünf Minuten Spielzeit. WHILE HEAVEN WEPT (ab 2003) lassen sich hier als Inspiration vermuten. Dabei geht die Nummer nicht ganz so zügig ins Ohr wie die vorausgehenden Titel. Der Gesang wirkt mit der Menge an Text teils etwas überfrachtet in den Strophen.
'A Servant To The Tide' dürfte relativ unbestritten einer der besten Epic-Metal-Songs des Jahres sein. Wie viel besser kann es denn noch werden? Die Latte wird hier unfassbar hoch gelegt. Die eingefügten Screams, irgendwo zwischen Death und Black Metal, passen hervorragend. Wahrscheinlich ist Paul Thureau (GORGON) aus Frankreich dafür verantwortlich. Er wird als Gast aufgeführt, aber ich kann ihn sonst keinem Song direkt zuordnen. Da GORGON wohl symphonischen Death Metal macht, würde das aber gut passen. Der zweistimmige Refrain von Wehrbein ist dann unfassbar gut, auch die akustischen Gitarreneinspieler, die sehr stimmig wieder in gekeifte Parts übergehen sind genial. Der synkopische Part nach etwas mehr als vier Minuten ist klassisch an ATLANTEAN KODEX orientiert. Aber die SERVANTS TO THE TIDE sind eigenständig genug, um keinem dieser Vergleiche wirklich zu genügen. Sie stechen aus der epischen Metalschule heraus. Das Piano-Postludium ist wiederum phänomenal. Eine echte Hymne.
Insgesamt ist das Debüt dieser bisherigen No-Names wirklich ein Ausrufezeichen. Nein, an die Großtaten von ATLANTEAN KODEX, MANOWAR, CANDLEMASS, LUNAR SHADOW, MANILLA ROAD oder ähnlichen Schwergewichten reicht es noch nicht ganz heran, das ist klar. Aber die Gezeitendiener sind sehr eigenständig, gerade der massive Piano-Einsatz, der nie kitschig wirkt, ragt hier heraus. Und einige der Songs sind wirklich famos. Wenn das Niveau durchgehend dem der beiden Anspieltipps entspräche, müsste ich wohl über 10 Punkte nachdenken. Klare Kaufempfehlung für Epiker und Doomster!
Anspieltipps: North Sea, A Servant To The Tide.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Jonathan Walzer