SIGH - Shiki
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/2022
Mehr über Sigh
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Peaceville Records
- Release:
- 26.08.2022
- Kuroi Inori
- Kuroi Kage
- Shoujahitsumetsu
- Shikabane
- Satsui - Geshi No Ato
- Fuyu Ga Kuru
- Shouku
- Kuroi Kagami
- Mayonaka No Kaii
- Touji No Asa
Der Stilmix ist gewohnt wild, doch die Band verbindet alle Elemente auf einem Level kurz vor der Perfektion.
SIGH ist zweifelsfrei die bekannteste Black-Metal-Band ihrer japanischen Heimat, und das sicherlich nicht nur, weil Multiinstrumentalist Mirai Kawashima und seine Mannen zu Anfang der 1990er das Glück hatten, in den Fokus und auf das Label von MAYHEMs Szeneguru Euronymous zu gelangen. Vielmehr hat die Seufzertruppe über mittlerweile drei Jahrzehnte auch ihr unbezähmbarer Drang zur ständigen kreativen Neuschöpfung des eigenen Wesenskerns ganz fest auf der metallischen Landkarte verankert. Das ändert sich auch mit dem dreizehnten Studioalbum "Shiki" kein Stück weit, denn wie man es gewohnt ist, verbindet das erweiterte Trio auch dieses Mal wieder allerlei spannende musikalische Einflüsse mit dem gewohnt garstigen Grundgerüst aus geiferndem Black Metal, der weiterhin Kern des Schaffens bleibt, auch wenn er oftmals ziemlich gut versteckt wird. Verstärkt wird das Stamm-Line-up aus Mirai, Dr. Mikannibal und Satoshi erneut um Gitarrist Frédéric Leclercq und niemand Geringeres als Mike Heller (RAVEN, FEAR FACTORY), der erstmals am Schlagzeug Platz nimmt.
Nach dem Wechsel von Candlelight zu Peaceville Records präsentiert sich die Band wie einst bei "Infidel Art" und "Ghastly Funeral Theater" mit einem Artwork im ganz klassischen japanischen Malstil, und auch alle Texte sind in Japanisch gehalten. Nach einem kurzen Intro mit Kehlkopfobertongesang legt der stattliche Achtminüter 'Kuroi Kage' erst einmal mit einem massigen, schlurfenden Doomriff los, das eine Stimmung nach Art von CELTIC FROST erzeugt, die von einigen elektronischen Elementen alterniert wird und nach einem White-Noise-Breakdown einen bitterbösen, aber sehr verständlich artikulierten erzählerischen Rezitativ von Mirai Kawashima aufnimmt. Der prägende schwarze Doom des Stückes wird jedoch, wie es für SIGH fraglos typisch ist, immer wieder durch Weirdo Parts gewürzt, die sowohl in schrägen Pinch Harmonics, in Chorälen à la "The Omen"-Soundtrack, in griffigen und massierten Basslicks, oder in packenden Space-Gitarrensoli bestehen können. Speziell wenn nach der Hälfte das Tempo immer stärker anzieht, nur um dann wieder einen chilligen Calypso-meets-Lounge-Jazz-Part mit Dr. Mikannibals Saxophon einzubauen, ist das eine wilde Abfahrt. Das klingt für euch kakophonisch und verzettelt? Nun, ja, auf manche wirkt SIGH sicherlich in dieser Weise, doch für mein Empfinden entsteht durch das immer wieder gekonnte Wiederaufgreifen der doomigen Leitmotive des Songs ein absolut schlüssiges Gesamtwerk.
Wenn es schließlich mit dem deutlich kürzeren 'Shoujahitsumetsu' weitergeht, gebierdet sich die Band ein gutes Stück straighter, fokussierter, thrashiger und punkiger. Der rasende, explosive Knochentanz dürfte auch dem geneigten Fan von IMPALED NAZARENE hervorragend munden, wobei er durch die endverzerrten Bassbreaks, die gnadenlose Generalpause in der Mitte, und das ausufernde, flangerbeladene, klassische 1980er-Metalsolo im zweiten Teil absolut ohrenöffnende Alleinstellungsmerkmale liefert. Auch im weiteren Lauf greift die Band immer wieder ihre Kernkompetenzen auf und mischt diese neu zu spannenden Kompositionen, wie etwa bei 'Shikabane', das zwischen gruftigem, keyboardschwangerem Doom und punkig-bissigem Sprechgesang pendelt, oder beim Siebenminüter 'Satsui - Geshi No Ato', der orchestralen Gothic Metal mit abgedrehten Kammermusik-Ambient-Parts verbindet und vom Dialoggesang zwischen Mirai und Dr. Mikannibal lebt.
Highlightalarm herrscht im Anschluss bei 'Fuyu Ga Kuru', das archaischen Black/Speed Metal mit Tribal-Drum-Patterns und krautrockigen Spaceparts mit Flöten- und Altsaxophonklängen verbindet, die den Hörer zum Schweben bringen, um nur wenig später mit einem Riff-Assault zwischen IRON MAIDEN und Bay-Area-Thrash wieder brennend vom Himmel geschossen zu werden. Bei 'Shouku' blitzen immer wieder orff'sche Einflüsse und 1970er-Prog-Synth-Arpeggios durchs schwarzmetallische Flak-Sperrfeuer, während Frédéric maßgeschneiderte Soli beisteuert, bevor ein ambientes Interludium den Hörer auf das massiv spacige, weitgehend klar gesungene und von Tribal-Drumming geprägte 'Mayonaka No Kaii' mit seinen hochmelodischen Synth- und Gitarren-Leads und dem ausgiebigen Voicebox-Einsatz vorbereitet, und die Scheibe letztlich mit dem Instrumental 'Touji No Asa' über drei Minuten mit Sitar, Gamelan und Sphärensynths verklingen lässt.
Am Ende ist es aufgrund der mannigfaltigen Einflüsse einmal mehr nicht leicht, stets den roten Faden in SIGHs Oeuvre zu finden. Der Band wird daher auch gerne vorgeworfen, sich zu verzetteln und zu viele Einflüsse in ihrem Sound zu verarbeiten. Diese Einschätzung kann ich zwar ganz gut nachvollziehen, aber zum Glück empfinde ich völlig anders. Für mich ist der Stilmix völlig faszinierend, da ich darin immer wieder Elemente entdecke, mit deren Hilfe SIGH musikalische Einflüsse verarbeitet, die auch mich immer wieder beeindruckt haben, und die auf ihre spezielle Weise gute Symbionten zum wilden, ungehobelten, aber scharf akzentuierten Black Metal bilden, den SIGH spielte, würde man im Gesamtwerk alle Brüche auf den kleinsten gemeinsamen Nenner kürzen. SIGH agiert in dieser Disziplin stets kurz vor der Perfektion, und wer auf diese Trips steht, wird meine Wertung kurz vor Optimum daher auch nachvollziehen können.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle