SUCH A SURGE - Alpha
Mehr über Such A Surge
- Genre:
- Crossover
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 04.04.2005
- Überfall
- O.K.
- Was jetzt?
- Alles was mir fehlt
- Zu allem bereit
- Radiosong
- Mein Tag
- Instant Replay
- Nachtaktiv
- Blender
- Mission erfüllt
- Monster
"Alpha" heißt die neue Scheibe von SUCH A SURGE, und das Cover erinnert nicht von ungefähr an den Planet der Affen.
Das Gefühl, vom immer weiter um sich greifenden Sozialdarwinismus rechts überholt zu werden, gehörte seit jeher zum Grundtenor der Braunschweiger Band.
Des Öfteren schon nahm man dort die Verweigerungshaltung ein, prangerte die Kälte der Gesellschaft an und setzte sich nicht zuletzt auch bewusst von den Schafen im Musikgeschäft ab, die sich mit Blick aufs schnelle Geld zum King-of-a-Day-Schafott für ehedem gehypete One-Hit-Wonders führen ließen.
Die letzte Konsequenz aus der immer wieder propagierten Ehrlichkeit führte sie schließlich ins "Rotlicht", wo auch die eigene Ungenügsamkeit in selbiges gezerrt wurde, wo Schmerz und Wut sich mit Paranoia paarten, wo die Nerven blank lagen und ihr zynisches Aufbegehren teilweise eben doch an das letzte Zucken eines zwar trotzigen aber dennoch zur Schlachtbank geführten Opferlamms erinnerte.
Nun, SUCH A SURGE scheinen sich von der großen Depression befreit und den blutigen Schafspelz abgeworfen zu haben, um nun den Wolf, das Alpha-Tier, in sich zum Vorschein zu bringen - oder doch zumindest den Leithammel zu geben: »Ihr habt uns unterschätzt, diesmal kommen wir nicht allein. Die Druckwelle wird diesmal heftig sein.« (aus 'Zu allem bereit')
Bereits der erste 'Überfall' dröhnt donnernd aus den Boxen, mit so viel Schub wie ein IC-Express. SUCH A SURGE haben bereits seit längerem mehrere Nebenprojekte laufen, die sie durch ihre eigene Produktionsfirma an den Start bringen. Der Vertrieb von "Alpha" läuft nun allerdings über das Major-Label Nuclear Blast - was für eine Combo, die ihre Wurzeln in Alternativrock, Crossover und Deutschrap hat, wohl eher ungewöhnlich ist. Dem potenziellen Ausverkaufsvorwurf begegnen sie auf ironische Weise zuvorkommend mit einem trotzigen »Wir holen uns zurück, was uns gehört!« und einem sarkastischen »Wir sind alt und brauchen das Geld«.
In der Tat hat die neue Produktion einen deutlich anderen Klang, scheint sie doch auch einen Wandel des Lebensgefühls zum Ausdruck zu bringen. "Alpha" ist extrem fett produziert und klingt deutlich klarer als der, vermutlich so gewollt, etwas schlierige Vorgänger.
Was steckt dahinter - Trendjetting unter dem Eindruck des aktuellen NuRock- und Core-Booms oder tatsächlich ein neues Selbstbewusstsein? Fest steht: Haben SUCH A SURGE zuletzt noch mit eher beschränkten und blassen Klangfarben sowie einer leicht breiigen Produktion durch und durch konsequent gesellschaftskritische bis richtiggehend kranke Stimmungsbilder gemalt, so schicken sie nun leuchtkräftige Blaupausen für akustische Agitationsposter in den Druck. Und der ist mitunter gewaltig!
Dieser bereits im Opener offensiv eingeschlagene, im Vergleich zum Vorgänger wieder deutlich straightere Kurs setzt sich in 'O.K.' fort, einem Track über den ganz normalen Wahnsinn aus neonhellem Lächeln und Herzen aus Silikon, der sich hinter Elektrozäunen und Alarmanlagen versteckt. Trotz moderner gewordener Produktion: Der bereits in "Rotlicht" zum Ausdruck gekommene innere Zwiespalt kriecht auch hier wieder hervor, wenn es etwa heißt »Ich würde diese kranke Welt gerne mal mit euren Augen sehen. Vielleicht könnt' ich's dann versteh'n, und es würd' mir so viel besser geh'n ...«
Handelte es sich nicht um SUCH A SURGE, deren Musik sich immer schon eindeutigen Kategorisierungen verschloss, so wäre ich an dieser Stelle fast geneigt, "Alpha" als die von einigen Verzweifelten tatsächlich noch immer erwartete Rettung aus der Krise des seit geraumer Zeit vor sich hin siechenden Patienten namens EmoRock zu propagieren.
Doch SUCH A SURGE sind nun einmal SUCH A SURGE, und so wird, wer die Band schon immer gehasst hat, dies wohl auch weiterhin tun; zu unverkennbar ist ihr Markenzeichensound aus übersteuerten Gitarren und eigenwilligem Gesang, ihre besondere Mischung aus noisiger Monotonie und wütender Dynamik. Konsequent waren sie schon immer, und genauso konsequent verfolgen sie auch ihren neuen Kurs.
'Was jetzt' macht nämlich ebenfalls tüchtig einen auf dicke Hose: »Das ist kein Lächeln, das sind gefletschte Zähne«, heißt es dort, und »Wer nach oben will, muss nach unten treten. Es kann immer nur einen geben.« Da gibt es keine Verweigerung mehr, kein Abstecken der eigenen Schutzzone; SUCH A SURGE gehen jetzt mit klarer Ansage auf Konfrontationskurs; das Spiel mitspielen, doch die Regeln selbst bestimmen. Aggro Braunschweig? Mitnichten. Es scheint jetzt kaum noch vorstellbar, dass diese Jungs einmal mit Asi-Punk-Rapper und 'Reimemonster' FERRIS MC gemeinsam auf den Brettern standen, die die Welt bedeuten. Ein düsteres Solo zelebriert stattdessen so eine Art Sludge-Blues, von HipHop fehlt auf diesem Album bislang jede Spur. SAS klingen dabei zwar nach wie vor sperrig, doch bleibt zu konstatieren, dass die neuen Stücke deutlich massentauglicher als bislang gewohnt sind; musikalisch kreativer allerdings auch!
Vorerst wird dann die Aggression etwas zurückgeschraubt, obgleich auch 'Alles was mir fehlt' durchaus wuchtig daherkommt. Zu den besten Stücken würde ich es dennoch nicht gerade zählen. Zu oft wiederholt sich dafür der etwas melodramatisch geratene Refrain: Öl ins Feuer des wohl am häufigsten geäußerten Kritikpunkts am Stil der Band. Gleich und gleich gesellt sich gern; und da ist er dann auch tatsächlich wieder, der altbewährte Wechsel von lauten und leisen Passagen: Die abgegriffene und (gefühlt) circa tausendmal variierte SAS-Formel, die dennoch immer wieder zündet (außer bei den Hatern). SAS haben keine Angst vor dem Banalen, greifen gerne auch zu schlichten Worten, die aber in ihrer Darbietung stets auch so gefühlt klingen, und für die jede Trennung zwischen privat und bühnenzugehörig nonexistent scheint. Interessant an diesem Stück: Das markante Schlagzeugspiel schafft es, selbst Noiserock orchestral klingen zu lassen; und das liegt gar nicht mal an den romantischen Streichern, welche sich später dazugesellen und inmitten des völlig kaputten Sounds seltsamerweise weder deplatziert noch kitschig klingen. Wenn da nur nicht dieser überstrapazierte Refrain wäre ...
Nach diesem zwischenmenschlichen Zwischenspiel geht es dann aber wieder richtig derbe weiter. 'Zu allem bereit' haben SAS einen wuchtigen Rock-'n'-Roll-Sound auf Amphetaminbasis eingeprügelt. Auch dieser Track ist immer noch unverkennbar SUCH A SURGE, jedoch mit merklich gesteigerter Massentauglichkeit: »Alle sollen es wissen, alle sollen dabei sein«. Musikalisch geht der Track klar; textlich finde ich ihn dagegen nicht so gelungen: Er tischt eben jene Sorte von Widerstandsphrasen auf, mit denen sich wohl nahezu jeder identifizieren kann - weil es Worthülsen sind, die sich nach gusto mit jeder beliebigen Ideologie füllen lassen.
Beinahe genauso simpel kommt der Text vom 'Radiosong' daher, einem monstermäßigen Mosher, der sehr geradlinig und wie fürs Livekonzert geschrieben daherkommt. Als härtester Track des Albums ist er zudem so platziert, dass das nachfolgende Stück nach dieser aufpeitschenden akustischen Attacke um so ironischer wirken muss.
'Mein Tag' bringt wider Erwarten nämlich doch noch ein Stück Sprechgesang aufs Album, und zwar irgendwie in Hamburgs Stil präsentiert, zu locker dahingeklampfter Akustikrockbegleitung; serviert mit einem richtig poppigen Refrain, der in den Achtzigern (vor dem großen HipHop-Boom) auch den Durchschnittsbravoleser begeistert hätte. »Die Zukunft sieht rosig aus, man sieht Blumen auf verbrannter Erde. Man feiert kleine Erfolge nach einem Riesenflop. Jeder, der wirklich Arbeit sucht, findet auch einen Job. Sogar der Yuppie von nebenan, der leider seinen Porsche verkaufen musste, glaubt wieder dran.« So einfach ist das also mit dem Glück, und statt eines herzzerreißenden Solos gibt es diesmal optimistischen Countrygitarrenrock mit schöner Geigenbegleitung, dem die Pointe jedoch auf dem Fuße folgt: »Alles in allem sieht alles besser aus als es war seit der größeren Dröhnung Psychopharmaka.« Das ließe sich durchaus als netter Seitenhieb auf die zweckoptimistische Neue Mitte ('Gustav Gans') bei den ex-revolutionären BEGINNERn verstehen ...
Doch schon kickt das nachfolgende 'Instant Replay' wieder einen wirklich bedrohlichen Style, der irgendwo zwischen einer sediert psychedelischen Überdosis MONSTER MAGNET und den total kranken Emocoreattacken des Side-Projects REVOLVER angesiedelt ist; die Übergänge sind dabei durchaus fließend.
Womit ich auf einer solchen Scheibe am allerwenigsten gerechnet hätte, ist jedoch 'Nachtaktiv', ein einfach nur schöner, melodischer Song über den Flucht- und Ruhepunkt Meer, eine hier ganz konkret umgesetzte Metapher für das dem Alltag abgetrotzte Stück Paradies im 'Augenblick' (vgl. "Rotlicht"); musikalisch entsprechend gut umgesetzt, mit nächtlichem Flair und dezentem weiblichem Hintergrundchor.
'Blender' fährt einen feisten Motorengroove auf, mit dem SUCH A SURGE uns auf einen größenwahnsinnigen Egotrip mitnehmen. 'Mission erfüllt' richtet sich als gitarrengetragen dahinschwebender Midtemposong an die amerikanischen Soldaten im entgegen allen offiziellen Behauptungen noch immer andauernden Irakkrieg. Und mit 'Monster' werfen SAS uns zum Abschluss noch einen zähen Brocken himmelhoch aufgetürmter, hypnotischer, düsterer Riffs und Feedbacks sowie diverser schmurgelnder Effekte hin, die zum langsam getakteten Rhythmus eine schwarze Sonne im Hirn des Hörers aufgehen lassen. Zurück im Zentrum des Schreckens, im eigenen Kopf, im Brennpunkt der Weltangst.
"Alpha" nimmt also als durchaus abwechslungsreiches, eher rifflastiges, bisweilen auch ironisch-sarkastisches Album mit einigen harten Brechern einen würdigen Platz im Schaffen der Band ein. Ob die instant hit formula auch eine lange Halbwertszeit hat, wird sich allerdings noch zeigen müssen.
Vorerst aber läuft das Teil bei mir auf heavy rotation.
Anspieltipps: Radiosong, Mein Tag, Nachtaktiv, Monster
- Redakteur:
- Eike Schmitz