SLOW TRAIN - Song Of The Day
Mehr über Slow Train
- Genre:
- Blues Rock
- Label:
- Sweden Rock
- Release:
- 03.03.2003
- Get Out
- Misbehavin'
- Pack My Bags
- You Should Better Know
- Insane
- Acoustic Mountain
- Love And War
- Fridays Girl
- White Light
- The Season Of Fall
Es kommt selten vor, das mich eine Scheibe vom ersten Ton an so überzeugt wie das vorliegende Werk. SLOW TRAIN aus Schweden strafen mit „Song Of The Day“ all diejenigen Lügen, die behaupten, innerhalb der bekannten Genres sei es quasi unmöglich, etwas anderes zu tun als altbekanntes wiederzukäuen. Laut Packungsbeilage spielen SLOW TRAIN Musik im Stile des britischen Blues der frühen Sechziger. Höchstwahrscheinlich sagt das den meisten der werten Leser soviel wie mir: Gar nichts.
Meiner Meinung nach klingen SLOW TRAIN wie ein Mix aus dem ersten KISS-Album (das mit der schlecht getarnten BEACH BOYS-Coverversion), STATUS QUO auf dem Höhepunkt ihres kommerziellen Erfolges - also in der Drei-Akkorde-ab-Dafür-Boogie-Phase - und BLACK SABBATH, versetzt mit mit einem schönen Schuss LED ZEPPELIN. Alles in allem also Bausteine, von denen zwei bereits simpel genug sind und wo - so möchte man meinen - wenig Luft für neue Ideen drin ist. Weit gefehlt! Weit gefehlt! Dies Album erfindet sicher das Rad nicht neu, auch Neuerungen sucht man vergebens – so hätte über dieses Album auch ein Rockmagazin in den späten Seventies unverändert berichten können. Aber die Songs sind Klasse geschrieben, nicht innovativ, dafür aber um so kreativer und vor allem geben sie einem nie das Gefühl, eine andere Band zu hören. Hinzu kommen eine fette Produktion und klasse Lyrics über die klassischen Rock-Themen Sex, Drogen und Liebe.
In Form von "Get Our" eröffnet ein 3-Akkord (circa)-Stampfer das Album und fesselt - wie erwähnt - den Hörer, ob er will oder nicht, mit stählernen Ketten an die Boxen, ein Hammer-Opener. "Misbehavin'“ eröffnet mit einer Bassline, die stark an BLACK SABBATH erinnert, um dann aber in einen LED ZEPPELIN-mässigen Sound überzugehen. Diese beiden Elemente werden immer wieder neu kombiniert und schaffen so einen coolen Song. Ich möchte hier nochmals betonen, daß ich mich zwar an oben genannte Bands erinnert fühle, aber niemals das Gefühl habe, den Song schon einmal gehört zu haben.
Der dritte Track, "Pack My Bags" kombiniert eine balladeske Strophe mit einem 70s-Rock-Überrefrain und begeistert durch Tempowechsel, brillante Gitarrenarbeit sowie endloser Mengen an Emotionen.
Mit einer PROCUL HARUM-mässigen Hammondorgel (sie errinert mich auch stark an einen anderen Spätsechziger-Song, der nicht von PROCUL HARUM ist, Tips bitte an mich) beginnt "You Should Better Know" und bereits zum zweiten Mal glaube ich das hier die obligatorische Ballade versteckt ist. Sie ist es auch tatsächlich, doch sie kann sogar mich als abgehärteten Balladenhasser überzeugen. Man stelle sich eine Mischung aus "No Quarter" von LED ZEPPELIN, "Nights In White Satin" von MOODY BLUES und "Still Got The Blues" von GARY MOORE vor. Ganz grosses Tennis, mehr fällt mir dazu nicht ein.
Trotzdem erfreut es mich sehr, daß "Insane" wieder ein wenig aufs Gaspedal tritt. Der Refrain erinnert mich leider sehr an 80er-Haarmetal-Schandtaten, die von einem treibenden Rhythmus getragene Strophe und eine fast schon an AC/DC erinnernde Bridge entschädigen dafür allerdings mehr als gründlich. Das der Song trotzdem der Schwachpunkt des Albums ist, zeigt einmal mehr die hohe Qualität des hier vorliegenden Tonträgers.
"Acoustic Mountain" ist ein nettes Instrumental, das in erster Linie von Weltraumgitarren getragen wird und nach nicht ganz zwei Minuten in "Love And War" übergeht. Black Metal mag Krieg sein, dieser Song rockt einfach nur, und das ist irgendwie besser. Wild assoziiert fallen mir "Run To The Hills" von MAIDEN, "Breakthru" von QUEEN und wieder einmal LED ZEPPELIN ein, zusammengepackt zu einem Klasse-Song mit einer ellenlangen Bridge, in der die Gitarre irgendwie beinahe Gesangsfunktionen übernimmt.
Eine Granate erster Güte ist "Fridays Girl", klasse Rocknummer, gradeweg in die Fresse, ich dachte sowas würde seit THE WHO und den ersten KISS-Scheiben gar nicht mehr gebaut werden.
Mystery-Rock-mässig, mit reichlich Echoeffekten in allen Sounds und fast schon AXL-mässiger Stimmlage, kommt "White Light" rüber und schafft es kurz vor Schluss einen weiteren Höhepunkt zu einem an solchen nur allzu reichen Album hinzuzufügen, bevor bei "The Season Of Fall" die Orgel einmal öfter eine tragene Rolle in einem Midtempo-Song, der ein weiteres Mal an LED ZEPPELIN erinnert, was in diesem Fall uneingeschränkt positiv gemeint ist.
Selbst die Spielzeit des Albums, recht exakt 44 Minuten, erinnert an selige Vinyl-Tage. Ein wunderschönes Stück Zeitreise, das Hoffnung macht, denn hier haben wir genau die Quasi-Newcomer, die schöne, kreative Alben herausbringen und Hoffnung für die Zeit machen, wenn auch die letzten alten Rockhelden abgetreten sind. Lange werden wir uns nicht mehr auf die Generation, zu deren Mucke schon unsere Väter, bei den jüngeren Lesern vielleicht sogar Grossväter, abgefeiert haben, verlassen können, und SLOW TRAIN sind ein Silberstreif am Horizont für den Zeitpunkt, wenn die Herren Simmons, Osbourne, Richards, Townshend, Cash und wie sie alle heissen 'Six feet under' sind.
Analog zu B.A., der neulich im A-Team sagte (in der Folge 'Cowboy George'): 'Hey, alle lieben Culture Club!' möchte ich sagen: Die einzige Möglichkeit SLOW TRAIN nicht zu mögen, ist eine Abneigung gegen Rockmusik an sich zu haben.
Anspieltipps: Get Out, Pack My Bags, You Should Better Know, White Light
- Redakteur:
- Philipp von dem Knesebeck