SNIPER - Your World Is Doomed
Mehr über Sniper
- Genre:
- Death/Thrash Metal
- Label:
- Cremaster Records
- Release:
- 27.02.2009
- World Funeral
- Final Strike
- Sniper
- Obey
- Eternal Eclipse
- Mind Wars
<strong>Der finale Scharfschützenschuss ins extremistische Hirn oder doch nur weiteres Winterfutter für den "Hamsterbackenmetaller"?<br /></strong>
Als Rockjournalist führt man sich unter Umständen manchen Tags wie ein Hohepriester oder alleiniger Pächter der unumschränkten Wahrheit auf und setzt seine analytischen und seziererischen Fertigkeiten mit der Universalität mathematischer Gleichungssysteme gleich. Sicherlich ein Fehler. Sich von Stimmungsschwankungen und waschweiberhaften Launen lenken zu lassen, erweist sich in gleicher Weise als Idiotie. Doch was macht man als journalistische Kreatur, wenn man sich einer metallhaltigen Aufnahme annimmt, die im Wesentlichen gediegen, tight eingespielt, von mehr oder minder mehrschichtigen Songstrukturen durchzogen ist und auch nicht den Vergleich zu der kommerziell geförderten und mithin von Ruhm und Erfolg gekrönten Konkurrenz scheuen muss, aber letzten Endes doch zu witzlos, metallisch-alltäglich und leicht versalzen klingt. Nicht, dass "Your World Is Doomed" der Rotenburger Extremformation SNIPER ein Schuss in den Ofen geworden ist (oh nein!) und für ungewollte Hexenschüsse zur Rechenschaft gezogen werden müsste – ganz im Gegenteil: die Band beweist griffige, professionelle und sauber berechnende Händchen bei ihren musikalischen Ergüssen und auch der über 100 Gigs schwere Konzertkalender der Vergangenheit, welcher durch geteilte Bühnen mit LEGION OF THE DAMNED, SODOM, MASTER oder DISMEMBER „poliertermaßen“ mit einigem pomphaften Glanz daherkommt und nicht zuletzt die dokumentierte Begeisterung in Form von Höchstnoten und Lob in höchsten Tönen von Seiten der Fachpresse zu ihrem 2006er Werk "Seducer Of Human Souls" sprechen eine klare Sprache; sondern auch die Tatsache, dass Soundlegende Andy Classen an der Aufarbeitung und klangwerklichen Neuschusterei beteiligt war, zeigt wie viel Mühe und Einsatz hinter dem Re-Release von 2004 steckt. Indessen muss man jedoch leider Gottes feststellen, dass diese Informationen zum Teil von der eigentlichen Materie ablenken, sie kaschieren oder gar mit süßlich klebrigem Honig ummanteln.
Über SNIPER daselbst wird geschrieben: „Kraft und Filigranität, Aggression und Melancholie, Brutalität und Melodie – all das verbindet die Rotenburger Extrem Metal Band SNIPER in ihren Kompositionen“, was sich im Hauptsächlichen auch mit meinen Hörerfahrungen deckt, doch irgendetwas ist faul… Ist es das instrumentalistische Grundgerüst? Nein. Vielleicht das die Noten unterstützende Klanggewand? Auch nicht. Diverse Wurmlöcher innerhalb der einzelnen Kompositionen? Ah! Da haben wir den faulen Apfel also! Es mutet einfach dergestalt an: Vieles, was sich auf der Platte befindet, kennt man bereits schon von anderswo. Nehmen wir zum Beispiel das Intro von 'Obey', Streich Numero 4: Verbirgt sich da nicht etwa zufällig METALLICAs 'Harvester Of Sorrow' im Gestrüpp? Das Riff und der Drumbeat sind kein unmittelbarer Abklatsch, aber eine schlichtweg viel zu offensichtliche Adaption, die die Grenze zur Kopie fast schon überschreitet. Als eine Art passagenhaftes Zitat, als Einstreuung und nicht als motivische Modernisierung wäre das echt schön geworden, doch man insistiert (das Riff taucht zum Schluss nämlich noch einmal auf) und kommt zu dem floskelhaften Resultat: „ganz nett“ – zu mehr leider nicht. Oder wie steht es denn mit den anarchistisch gitarristischen Attraktionen auf 'World Funeral' (erster Streich) und 'Mind Wars', dem so genannten letzten Streich: Ist da etwa heimlich Kerry King am Werke, der da soliert? Wie Gastsoli klingen diese auf jeden Fall nicht. Obwohl man hinwiederum zum zweiten Track 'Final Strike' die bestechend skandierten im Tom-Araya-Style gesungenen Zeilen „ineroxable inferno,/ final catastrophy/ existence stops breathing(…)“ der Band als Pluspunkt anrechnen muss; sie bringen Abwechslung ins keifende Geschreie und wirken als Kontrastprogramm umso verzweifelter und theatralischer. Klasse! Mehr davon! Vielleicht sogar noch „eine Terz“ höher. Das kurze Drum/Bass-Interlude im hinteren Drittel von 'Sniper' (#3) erinnert aber ebenfalls viel zu stark an periphere Spielereien von CRYPTOPSY und Co. Die Band weiß gewiss schon, wie man muskulös aufgemotzten Death-Thrash „runterklampft“ und Fans eben dieser Musikrichtung bei den Eiern packt, nichtsdestotrotz stellt sich nach anfänglicher Euphorie schnell dieser „Faule-Apfel-Geschmack“ ein, welcher den Hörgenuss erheblich schmälert. An dieser Stelle sei ein den ungefähren Wortlaut Mikael Akerfeldts wiedergebendes Zitat aufgeführt, das in dem Zusammenhang erstaunlich weise anmutet: „Wenn Metalbands sich nur von anderen Metalbands inspirieren lassen, ist die Musik eine einzige Kopie“. Wenn nicht auf alle Bands zutreffend, so doch auf alle Fälle auf SNIPER. Die Riffs müssten so gesehen mehr aus den tiefsten Eingeweiden, aus dem nicht rationalen Unterbewusstsein kommen und nicht aus einem zensierten, beschnittenen altem Paar Schuhe. Im Falle, dass SNIPER sich dranmachten ihren Sound zu individualisieren und sich endgültig frei von nachmachenden Anwandlungen machen, sind höchstwahrscheinlich Aufstiege in höhere Gefilde möglich, denn Potenzial hat die Truppe. Besonders der Gesang kann – so prognostiziere ich einfach mal ins Blaue hinein – bei weiterem Ausbau viel reißen – sicherlich mehr als nur Nägel und Maschinengewehrsalven.
- Redakteur:
- Markus Sievers