SOLSTAFIR - Hin Helga Kvöl
Auch im Soundcheck: Soundcheck 11/24
Mehr über Solstafir
- Genre:
- Post-Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Century Media / Sony Music
- Release:
- 08.11.2024
- Hun Andar
- Hin Helga Kvol
- Blakkrakki
- Salumessa
- Vor As
- Freygata
- Gryla
- Nu Mun Ljosi Deyja
- Kuml
Unbeschwerte Melancholie und zerbrechlicher Hass. Sind das nicht eigentlich völlige Widersprüche?
Es muss 2010 gewesen sein, als ich SÓLSTAFIR das erste Mal auf einer Bühne erleben durfte. Die mir bis dato unbekannte Band verursachte seinerzeit beim Gößnitz Open Air mehr als nur einen "Wow-Effekt". Während andere ungläubig auf die Isländer schauten und dem Sound nichts abgewinnen konnten, war ich völlig hin und weg. Die kühle Vollmondnacht passte ebenfalls perfekt zum Sound für die Besucher, die davon angetan waren. Zu dieser Zeit war vom SÓLSTAFIR- und Islandhype noch nicht so wahnsinnig viel zu spüren. Es war rein der Sound, der mich packte und als etwas später der Klassiker 'Fjara' veröffentlicht wurde, war die Formation mein erster Favorit. Doch irgendwie verflog im Laufe der Jahre die Begeisterung zusehends. Zum einen lag das an den Songs, die mich nicht mehr so packen konnten wie zu Beginn, zum anderen verflog die Magie bei den Konzerten mehr und mehr. Waren die ersten Konzerte immer etwas ganz Besonders, hatte man später den Eindruck, als ob es Massenware wäre. Auch bei den Musikern war das deutlich zu spüren. Einige Konzerte wurden abgespult, weil sie es eben mussten.
Nun, einige Jahre später, folgt mit "Hin Helga Kvöl" ein neuer Annäherungsversuch in Richtung der Isländer. Sie haben sich gut vier Jahre Zeit gelassen, denn der letzte Albumrelease "Endless Twilight Of Codependent Love" war 2020. Ein Labelwechsel wurde für den neuen Output ebenfalls vollzogen. Also auf zu neuen Ufern? Naja, so dramatisch ist es nicht. Soviel sei schon einmal verraten. Es gibt keine bösen Überraschungen für den Hörer. Im Gegenteil, die Platte wirkt insgesamt reifer und gefestigter. Kein Song ist ein Lückenfüller oder wirkt halbherzig arrangiert. Die Zeit die sich die Band genommen hat, die hat wirklich gutgetan.
Zwischen all der Schwermut und Melancholie klingt immer noch eine gewisse Leichtigkeit durch die Tracks. Genau das ist es, was ich die letzten Jahre immer mehr vermisst hatte! Manchmal wollte man auch einfach zu viel. Gerade auch die Vielfältigkeit der Stücke kann überzeugen. Zudem kommt dem Ganzen noch zugute, dass nichts krampfhaft arrangiert ist. "Hin Helga Kvöl" wirkt auf mich wie eine Reise durch die Bandgeschichte. Aus jeder Schaffenszeit gibt es typische Sounds, die ein vielseitiges und dennoch homogenes Album entstehen lassen. Der Albumtitel, der für Nicht-Isländer eher komisch bis albern klingt, hat einen ernsteren Hintergrund. Mit einer Helga hat das Ganze nichts zu tun. "Hin Helga Kvöl" bedeutet so viel wie "Das Heilige Leiden". Nicht nur Menschen leiden im Laufe ihres Lebens, auch die Natur. Und von diesem Kampf, dem ein jeder ausgeliefert ist, davon erzählen die Musiker auf diesem Werk. Und das Tolle daran ist, dass jeder Song andere Emotionen hervorkitzeln kann. Zwischen Schroffheit und Zerbrechlichkeit können Wimpernschläge liegen, und dennoch funktioniert dieses Werk vortrefflich. Hassbrocken à la 'Nú Mun Ljósið Deyja' treffen auf chilligen Sound mit Saxophonfrequenzen. Letzteres klingt zugebenermaßen erst einmal komisch, funktioniert aber dennoch bei 'Kuml' hervorragend. Dieser Song dürfte live vorgetragen das Publikum in eine kollektive Traumwelt beamen. Das kann 'Sálumessa' ebenfalls wunderbar. Ein typischer SÓLSTAFIR-Track, der so vor sich hin wabert und doch das Zeug hat, komplett in die Klanglandschaft abtauchen zu können.
Ehrlich gesagt hatte ich nicht erwartet, dass mich ein neues Album der Band noch einmal so zu begeistern vermag. Das Werk klingt eher nach "einfach machen und nicht weiter darüber nachdenken" als danach, immer noch mehr heraus zu kitzeln. Das ist jetzt keinesfalls negativ gemeint, denn die Musiker verstehen es immer noch, vertrackte Sounds mit verträumten Gitarrensoli so zu kombinieren, dass einem der Mund offen stehen bleibt. Aber all das tun sie mit einer unbeschwerten Leichtigkeit, die in den letzten Jahren etwas auf der Strecke geblieben ist. Mich hat die Band mit diesem Album wieder zurückgeholt.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Swen Reuter