SPOCK'S BEARD - Brief Nocturnes And Dreamless Sleep
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2013
Mehr über Spock's Beard
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Inside Out (EMI)
- Release:
- 22.03.2013
- Hiding Out
- I Know Your Secret
- A Treasure Abandoned
- Submerged
- Afterthoughts
- Something Very Strange
- Waiting For Me
Henriquatre oder 3-Tage-Bart?
Besetzungswechsel sind mittlerweile eine Konstante bei den vulkanischen Bärten, hat sich doch Drummer und Sänger Nick D'Virgilio nach "X" seinen Bart abrasiert und dauerhaft beim Cirque du Soleil angeheuert. Auf "Brief Nocturnes And Dreamless Sleep" will man nun beweisen, dass es mit dem bisherigen Live-Drummer Jimmy Keegan auch im Studio klappt und dass man mit Ted Leonard (ENCHANT, AFFECTOR) einen adäquaten Ersatz verpflichtet hat. Und, oh Wunder, auch der ehemalige Chef-Coiffeur Neal Morse steuert erneut sein markantes Songwriting bei.
Ich habe lange gebraucht, um mit "Brief Nocturnes And Dreamless Sleep" warm zu werden. Im Gegensatz zu früheren LPs (auch die anderen der Post-Neal-Morse-Ära) musste der Dreher oft gehört werden, bis ich mir überhaupt eine richtige Meinung bilden konnte. Grund dafür? Nun, wenn ich das so genau wüsste. Meiner Meinung nach haben sich SPOCK'S BEARD viel Mühe damit gemacht, ihren Sound weiterzuentwickeln und sich ein Stück weit von dem zu emanzipieren, was die Fans von einem neuen Album erwarten würden.
Gleich 'Hiding Out' ist ziemlich modern, straight und weist für meine Ohren sogar dezente Grunge-Sprengsel auf, ist aber ein toller Song, der lediglich etwas unter seiner Länge leidet. Mit 'I Know Your Secret' steht aber eine typischere SPOCK'S BEARD-Nummer gleich hintendran, bei der offensichtlich wird, worin die Umgewöhnung besteht: Ted Leonard ist ein toller Sänger, aber seine Stimmfarbe unterscheidet sich mehr als gedacht von seinem Vorgänger, Neal Morse mal ganz außen vor. Doch die Tatsache eines Unterschiedes sagt schließlich noch nichts über die Qualität aus, das muss man ganz klar sagen. Der Sänger ist nun einmal derjenige in einer Band, an dem es größtenteils hängt, wenn es um Identifizierung und Anhängertum geht.
Nach dieser kleinen Umstellung findet man sich leicht im Kosmos der neuen Platte zurecht, deren dritter Vertreter 'A Treasure Abandoned' mich sehr an die Frühphase der Band erinnert, ohne wie ein Plagiat zu klingen. Die Gitarrenarbeit hat sogar einen Frusciante-Touch und erhebliches Radioplay-Potenzial, wozu die neue Stimme des Bartes ebenfalls einen Beitrag leistet. Die nächste Nummer 'Submerged' stammt aus der Feder von Ted Leonard, der die Nummer eigentlich für eines seiner Soloalben verwursten wollte. Doch um ehrlich zu sein, klingt der Song eher nach einem Überbleibsel der FLYING COLORS-Sessions, die Neal seinem Bruder untergeschoben hat und die man im Bandlager als Bereicherung des Sounds wahrnimmt. Für mich jedoch eher ein Lowlight, das nicht mit den anderen sechs, teils richtig starken Songs mithalten kann.
Hingegen ein Highlight steht mit 'Afterthoughts' an, bei dem sich Gitarrist Al etwas Unterstützung von Gründer und Schutzpatron Neal Morse ins Haus geholt hat. Mehr als deutlich werden hier Motive vergangener 'Thoughts'-Songs verwurstet, sodass wieder einmal eine Brücke in Richtung Vergangenheit geschlagen wird. Die Fans wird es freuen, dessen bin ich mir sicher. In dieser Stimmung scheint auch 'Something Very Strange' entstanden zu sein. Ein Song mit Wurzeln im Retro-Prog, wie ihn einst SPOCK'S BEARD salonfähig machten und wie er auch bei TRANSATLANTIC immer noch zu hören ist. Hier liefert Ted Leonard die beste Leistung auf "Brief Nocturnes And Dreamless Sleep" ab und die hypnotischen Keys über der groovenden Rhythmusgruppe machen daraus die zweittollste Nummer der Platte.
Bleibt noch der längste, beste und auch letzte Song 'Waiting For Me', bei dem ebenfalls Neal Morse seine Finger im Spiel hatte. Ich brauche hier keine Eulen nach Athen tragen, doch eines sei gesagt: die Magie bei SPOCK'S BEARD ist immer noch dann am größten, wenn Neal beteiligt ist. Ob die Band sich damit einen Gefallen tut, müssen sie letztendlich selbst entscheiden. Und darüber, ob es tatsächlich wieder eine Reunion mit ihrem Altmeister geben wird, lässt sich nur spekulieren. Die Zeichen standen jedenfalls schon schlechter und ich kann nur betonen, dass ich SPOCK'S BEARD in diesem Geiste am liebsten mag. Ihre neue Seite ist keineswegs zu verachten, und viele Prog-Rock-Bands würden vermutlich ihre Hände dafür geben, um so eingängig und trotzdem proggig zu klingen. Was letztendlich nur eines bedeutet: SPOCK'S BEARD behaupten sich immer noch an der Spitze der Prog-Bewegung.
Anspieltipps: 'Waiting For Me', 'Something Very Strange', 'A Treasure Abandoned'
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Nils Macher