SUCH A SURGE - Rotlicht
Mehr über Such A Surge
- Genre:
- Crossover
- Label:
- Columbia/Sony Music
- Sag jetzt nichts
- Aktion
- Alles muss raus
- Hypochonder
- Augenblick
- So viele Fragen
- Fremdkörper
- Nie genug
- Aufstehen
- Kann alles sein
- Keinen Schritt weiter (Bonustrack)
SUCH A SURGE sind musikalische Chamäleons, nie weiß man als Hörer, was die Band als nächstes veröffentlichen wird.
Das letzte Album „Der Surge Effekt“ war ein Klassiker, auf dem typischer Crossover perfekt mit Hardcoregeballer, Popsongs, Noiserock und HipHop harmonierte.
Nichts wäre wohl einfacher gewesen, als dieses Erfolgsrezept beizubehalten, aber die Braunschweiger haben wieder mal einen Kurswechsel vollzogen.
„Rotlicht“ ist dabei stilistisch geschlossener, auch wegen des textlichen Wandels. Auf englische oder gar französische Texte hat die Band komplett verzichtet.
Ein durchaus richtiger Schritt, denn die deutschen Texte wirkten schon immer am direktesten und brachten die Message von SUCH A SURGE am besten rüber. Musikalisch hingegen ist „Rotlicht“ wohl das düsterste Album seit „Agoraphobic Notes“, als kleinen Anhaltspunkt kann man sich eine Mischung aus „Shot Myself (With A Plastic Gun)“ und „Tropfen“ von „Der Surge Effekt“ vorstellen, das verschafft immerhin einen kleine Einblick in die neuen Songs.
Das neue Album ist auch keine eingängige CD, obwohl eingängige Parts durchaus vorhanden sind. Damit man die CD aber wirklich erfassen kann, muss man sich schon darauf einlassen und einige Durchläufe auf sich nehmen, um mit dem Material warm zu werden.
Dann allerdings entfalten die Tracks ihre gesamte Klasse und Durchschlagskraft. Mein persönlicher Favorit ist ganz klar 'Alles muss raus'. Die spannungsgeladenen Strophen wirken wirklich fesselnd, um nicht zu sagen nervenzerreißend, münden aber im genau richtigen Zeitpunkt in den Refrain, der gleichzeitig melodisch und auch aggressiv wirkt.
Besonders bemerkenswert ist dabei das Gitarrenspiel von Dennis Graef, der die beschriebene Spannung mit wenigen, aber dafür umso effektiveren Mitteln aufbaut. Den Song könnte ich stundenlang hören, einfach nur genial.
Aber 'Alles muss raus' ist nicht das einzige Highlight von „Rotlicht“. 'Hypochonder' ist trotz des keinesfalls positiven Texts und des Verzichts auf brettharte Riffs ein Ohrwurm par excellence, die virtuose Gitarrenarbeit wird perfekt vom emotionalen Gesang unterstützt, besonders cool der Refrain, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht.
Trotz dieser Beschreibungen darf man nicht denken, SUCH A SURGE hätten an Härte verloren. Der Opener 'Sag jetzt nichts' ist verdammt heavy, während die brutalen Shouts im sehr dunkeln 'Aktion' ebenfalls sehr hart und aggressiv wirken.
'Nie genug' hingegen klingt von Anfang an, vor allem durch das unbarmherzig treibende Schlagzeugspiel, sehr gradlinig, spannend und hart.
In diesem Zusammenhang ist es mir auch vollkommen unverständlich, warum 'Keinen Schritt weiter' nur als Bonustrack verwendet wurde. Der sehr ruhige, melancholische Song wird erst durch den immens harten Refrain, der dabei kein Licht in die Dunkelheit bringt, richtig gut.
Der Doppelpack 'Augenblick' und vor allem das hoffnungslose 'So viele Fragen' stehen dann für den ruhigeren Anteil der Scheibe, wobei ruhig hier eher melancholisch, düster, auch resigniert bedeutet.
'Fremdkörper' hingegen wirkt verstörend, ein Lied, in dem schöne Melodien mit aggressiven Schreien und den sehr noisigen, facettenreichen Gitarrenlicks kombiniert werden. Beim ersten Hören wird man mit 'Fremdkörper' nicht wirklich warm, aber nach mehreren Durchläufen entwickelt sich der Song dann zu einem Highlight des Albums.
Und so ergeht es einem mit dem gesamten Album. Kristallisieren sich am Anfang schon ein paar Highlightstellen heraus, so taucht man mit jedem Durchgang tiefer in das Album ein, nimmt immer mehr interessante Facetten wahr, begreift die Einheit von Texten und Musik und erkennt schließlich, dass „Rotlicht“ eine wirklich originelle und verdammt gute Scheibe ist.
Vielleicht noch ein Wort zu den eben angesprochenen Texten: SUCH A SURGE werden ja oft für ihre altklugen, pathetischen, kopflastigen Texte kritisiert, ich finde hingegen, dass die Band verdammt viel Sinnvolles zu sagen hat und das auch gekonnt ausdrücken kann.
Musikalisch sind SUCH A SURGE eine der wenigen Bands, die nie zweimal das gleiche Album aufnehmen und trotzdem ihre Identität immer behalten und darüber hinaus einen Wahnsinnsgitarristen in ihren Reihen haben.
„Rotlicht“ strotzt nur so vor Einfallsreichtum, Klasse und Originalität, in dieser Form sind SUCH A SURGE wohl ohne Zweifel die beste deutsche Crossover Band. Und wirklich gerappt wird auf diesem Album kein einziges Mal... .
Anspieltipps: Alles muss raus, Sag jetzt nichts, So viele Fragen, Hypochonder, Fremdkörper
- Redakteur:
- Herbert Chwalek