SPIRITUAL FRONT - Rotten Roma Casino (CD+DVD)
Mehr über Spiritual Front
- Genre:
- Suicide Pop
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Trisol / Soulfood Music
- Release:
- 24.09.2010
- Darkroom Friendship
- Sad Almost A Winner
- My Erotic Sacrifice
- Kiss The Girls And Make Them Die
- The Days Of Anger
- German Boys
- Odete
- Black Dogs Of Mexico
- Song For Johnny
- Bare Knuckle Boy
- Cold Love (In A Cold Coffin)
- Overkilled Heart
Suicide-Pop in seiner reinsten Form
"Rotten Roma Casino" heißt das neue Album der römischen Band SPIRITUAL FRONT, die ihren Sound gern als "Suicide-Pop" bezeichnet. Wer die Jungs nicht kennt, wird sich sicherlich fragen: Was soll das denn nun wieder sein? Von der Sache her ist das ganz einfach erklärt. Man nehme einen charismatischen Sänger in Form von Simone Salvatori, der mit seiner Band eine Melange aus eingängigen Melodien zaubert. Die klingen einerseits heiter-beschwingt und anderseits strahlen sie eine innere Zerrissenheit aus. Das alles mit bittersüßen Tangoklängen, Westernmelodien und ein wenig Klassik kombiniert und fertig ist der "Suicide-Pop". Dabei sollte der Hörer aber aufpassen, dass er trotz dieser "leichten" musikalischen Umrahmung den Inhalt nicht vernachlässigt.
Der hat es gewaltig in sich und der Albumtitel ist eine Hommage an die Heimatstadt, mit ihrem ausschweifenden Treiben und der Frage: Was ist echt und was ist Fassade? Und wie könnte es anders sein, geht es in den Stücken um menschliche Beziehungen, sexuelle Neigungen und Ausschweifungen. Dazu passt das Video zum ersten Lied 'Darkroom Friendship' perfekt. Stellenweise steckt in den Aussagen der Songs die pure Provokation, mit der Simone gern schockiert und polarisiert. Für tiefe Gefühlsduseleien ist da kein Platz, die man bei dem gar süßen Sound vermuten könnte.
Und da sind wir bei einem Problem. Der eingesessene Fan wird beim Starten des Werkes mit 'Darkroom Friendship' regelrecht geschockt. Locker-flockiger Sound, wie er eingängiger nicht sein könnte, der obendrein noch so viel gute Laune verbreitet, dass es wahrlich schmerzt. Dazu noch der helle und gut gelaunte Gesang von Simone. Sind das wirklich SPIRITUAL FRONT? Das werden sich wahrscheinlich viele fragen. Gewichen ist der tiefe und charakteristische Gesang mit seiner mystischen Dunkelheit, der die Band in der Vergangenheit umgab. Für eine hellere Gesamtstimmung sorgen zudem weibliche Background-Vocals, die in einigen Songs zu vernehmen sind. Deswegen sollte man am besten das altbekannte ausblenden und sich dem Werk unbedarft annähern.
Nach dem ersten Schock für den Kenner stimmt 'Sad Almost A Winner' wieder versöhnlicher, denn er klingt wieder stärker nach SPIRITUAL FRONT. Nicht nur weil es wesentlich melancholischer wird, nein auch Simone`s Stimme klingt wieder charismatischer. Mit den Streichern und den typischen Gitarrenklängen gibt das ein tolles Arrangement. Ein richtiger Knaller präsentiert sich mit 'Kiss The Girls And Make Then Die'. So macht Suicide-Pop Spaß! Mit Kirchenglocken und typischem Westernsound legt 'The Days Of Anger' los und der leicht dreckige Gesang passt zur staubigen Atmosphäre. In diese Kerbe haut auch wunderbar 'Black Dogs Of Mexico'. Noch ein wenig eingängiger zeigt sich in diesem Soundgewand 'Song for Johnny', was eine gelungene Hommage an Johnny Cash ist.
Dem gegenüber weist das Album mit 'My Erotic Sacrifice', 'German Boys' und 'Bare Knuckle Boy' einige musikalische Schwachstellen auf. Hier laufen die Songs zu sehr vor sich hin und können keine wirklichen Akzente setzen, wie der Rest. Nicht das sie schlecht arrangiert wären, es fehlt ihnen einfach das gewissen Etwas. Im Kontrast dazu, kommt 'Odete' wesentlich spannender daher, was eine willkommene Abwechslung zum dominierenden Klangbild ist. Auch 'Cold Love (In A Cold Coffin)' ist interessanter gestaltet und das nicht nur wegen der Peitschenhiebe am Anfang.
Für einen starken Abgang hat sich Simone als Verstärkung Sonja Kraushofer an Bord geholt. 'Overkilled Heart' beginnt mit ruhigen Klavierklängen. Die Hintergrundgeräusche lassen an eine Kneipe oder eben ein Casino erinnern, in der das Publikum unterhalten werden soll. Sonja beginnt mit einem leisen Gesang, ehe Simone mit in das Geschehen eingreift und die Stimmung gesteigert wird. Die wiederkehrenden Stimmungswechsel in Musik und Gesang bilden ein geniales Grand Finale, dem es nichts mehr hinzuzufügen gibt.
Der CD liegt eine liebevoll gestaltete DVD bei. Auf ihr sind die Videos zu 'Darkroom Friendship' und 'Sad Almost A Winner' zu sehen. Weiterhin gibt es Neuinterpretationen zu verschiedenen Gedichten und Erzählungen verschiedener Künstler, die für Simone eine wichtige Rolle spielen und zum Inhalt seiner Stücke passen. Ein kleines Interview mit dem Bandchef runden die DVD ab.
Mit dieser CD sind SPRITUAL FRONT definitiv im Pop angekommen und haben die dunklen Momente aus ihrer Musik größtenteils verbannt. Deswegen werden sicher viele aus der Gothic- und Neofolk-Szene, in der die Band bisher hauptsächlich agierte, anfänglich ein Problem mit den Songs haben oder sich gar von der Formation verabschieden. Nach ein paar Durchläufen finden sind jedoch genügend Momente, die typisch für die Band sind. Also sollte man dem neuen Sound einfach eine Chance geben, auch wenn er wesentlich kommerzieller klingt. Fest steht jedoch, dass es ein sehr abwechslungsreiches Album in musikalischer und gesanglicher Hinsicht geworden ist. Simone zeigt sein stimmliches Potenzial sehr gut, wobei es in den tieferen Tonlagen interessanter klingt, als wenn es zu hell und glatt gebügelt ist. Die stärker eingesetzten weiblichen Stimmen passen insgesamt gesehen recht gut und hätten einen tollen Kontrast zu dem angesprochenen dunklem Gesang geben.
Ob ihnen außerhalb der benannten Szenen, aus denen sie ja ausbrechen wollen, der Durchbruch gelingt wird sich zeigen. Musikalisch ist dieser Weg bestens geebnet. Nur ist es fraglich, ob die (noch) unbekannte Masse Zugang zu den Texten findet. Laut Simone steckt hinter dem Imagewandel keine kommerzielle Absicht, sondern die eigene und konsequente Weiterentwicklung. Wollen wir es ihm mal glauben. Hauptsache ist, sie bleiben sich selbst treu, dann sei ihnen der Erfolg gegönnt. Und wenn er mal 'Darkroom Friendship' live so performt, wie im Video, dürfte ihm der Regen an Unterwäscheteilen seiner bisherigen, weiblichen Anhängerschar wieder sicher sein.
Anspieltipps: Kiss The Girls And Make Then Die, Song For Johnny, Overkilled Heart
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Swen Reuter