SORTILEGE - Apocalypso
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2023
Mehr über Sortilege
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Sureshot
- Release:
- 03.03.2023
- Poseidon
- Attila
- Derrière Les Portes De Babylone
- Le Scare Du Sorcier
- La Parade Des Centaures
- Walkyrie
- Encore Un Jour
- Trahison
- Vampire
- Apocalypso
Der Zauber wirkt inzwischen anders.
Was die französischen Heavy-Metal-Helden von SORTILEGE betrifft, war am Anfang die EP: Jene legendäre, selbstbetitelte von 1983, die bis heute in Artikeln und Listen zu den besten Metal-EPs aller Zeiten, jemals, um es auch neudeutsch auszudrücken: EVER, gezählt wird. Gründe hierfür sind magische, ja tatsächlich verzaubernde Riffs und Melodien in fünf unübertroffenen Songs, deren auf französisch verfasste Fantasy-Texte von einem damals stimmlich zu den besten seiner Zunft gehörenden Frontmann großartig eingesungen wurden. Dann kommt in meiner Betrachtung qualitativ lange nichts, bis zum ein Jahr später erschienenen 10-Punkte-Album "Metamorphose". Das zweite und zugleich letzte Album der Originalbesetzung, "Larmes De Heros" von 1986 erreichte ebenfalls noch Klassikerstatus. Dann zerbrach SORTILEGE leider an internen Schwierigkeiten.
Das überschaubare, aber gerade wegen des geringen Umfangs praktisch ausfallfreie Werk der Band blieb über die Jahrzehnte bei Fans und Musikpresse gleichermaßen geschätzt und beliebt. Dieser Umstand trug sicherlich nicht unbeträchtlich dazu bei, dass sich Sänger Christian "Zouille" Augustin im Jahr 2019 nach Jahrzehnten der Ablehnung einer Rückkehr ins Musik-Business schließlich doch überzeugen ließ, wieder schwermetallisch zu zaubern.
Der vielbeachtete Auftritt beim "Keep It True"-Festival 2019, bei dem "Zouille" noch von der französichen Metal-Sängerin LYNDA BASSTARDE stimmlich unterstützt wurde, war der erneute Startschuss für SORTILEGE. Den Auftritt beim "Metal Assault"-Festival 2020 fand ich sogar noch überzeugender. Leider zerbrach die Band im Lauf desselben Jahres erneut, so dass es derzeit zwei Gruppen dieses Namens gibt. Christian "Zouille" Augustin nahm 2021 ein Best-Of-Album inklusive zwei neuen Titeln mit vier anderen, der französischen Szene entstammenden Mitstreitern auf, während die drei Originalmitglieder noch kein Album vorweisen können. Und "Zouille" legt bereits nach...
... nämlich mit dem seit letztem Jahr angekündigten neuen Album "Apocalypso", das nur neue Songs enthält! Sein Organ klingt rauer, tiefer, und in einem guten Sinne älter. Die schneidenden, überaus klaren und kräftigen Höhen erreicht er nicht mehr, sein stimmliches Charisma, seine Ausdrucksfähigkeit hat "Zouille" jedoch nicht eingebüßt. Daher kann der druckvoll lospreschende Opener 'Poseidon' sofort beeindrucken, weil hier alles vorhanden ist, was SORTILEGE früher ausmachte, wenn auch moderner produziert und etwas powermetallischer klingend. An zweiter Stelle wird es für meine Begriffe dann rhythmisch stampfend und somit musikalisch meinen Gusto betreffend zu stumpf für einen Tonträger, der das Erbe von drei Meisterwerken antreten soll: 'Attila' ist dennoch ein packender und kurzweiliger Song keine Frage. Aber ist das noch "Zauberei"?
'Derriere Les Portes De Babylone' stampft abermals rhythmisch, "Zouille" kommt jedoch etwas aus der Reserve und verleiht dem Song die ihm ganz eigene getragene Dramatik, die auch in tieferer Stimmlage und mit rauerem Organ vortrefflich funktioniert. Zudem passen die orientalischen Klänge im hinteren Drittel des Liedes ganz hervorragend. Das kann man von den 'Ohohoh'-Chören' im ansonsten ganz flott tönenden 'Le Sacre Du Sorcier' wiederum nicht behaupten. Hier floss mir dann doch zu viel Anbiederung an modernen Heavy Metal à la POWERWOLF ein, auch wenn der Rest der Nummer gefallen kann. 'La Parade Des Centaures' treibt diese Annäherung an tanzbaren, modernen Metal noch ein Stückchen weiter. Rhythmische Gang-Shouts haben mit den truemetallischen Klängen früherer Zeiten nun wirklich eher gar überhaupt nichts zu tun. Wo ist nur die neue "Amazone"?
Die bleibt qualitativ freilich aus, dafür kommt die 'Walkyrie', zwar rhythmisch stampfend, aber dennoch mit packender Gesangsmelodie und zwingender Härte im Riff. Balladesk-poppig wird es im nächsten Lied: "Encore Un Jour" kann endlich durch die chansonhafte Eleganz punkten, die wohl nur Franzosen in französisch gesungenen Liedern zu erschaffen im Stande sind. 'Trahison' ist dann eine kurzweilige, oldschoolige Heavy-Metal-Nummer, die mich schon ziemlich an IRON MAIDEN-Singles der letzten beiden Jahrzehnte erinnert. Auch beim vorletzten Song bleibt SORTILEGE in der neuen Inkarnation den Inhalten aus Geschichte und Literatur treu: 'Vampire' hat aber, und mir stehen beim Schreiben Tränen in den Augen, im übertragenen Sinne wieder so eine leichte "Bremsspur" wie eine Kinderunterhose, die verflucht und latent Brechreiz-erzeugend nach SABATON und ähnlichem modernen Quatsch müffelt.
Aber um es mit Nina Ruge zu sagen: Alles wird gut! Der Titelsong 'Apocalypso' bringt am Schluss des Albums breitflächig ganz große Dramatik, Chöre und die gesamte Strahlkraft von "Zouilles" phänomenalem stimmlichen Charisma in einem knapp achtminütigen, schillernd getragenen Midtempo-Epos in die Ohren der nach so etwas lechtzenden Zuhörer.
Christian "Zouille" Augustin ist mit seinen Begleitmusikern ein über weite Strecken gutes, abwechslungsreiches Album gelungen, dass sich in den Ohren der über Jahrzehnte der Band treu gebliebenen Fans jedoch mit den zu Beginn dieses Reviews genannten Großartigkeiten messen lassen muss. Und dabei muss ich objektiv schon anmerken, dass wir da bei den meisten neuen Songs von einer ganz anderen Liga sprechen. Trotzdem gibt es von mir immerhin...
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Timo Reiser