SOULFLY - 3
Mehr über Soulfly
- Genre:
- NeoTrash
- Label:
- Roadrunner
- Release:
- 24.06.2002
- Downstroy
- Seek 'n Strike
- Enter Faith
- One
- L.O.T.M.
- Brasil
- Tree Of Pain
- 9-11-01
- Call To Arms
- Four Elements
- SoulFly III
- Sangue De Bairro
- Zumbi
- One Nation
Dass Südamerika neben gutem Fußball, Kokain und hin und wieder mal einem kleinen Revoluzzer auch guten Metal zu bieten hat, wissen wohl Fans von Tönen der härteren Art wohl am besten.
SOULFLY gehören zweifelsohne zu den Königen der Schlafmohnrocker, nachdem sich neben Max auch der Erfolg für SEPULTURA verabschiedet hat. Der König der Könige hat auf jeden Fall zwei Jahre Zeit gehabt, um noch mal kräftig über ein neues Werk nachzudenken. Ob er diese Zeit mehr oder weniger gut genutzt hat, kann man jetzt auf SOULFLYs neuem Album "3" selber beurteilen.
Nachdem nun der Verlust seines Stiefsohnes, der SEPULTURA-Split und die wechselnde SOULFLY-Besetzung mehr als nur erfolgreich in den beiden Vorgängeralben "SoulFly" und "Primitive" verarbeitet wurden, fragt man sich jetzt: Über was will Max schreiben? Über dasselbe wie bei SEPULTURA?
Tatsächlich behielt Max seinen gewohnt kritischen Stil bei, verteufelt neben Regierung und Kommerz so ziemlich alles, was dumm genug ist, ihm in die Quere zu treten, und fing an zu beten. Jawohl, zu beten!
Wo Max noch auf der "SoulFly" auf die bösen Jungs von SEPULTURA rotzte und seinen Schmerz über seinen toten Stiefsohn Dana rausbrüllte, machte er auf der "Primitive" nicht nur Anstalten, etwas cleaner und strukturierter zu klingen, sondern brannte gleichzeitig einen ganzen Haufen an religiösem Gedankengut mit auf die Platte.
Cavalera auf Mohammeds Spuren? Sicher nicht. So wie man seine Texte versteht, nimmt er so ziemlich alles an Religion mit, was er in seiner Morgenzeitung liest. Indische Gottesmusik, christliche Glaubensbekenntnisse und Geschichtsunterricht aus dem Nahen Osten prägen den Maximilliano von heute. Musikalisch untermalt wird das ganze natürlich von seiner Ordenskapelle, die sich mittlerweile wieder aus Roy Mayurga, der dafür extra von seiner neuen Band MEDICATION davonlief, um auf der "3" seinen Dienst am Schlagzeug zu tun, Marcello D. Rapp am Bass und Mikey Doling als Leadgitarrist zusammensetzt.
Wie Max schon andeutete, hört sich dieses Album tatsächlich mehr nach der "SoulFly" an, als nach irgendwas anderem, der Vergleich ist nicht von der Hand zu weisen. Roher ist er geworden, der Sound. Wo auf der "Primitive" noch kräftig retuschiert und gemixt wurde, um den ganzen Sound etwas klarer erscheinen zu lassen, übernahm Max dieses mal selbst die Arbeit des Produzenten und ließ sich dabei nur zur Hand gehen. Wo früher noch Markennamen wie Wallace oder Robinson auf dem Booklet standen, steht jetzt nur noch eines: 100% Cavalera-Sound.
Lernen brauchte die Band quasi nicht dazu, die vorherigen Longplayer strotzten nur so vor Können und Talent. Die Mischung macht's. Standard-Beiträge in Form von Tribal-Elementen, leichtem Elektrosound, Gesellschaftskritik und eben dem geistlichen Part sind wie immer der rote Faden, der durch das Album führt.
Die einzelnen Lieder stehen für sich alleine und doch zusammen, keines klingt wie das andere, und doch fehlt etwas, wenn man sie alleine anhört.
"Downstroy" zum Beispiel ist wie "Back To The Primitive" auf dem Vorgängeralbum ein fetter Opener, der jedoch nichts vom Hammer erahnen lässt, der danach einschlägt. "Seek 'n Strike" zeigt die klaren Crossover-Einflüsse, "Enterfaith" ist der typische SOULFLY-Brüller, der schon immer zum Mitschreien anregte, und "One" ist genau das religiöse Ding, wovon ich die ganze Zeit sprach. In diesen vier Songs, der Reihe nach am Anfang des Albums, zeigt sich das Konzept, die Ideologie der Band SOULFLY. Dieses Konzept wird immer weiterentwickelt, weiterbenutzt und weitergeschrieen, gebrüllt, gejammert und gegrölt. Max Cavalera wird wohl nie etwas an seiner Art zu "singen" ändern. Die fetten Riffs und schnellen Soli von der "SoulFly" vereinigen sich mit dem Rhythmus und der Struktur der "Primitive", ohne etwas an Härte zu verlieren. Roy Mayorga verkauft sich so dermaßen gut, dass er tatsächlich wohl so manchen Speed Metal-Drummer leicht an die Wand kloppen könnte. Seine genialen Tempowechsel und harten Rhythmuseinlagen, die sich mit Perkussionsoli paaren, lassen wohl jeden Metaller mit Fable für Rhythmus und gute Perkussion im siebten Himmel schweben. Leadgitarrist Mikey Doling veränderte quasi nichts, tiefe Töne sind sein Element, seine Riffs derart brachial und drohend, schnell und reissend, dass der Moshpit in Sekundenschnelle zu einem menschlichen Knoten mutieren könnte. Das wundervolle an Bassist Marcello ist die Tatsache dass man ihn hört. Schlicht und einfach gesagt, man hört ihn. Nicht nur pure Rhythmuszugabe oder Textstellenerinnerung, der Bass dröhnt und zetert um sein Leben, geiles Szenario für die Ohren, besonders in "Downstroy".
Besinnlich geht es wieder im Standardsong "SoulFly" zu, dieses mal in der dritten Ausführung. Auch "Tree Of Pain" wartet mit ruhiger Atmosphäre auf, die Soulsängerin Asha Rabouin, die schon auf der "Primitive" mit "Flyhigh" ein grandioses Duett mit Max abgab, kreierte hier mit dem Meister ein Wahnsinnsstück, das durch die schöne Stimme ihrerseits bezaubert, aber in der 140sten Sekunde durch Max' Gebrülle wieder in bare Euphorie verwandelt.
Zum Song "9-11-01" brauche ich nicht viel sagen, es ist eine Schweigeminute.
"Brasil" stellt eine Hommage an sein Heimatland dar, und "One Nation" bringt mich zum schmunzeln. Einerseits das typisch eingetrichterte patriotische Gelaber von ein paar Kindern (Max' Kinder? Oh Graus!), und zweitens kann man einen verstohlenen Seitenblick auf SEPULTURAs "Nation" nicht vermeiden.
Meine Lieblingssongs auf diesem Album sind klar "Last Of The Mohicans" und "Call To Arms", die Songs strotzen nur so vor Energie; Mayorga treibt seine Felle bis zum äussersten, Max bleibt seinen Lieblingsphrasen "...Against All Odds We Go..." und "..The Song Remains Insane.." treu, und Mikey knüppelt mal so nebenher die besten SOULFLY-Songs durch den Äther.
Einzige Änderung am SOULFLY-Habitus ist das Star-Aufgebot auf dem Neuling, konnte Max auf der "Primitive" noch mit großen Namen wie Corey Taylor, Tom Araya und Chino Moreno protzen, so konnte er für "3" lediglich Christian von ILL NINO, William und Greg von SACRED REICH, für die eigene Coverversion ihres Song "One Nation" oder MEIA NOITE, eine brasilianische Percussiongruppe, gewinnen. Muss nicht unbedingt negativ auffallen, tut es auch nicht, die SOULFLY-Truppe hat genug Können und Phantasie, um ein grandioses Arschtreter-Album hervorzuzaubern.
Einziges Manko bleibt die fehlende Spannung. Es wird nichts neues verwendet, der Überraschungsmoment bleibt aus. SOULFLY bleiben sich selber treu, und zwar auf eine Art und Weise die so vorhersehbar ist, dass man quasi alle Lieder der neuen Platte schon kennt bevor man sie gehört hat. Wer weiss wie Max schreibt und schreit, der weiss auch wann und wo.
Dieses Album setzt sich aus bewährtem Tribal-Thrash mit Crossover- und Hardcore-Einflüssen zusammen, die zusätzlich noch mit jeder erdenklichen Musikrichtung gemixt werden. Ich persönlich freue mich auf den Moment, in dem Max Cavalera DEAD CAN DANCE anpackt. Seine Gesellschaftskritik steckt er hier auch noch mal ein Stück zurück und lässt Max' religiösem Kreuzzug den Platz, den er braucht. Dafür hofft Max auf eine neue NAILBOMB-Session, wie irgendwie jeder, der diese Band schon mal zu hören bekam.
Max hat es mit SOULFLY geschafft, mit "3" ein interessantes Album zu kreieren, das alles bisher dagewesene aus den Regalen haut. Ein geniales Album, ein absolutes Muss für Freunde von Mischmucke, die auch mal was härter sein kann, und SEPULTURA/SOULFLY/NAILBOMB-Fans werden sowieso nicht an diesem Kracher vorbeikommen.
Anspieltipps: L.O.T.M., Enter Faith, Tree Of Pain, Call To Arms, SoulFly III, Four Elements, Brasil, Seek 'n Strike, Downstroy
- Redakteur:
- Michael Kulueke