SHINE NOIR - Sturm Statt Drang
Mehr über Shine Noir
- Genre:
- Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Eigen
- Release:
- 06.11.2020
- Antwort Ohne Frage
- Die Nacht
- Illusion
- Spieler
- Sturm Statt Drang
- Zeitlos
- Morgen
- Kettensprenger
- Respekt
- Statussymbol
- AnfAngstEnde
Dein bittersüßer Kuss hat irgendwas entfacht!
Beim selbstbetitelten Debütalbum der Berliner Band SHINE NOIR haben sich Stärken und Schwächen die Waage gehalten und ich konnte mich nicht entscheiden, ob mir die Musik nun gefällt oder nicht. In der Zwischenzeit hat sich aber viel getan. Neben einem neuen Tieftöner namens Paule hat man eine neue Sängerin namens Luna integriert, die ihr stimmliches Gut nun in deutscher Sprache in die Songs einbringt. Wie wirkt sich dies nun in den Hörmuscheln aus ?
Nun, zunächst ging es mir sehr ähnlich wie beim ersten Album. Der etwas wässrige, flache Sound ist ein Widerstand, der erstmal durchbrochen werden muss, vor allem die Gitarren wirken für den gemeinen Rockfan arg stumpf und hintergründig. Und auch Luna, die mich wie beim auf diesen Seiten schon präsentierten Vorabsong 'Statussymbol' ein wenig an NENA erinnert, überzeugt nicht auf den ersten Hör. Doch da ist etwas in der Musik, die mich trotzdem bei der Stange hält und einen Trigger auslöst, "Sturm statt Drang" immer wieder anzuspielen. Die Musik entwickelt ganz langsam, aber sehr zielsicher an Tiefe, und während beim Tippen dieser Worte der Track 'Zeitlos' läuft, überkommt mich sogar Gänsehaut. Bis dahin ist "Sturm statt Drang" mindestens zwanzig Mal gelaufen und jedes Mal sind es andere Songs, die mir besonders auffallen. Wobei "auffallen" das falsche Wort für SHINE NOIRs Musik ist. So nebenher gehört, kann sie schnell mal vorbei rauschen und es gibt nichts, was hier unmittelbar ins Auge (oder besser Ohr) springt. Aber wenn man anfängt, auf die Texte zu achten, wenn man richtig zuhört, was die Band alles in ihre scheinbar simplen Stücke packt, wenn man sich Zeit gibt, die Songs nicht nur zu hören sondern auch zu fühlen, dann geht hier auf einmal die Sonne auf. 'Dein bittersüßer Kuss hat irgendwas entfacht', so heißt es in 'Die Nacht' und jawohl, genau so ist es!
Ich denke, ein ganz entscheidender Faktor bei SHINE NOIR war die Entscheidung, deutsch zu singen. Die Texte sind alle eine Erwähnung wert, denn sie stammen mitten aus dem Leben (dem vor Corona leider) und sprechen Situationen an, die wir alle wohl schon einmal erlebt haben. Mal geht es um den nervigen Meinungsfähnchenhisser, der alle besser weiß ('Antwort ohne Frage'), mal um den Schnösel, dem Materielles wichtiger zu sein scheint als Empathie ('Statussymbol'). Und es gibt viel Persönliches, im Kleinen wie im Großen. Wer war nicht mal in seinem Leben zu schüchtern, ein Mädchen (oder Jungen) im Bus oder Zug anzusprechen, das (den) man gut findet. Und wer hat sich nicht schon einmal gefragt, wo die Zeit denn schon wieder hingeflogen ist. Über vieles, was Luna hier besingt, darf man nachdenken, und nirgends finden sich Plattitüden, keine Textzeile ist ein Fall fürs Phrasenschwein, es gibt keinen erhobenen Zeigefinger und keine Moralpredigt. Das hebt SHINE NOIR von vielen deutschsprachigen Bands ab und genau das gefällt mir hier ungemein. Mittlerweile bin ich auch sehr begeistert davon, wie Luna diese Musik mit ihrer unprätentiösen Art zu Leben erweckt.
Ich möchte eigentlich keinen einzigen Song hier mehr missen. So bleibt das einzige Manko in meinen Ohren der Sound, den ich mir ein wenig klarer, greifbarer, krisper wünschen würde. Wobei dieses leicht Vernebelte, Verwaschene vielleicht sogar die besondere Aura erklärt, die SHINE NOIRs Musik zu durchfluten scheint. Doch bevor es hier esoterisch wird, höre ich lieber auf uns sage "Dankeschön" für die Musik.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Thomas Becker